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DHL-Drehkreuz in Leipzig: Der Widerstand wächst

Die geplante Erweiterung des DHL-Drehkreuzes am Flughafen Leipzig stößt auf Unmut von Bürgern, Initiativen und Rathäusern. Wie es jetzt weitergeht.

Von Sven Heitkamp
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Das Frachtgeschäft am Leipziger Flughafen wächst. DHL will ausbauen. Den Menschen in der Umgebung wird es aber langsam zu laut.
Das Frachtgeschäft am Leipziger Flughafen wächst. DHL will ausbauen. Den Menschen in der Umgebung wird es aber langsam zu laut. © Robert Michael

Seit bald 15 Jahren gilt Leipzigs Fracht-Flughafen als Motor der Wachstumsregion. Allein am Airport selbst arbeiten heute 11.000 Beschäftigte in rund 100 Unternehmen – von Amazon bis Volga Dnepr. Die zunehmenden Nachtflüge, die immensen Wachstumsschübe und die baulichen Erweiterungen haben die Stadt und die meisten Bewohner bisher ziemlich klaglos hingenommen.

So ist Leipzig zum zweitgrößten Luftfrachtdrehkreuz Deutschlands aufgestiegen und im DHL-Konzern die Nummer 1 geworden – noch vor Hongkong und den USA. Voriges Jahr wurden fast 1,4 Millionen Tonnen Fracht in Leipzig umgeschlagen. Doch die alte Harmonie zwischen der Region und ihrem Flughafen schwindet unter dem Eindruck der Luftverschmutzung und des Fluglärms, der vor allem nachts an vielen Orten zu hören ist.

Der neueste Flughafenausbau, der jetzt zur Genehmigung bei der Landesdirektion vorliegt, erlebt einen noch nicht dagewesenen Gegenwind: Mehrere Bürgerinitiativen laufen mittlerweile Sturm gegen das Projekt. Bei der Landesdirektion gingen bis zur Abgabefrist 4.400 Einwände von rund 5.500 Personen ein, bestätigt deren Sprecher Holm Felber.

DHL-Mitarbeiter Reinhard Mann arbeitet in der Sortieranlage
DHL-Mitarbeiter Reinhard Mann arbeitet in der Sortieranlage © Robert Michael

Im Februar protestierten Vertreter der Bürgerinitiativen vor der Landesdirektion und übergaben ein Positionspapier. Tenor: „Kein weiterer Ausbau des Frachtflughafens Leipzig-Halle.“ Auch 17 Kommunen aus dem Umland haben sich teils sehr kritisch geäußert und Nachbesserungen gefordert, unter ihnen Leipzig und Halle, Schkeuditz, Delitzsch und Eilenburg. Zugleich beschloss der Landtag auf Antrag der Grünen den ersten Fluglärmschutz-Beauftragten für den Airport.

Der Berg an kritischen Schreiben werde derzeit sortiert und an die Flughafen-Gesellschaft übergeben, sagt Behördensprecher Felber. Unter Umständen müssten bisherige Pläne verändert werden.

Dabei hat der Airport wieder Großes vor: Im Auftrag des Paketdienstes DHL, der zur Deutschen Post gehört, soll das Vorfeld der Start- und Landebahn Süd um rund 66 Hektar erweitert werden. Dabei soll die Zahl der Stellplätze für die Frachtflieger deutlich wachsen: von heute 60 auf künftig bis zu 96, je nach Größe der Flugzeuge. Dazu kommen neue Rollwege, eine Enteisungsfläche, Platz für eine Schneedeponie und eine Energiestation. Kosten des DHL-Ausbaus: mehr als 300 Millionen Euro.

Stadt muss abwägen

Prognosen gehen von einem dramatischen Anstieg der Flugbewegungen um bis zu 50 Prozent aus. Die nächtlichen Flüge zwischen 22 und 6 Uhr könnten von rund 20.000 im Jahr auf mehr als 28.000 steigen. Die Reaktion der Stadt Leipzig fällt daher zweischneidig aus. Einerseits betont Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) die enorme wirtschaftliche Bedeutung des Drehkreuzes.

Andererseits fordert er eine Nachbesserung der Erweiterungspläne. „Wir wollen ein Lärmschutzgutachten auf einem anderen Niveau, wir möchten das Nachtschutzgebiet neu diskutieren und wir wollen die kurze Südabkurvung verhindern.“ Das Rathaus hat Ende Januar eine 18-seitige Stellungnahme zum Flughafenausbau abgegeben, die es in sich hat. Demnach sei die Planung deutlich zu überarbeiten, weil ein wesentlicher Teil unvollständig oder „nicht zustimmungsfähig“ sei.

Dabei geht es unter anderem um Flug- und Bodenlärm, Klimaschutz, Umweltverträglichkeit und Verkehr. Zudem würden die Flüge auf den Start- und Landebahnen im Norden und Süden sehr ungleichmäßig verteilt. Aufgrund der „Unzulänglichkeit“ halte es die Stadt für sinnvoll, das Beteiligungsverfahren zu wiederholen.

Wehe dem, der nachts aufwacht

Eine ganze Reihe Bürgerinitiativen aus dem Umland hat sich zu einem Netzwerk zusammengeschlossen, das nach eigenen Angaben für mehr als 100.000 Menschen in der Region kämpft. „Tatsache ist, dass der Flughafen schon jetzt als die lauteste, stadtnahe, nächtliche Lärmquelle Deutschlands gilt“, sagt Peter Richter von der IG Nachtflugverbot. Die ganze Region leide unter der Umweltverschmutzung durch Triebwerksabgase und Ultrafeinstaub. „Extrem laute Frachtflugzeuge, die anderswo aus Lärmschutzgründen ein Nachtflugverbot haben, fliegen Leipzig ohne jegliche Beschränkung an“, beklagt Richter.

„Bei dem furchtbaren Lärm ist an einen gesunden Nachtschlaf nicht mehr zu denken. Wehe dem, der nachts aufwacht. Da starten die Frachtmaschinen im Ein- bis Zweiminutentakt kriegsähnlich über die Köpfe der 1,5 Millionen Fluglärmbetroffenen.“ Eine Online-Petition gegen den Flughafenausbau wurde bereits von knapp 8.700 Unterstützern unterschrieben.

Laute Maschinen ausmustern

Der Flughafen selbst hält sich indes diplomatisch zurück. Er setzt den Bau im Auftrag der DHL um und hat den Planfeststellungsantrag im August bei der Landesdirektion eingereicht. Schon seit Ende 2018 habe es Beteiligungen und Informationen der Öffentlichkeit gegeben, betont Konzernsprecher Uwe Schuhart. Nun werde man die Einwendungen ordnungsgemäß prüfen und Stellung beziehen. Die Anforderungen der Landesdirektion seien allerdings durchaus erfüllt worden.

Zu Zeitplänen des Bauprojekts äußert sich der Sprecher angesichts der offenen Konfliktlage und denkbarer Klagen nicht. Geplant sei indes, die Flugzeugflotten weiter zu modernisieren und alte, laute Maschinen auszumustern. Großraumflieger vom Typ Airbus A 330 und Boeing 777 sollen mehr Fracht aufnehmen, trotzdem weniger Treibstoff verbrauchen und weniger Emissionen ausstoßen. Die Stadt Leipzig wüsste das gern genauer. „Der prognostizierte Austausch der Flotte und die erwartete Lärmminderung“, heißt es, „sind detaillierter darzustellen.“