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Leipzig
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Erste Mieter ziehen in DDR-Gästehaus in Leipzig ein

Einst schliefen die Mächtigen im "Gästehaus des Ministerrates und Politbüros der DDR" in Leipzig. Jetzt wurde es zum Wohngebäude umgebaut. Auf die Mieter wartet modernes Wohnen - mit einem Hauch DDR-Geschichte.

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Bauleute arbeiten am ehemaligen "Gästehaus des Ministerrates und Politbüros der DDR", das gegenwärtig zu einem Wohngebäude umgebaut und mit einem Neubau ergänzt wird.
Bauleute arbeiten am ehemaligen "Gästehaus des Ministerrates und Politbüros der DDR", das gegenwärtig zu einem Wohngebäude umgebaut und mit einem Neubau ergänzt wird. © Waltraud Grubitzsch/dpa

Der Umbau des ehemaligen DDR-Gästehauses am Park in Leipzig zu Wohngebäuden geht auf die Zielgerade. Ein großer Teil der Wohnungen ist schon an die Käufer übergeben worden, im November ziehen die ersten Mieter in einen Neubau ein, wie das Immobilien-Unternehmen Lewo mitteilte. 2020 war der Umbau begonnen worden, zu den Kosten für das "Gästehaus des Ministerrates und Politbüros der DDR" macht Lewo keine Angaben.

Das Gebäude aus dem Jahr 1969 hat eine bewegte Geschichte. Verbürgt ist, dass DDR-Staatschef Erich Honecker in dem Ensemble nächtigte, erzählt wird, dass sich dort DDR-Wirtschaftsminister Günter Mittag schon morgens Wodka im Kaffeekännchen servieren ließ. Die Staatsspitze wollte mit dem Gästehaus auf dem gut 10 000 Quadratmeter großen Grundstück repräsentieren, vor allem während der Leipziger Messe. Nach 1989 wurde es kurzzeitig ein Hotel. Danach verfiel es viele Jahre lang und wurde zum Lost Place.

Die Hinterlassenschaften der Graffiti-Sprayer beschäftigen derzeit die Restauratorin Doreen Feja. Die 46-Jährige legt in einem Foyer ein Wandrelief des Malers Bernhard Heisig (1925-2011) frei. Mit einem kleinen Spatel kratzt sie vorsichtig bunte Farbe herunter. "Da sind mehrere Farbschichten drauf", sagte Feja. "Wir beseitigen behutsam die Schäden des Vandalismus."

Restauratorin Doreen Feja entfernt im ehemaligen "Gästehaus des Ministerrates und Politbüros der DDR" auf einem 10 Meter langen Fries von Bernhard Heisig behutsam mit einem Skalpell mehrere Schichten Graffiti.
Restauratorin Doreen Feja entfernt im ehemaligen "Gästehaus des Ministerrates und Politbüros der DDR" auf einem 10 Meter langen Fries von Bernhard Heisig behutsam mit einem Skalpell mehrere Schichten Graffiti. © Waltraud Grubitzsch/dpa

Was das Relief genau zeigt, weiß die Restauratorin nicht. "Es gibt nichts dazu, man findet keinen Text." Allerdings existiert ein Foto, das den Maler bei der Arbeit an dem Wandbild zeigt. "Ich interpretiere es so, dass es den wirtschaftlichen Bezug oder Handel zwischen der Sowjetunion und der DDR darstellt", sagte Feja. Bis zur Fertigstellung des Gebäudes im nächsten Jahr will sie auch mit der Restaurierung des Bildes fertig sein.

Das Heisig-Relief wird aber nicht die einzige Erinnerung an die DDR-Vergangenheit des Baus sein. In der ersten Etage des ehemaligen Gästetrakts hat Feja mehrere Gestaltungselemente für die Wand entworfen, in denen alte Tapeten aus den Zimmern integriert wurden. Zwei Muster - oder besser: Reste davon - wurden gesichert, ein orange-bräunliches und ein bläuliches. "Das ist Glasfaser-Tapete. Das war zu der damaligen Zeit schon privilegiert. Man hatte sonst nur Papier-Tapete", sagte Feja.

Das Ensemble aus dem Jahr 1969, in dem besonders zu den Messen die Staatsspitze auf dem gut 10.000 Quadratmeter großen Grundstück repräsentieren wollte, wurde 1989 kurzzeitig ein Hotel. Danach verfiel es viele Jahre und wird jetzt seit 2020 umgebaut.
Das Ensemble aus dem Jahr 1969, in dem besonders zu den Messen die Staatsspitze auf dem gut 10.000 Quadratmeter großen Grundstück repräsentieren wollte, wurde 1989 kurzzeitig ein Hotel. Danach verfiel es viele Jahre und wird jetzt seit 2020 umgebaut. © Waltraud Grubitzsch/dpa-

Auch von außen sieht man dem Gebäude seine Herkunft an. Seit 2013 steht es nach Angaben der Stadt Leipzig als charakteristischer Bau der DDR-Moderne unter Denkmalschutz - und die Immobilienfirma war verpflichtet, die Fassade originalgetreu wiederherzustellen. Das schloss auch viele kleine braune Mosaik-Steinchen mit ein, die ursprünglich die Erscheinung geprägt hatten. Die meisten waren längst abgefallen. Aber nach dem Vorbild der wenigen noch vorhandenen wurden kleine neue Steinchen gebrannt, wie eine Unternehmenssprecherin sagte.

Im Inneren kann man die Gästehaus-Vergangenheit anhand der Gänge noch erahnen. Die insgesamt 118 Wohnungen, davon 34 im Neubau, kommen aber mit allen Annehmlichkeiten daher - von Fußbodenheizung bis zu LED-Beleuchtung. "Unser Architekt hat natürlich versucht, es neu nutzbar zu machen", sagte die Lewo-Sprecherin. "Es ging ja nicht darum, die Hotelzimmer wiederherzustellen wie sie zu DDR-Zeiten mal waren." (dpa)