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Der "Koch des Jahres" kommt aus Sachsen

Der Leipziger Sternekoch Detlef Schlegel ist „Koch des Jahres“. Doch Corona stellt den Chef des Restaurants „Stadtpfeiffer“ vor ganz andere Herausforderungen.

Von Steffen Klameth
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Ein Paar im Job und im privaten Leben: Petra Schlegel zeichnet für den Service verantwortlich, Detlef Schlegel ist der Chef in der Küche.
Ein Paar im Job und im privaten Leben: Petra Schlegel zeichnet für den Service verantwortlich, Detlef Schlegel ist der Chef in der Küche. © Gert Mothes

Begonnen hat er als Kochlehrling bei der Döbelner Konsumgenossenschaft. Der vorläufige Höhepunkt ist die Auszeichnung „Koch des Jahres“: Mit diesem Titel darf sich nun der Leipziger Sternekoch Detlef Schlegel (57) schmücken – verliehen vom Gourmetführer Gusto. Seit 20 Jahren führt Schlegel gemeinsam mit seiner Frau Petra das Restaurant „Stadtpfeiffer“ am Gewandhaus. Ein schöner Anlass für ein Gespräch über Tester, Gäste und Gourmetküche in Zeiten von Corona.

Herr Schlegel, wie fühlt sich das an – Koch des Jahres?

Wir sind keine Fans von solchen Titeln. Wir laufen lieber unter dem Radar. Aber natürlich freuen wir uns über die Auszeichnung – gerade in dieser Zeit.

Der Guide Michelin ehrt Sie seit nunmehr 19 Jahren in Folge mit einem Stern. Welche Auszeichnung zählt für Sie mehr?

Jede Auszeichnung hat ihren Wert. Der Michelin-Stern ist für Köche sicher immer noch die höchste Ehrung. Am Gusto schätze ich, dass die Tester sehr gründlich arbeiten, vor Ort testen und nicht nur im Internet recherchieren.

Sie müssten die Tester doch inzwischen erkennen, oder?

Nein, es kommen ja nicht immer dieselben Leute. Erst nach dem Bezahlen zeigen sie ihren Ausweis und bitten auch um ein Gespräch. Und wir kochen ja nicht für die Tester, sondern für unsere Gäste. Da muss man bei jedem Gericht die volle Leistung abrufen.

Stimmt es, dass Tester immer viel bestellen und nichts aufessen?

Viele haben ein falsches Bild von einem professionellen Tester. Um ein Menü korrekt bewerten zu können, ist es sogar wichtig, nichts auf dem Teller liegenzulassen.

Aber wer schafft das schon?

Das ist ja gerade die hohe Küchenkunst, die Portionsgröße genau so zu bemessen, dass jeder Gast das Restaurant am Ende zufrieden verlässt – weder hungrig noch mit Bauchweh. Deshalb werden drei Gänge anders portioniert als sechs Gänge. Aber sechs Gänge sind natürlich ein viel größeres Geschmackserlebnis.

Was ist eigentlich schwieriger – einen Stern zu erobern oder zu verteidigen?

Als wir das erste Mal den Stern bekamen, war das für alle eine Überraschung. Wir hatten uns mit dem „Stadtpfeiffer“ einen bestimmten Anspruch gesetzt, aber dass der so schnell belohnt werden würde, damit hatte niemand gerechnet. Danach muss man sich entscheiden. Entweder man lebt mit der Angst, den Stern wieder zu verlieren. Oder man entwickelt sich ständig weiter. Auch die Erwartungshaltung der Gäste ändert sich ja. Wir stellen uns dieser Erwartung. Spitzengastronomie ist wie Leistungssport. Und wir haben den nötigen Sportlergeist, das Können und die Disziplin.

Dann ist der zweite Stern nur eine Frage der Zeit?

Gegenwärtig haben wir es mit ganz anderen Herausforderungen zu tun.

Seit fast zwei Jahren ist Deutschland im Ausnahmezustand. Wie haben Sie diese Zeit erlebt?

Total widersprüchlich. Einerseits konnten wir unser Restaurant über Monate nicht öffnen. Und andererseits waren wir noch nie so gefordert. Wir sind ja nicht nur Handwerker, sondern auch Unternehmer, Buchhalter, Arbeitgeber. Und das sehr gern.

Viele Mitarbeiter aus der Gastronomie haben sich neue Jobs gesucht. Ihre auch?

Wir haben null Abgang. Ein Grund ist sicherlich, dass der Großteil schon zehn Jahre oder länger bei uns arbeitet. Wir sind gemeinsam durch gute und schlechte Zeiten gegangen. Das schweißt zusammen.

Im Lockdown konnten viele Leute ihr Geld nicht wie gewohnt ausgeben und haben sich danach umso mehr Luxus gegönnt. Haben Sie auch davon profitiert?

Die Leute haben nachgeholt, was sie über Wochen nicht tun durften. Vor allem nach dem ersten Lockdown kamen einige unserer Stammgäste jeden Monat, sodass wir ihnen dann ein ganz persönliches Menü serviert haben. Das Angebot Hummer & Rosé, das wir anlässlich der Sommersonnenwende kreiert hatten, haben wir wegen der großen Nachfrage bis in den Juli verlängert. Und für die Martinsgans mussten wir dieses Jahr nicht mal Werbung machen.

Sind auch neue Gäste gekommen?

Ja, auch viele junge Leute waren das erste Mal bei uns. Manche haben auch ganz groß gefeiert. Ein Studentenabschluss war dabei, auch größere Geburtstagsfeiern. Ganz nach dem Motto: Das gönnen wir uns jetzt einmal. Das Ausgehen ist wieder zum Ereignis geworden, und das hat uns Mut gemacht. Aber inzwischen ist vielen Leuten die Feierlaune wieder vergangen.

Seit November dürfen Restaurants in Sachsen nur noch in der Zeit von 6 bis 20 Uhr öffnen.

Wir sind uns des Ernstes der Lage bewusst. Wir sind auch überzeugt, dass der Ministerpräsident und die Gesundheitsministerin nur das Beste wollen. Aber dass man so ohne Bedacht agiert und alle in einen Topf wirft, hat uns sehr enttäuscht. Wir sind ein kleines, feines Restaurant mit disziplinierten Kunden, wir können das Hygienekonzept vorbildlich umsetzen.

20 Uhr geht es bei Ihnen normalerweise erst richtig los. Lohnt sich die Öffnung für Sie überhaupt noch?

Natürlich nicht. Wir fahren auf Sicht, kontaktieren unsere Stammkunden, versuchen, Reservierungen vorzuziehen. Aber wer kann schon 17 Uhr zum Abendessen kommen? Bei einer Schließzeit von 22 Uhr sähe das schon ganz anders aus. Andere Länder haben vorgemacht, dass das funktioniert.

Was macht ein Sternekoch, wenn er nicht kochen kann?

Wir haben zum Beispiel die Zeit genutzt, um unsere Kundenkartei auf Vordermann zu bringen. Wir sitzen auch regelmäßig mit der Brigade zusammen und überlegen uns neue Sachen. So ist die Idee mit dem vegetarischen Menü entstanden. Und wir sind dabei, uns eine Alternative zum „Stadtpfeiffer“ aufzubauen – in Roßwein, in unserer Heimat.

Ein Gourmetrestaurant in Roßwein?

Nein. Wir haben dieses Jahr das Gasthaus „Grüne Aue“ am Stadtrand erworben und wollen hier einen Café-Garten mit Pavillon einrichten. Ein Angebot für Spaziergänger und Radfahrer in der Natur mit schönem Backwerk und Eis aus dem „Stadtpfeiffer“. Wir sehen das auch als einen kleinen Beitrag für den Qualitätstourismus in Sachsen. Die Baugenehmigung ist da, im nächsten Sommer soll alles in Betrieb sein.

Weihnachten ist Ihr Restaurant traditionell geschlossen. Was kommt dann bei Familie Schlegel auf den Tisch?

Heiligabend vielleicht eine gute Ente oder eine Poularde, dazu Muskatkürbis und Ingwer oder ein feines Spitzkraut. Wenn es das Angebot hergibt, gern auch einen Zander, auf der Haut gebraten, und dazu einen lauwarmen Kartoffelsalat.