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Leipziger Buchmesse: Das Tuch zum Buch und die Freiheit der Worte

Auf der Buchmesse in Leipzig zeigen sich die Probleme der Branche deutlich. Der Wille zur Selbstausbeutung wird knapp.

Von Karin Großmann
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Besucher:innen der Leipziger Buchmesse schauen sich am Stand von Droemer Knaur um. Auf dem Frühjahrstreffen der Buchbranche präsentierten sich über 2.000 Aussteller aus 40 Ländern mit ihren Neuheiten.
Besucher:innen der Leipziger Buchmesse schauen sich am Stand von Droemer Knaur um. Auf dem Frühjahrstreffen der Buchbranche präsentierten sich über 2.000 Aussteller aus 40 Ländern mit ihren Neuheiten. © Hendrik Schmidt/dpa

Die Absperrgitter in Halle 4 bilden lange, schmale Gänge. Sie ähneln den Löwengängen im Zirkus. Am Ende lockt ein Fleischhappen zur Belohnung. Das ist der Autor. Hier: die Autorin. Sie heißt Sabine Ebert, lebt in Dresden und hat einen neuen Historienroman dabei. Im Gittergang vor ihrem Tisch warten an die hundert Autogrammjäger. Sabine Ebert signiert Werbekarten und Bücher. Sie lässt sich fotografieren mit ihren Fans. Dafür ist die Leipziger Buchmesse da. Hautnah. Die Besetzung der Signiertische wechselt im Stundentakt. Es stehen mehrere nebeneinander in mehreren Hallen. Das soll die Besucher verteilen helfen. Denn die strömen und strömen. Die Straßenbahnen der Linie 16 fahren trotz des Nahverkehrsstreiks raus zum Messegelände.

Das Publikum lauscht dem Dichter, der aus antiken Textzeilen etwas Neues montiert, und ebenso dem Minister, der bessere frühkindliche Bildung verspricht. Für rechtsdrehende Leser ist dieses Jahr weniger dabei, Magazine wie Compact und Tumult, die Wochenzeitung Junge Freiheit oder der Antaios Verlag haben sich nach Auskunft des Buchmessepressechefs nicht angemeldet. Im Forum über die Freiheit der Worte reichen die Plätze nicht aus. Schriftsteller diskutieren über das politische Umfeld fürs Schreiben.

Lukas Rietzschel, Roman- und Theaterautor aus Görlitz, fordert langfristige Unterstützung für jene, die derzeit gegen Rechtsextremismus demonstrieren. Sie dürften nicht den Eindruck gewinnen, dass ihr Engagement folgenlos bleibt. „Viele Menschen wollen mitwirken und sich beteiligen, aber nicht in den Parteien oder Institutionen, die das ermöglichen.“ Sachsen habe die geringste Ehrenamtsquote im Bund, sagt Rietzschel. Der Widerspruch bleibt unaufgelöst. Es ist nicht der einzige.

Die Konditionen verschlechtern sich

Die Leipziger Buchmesse steckt selbst voller Widersprüche. Auf der einen Seite wird sie gefeiert als Hort des Wahren und Guten. Gerühmt wird das Lesen als Basis für Demokratie und überhaupt. Gelobt wird die wunderbare Vielfalt der Verlage und Buchhandlungen. Auf der anderen Seite aber verschlechtern sich die Konditionen in der Branche immer weiter. „Der Staat spart an den falschen Stellen“, sagt Peter Kraus vom Cleff, Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins.

Beispiel eins: Das Bundeskulturministerium hat die finanzielle Unterstützung der Buchmesse in Leipzig auslaufen lassen. (Für die Spiele-Industrie bewilligte der Haushaltsausschuss des Bundestages 33 Millionen Euro zusätzlich.)

Beispiel zwei: Der Kulturpass für Achtzehnjährige wurde halbiert. Dabei haben sie angeblich von dem Geld – im Vorjahr 200 Euro – vorrangig Bücher gekauft.

Beispiel drei: Die strukturelle Förderung für kleine Verlage fehlt noch immer, obwohl sie im Koalitionsvertrag der Regierungsparteien steht. Die Schweiz, Österreich oder Kanada führen vor, wie es gehen könnte.

Und doch leuchtet das Fest

„Wir brauchen dringend politische Entscheidungen für mehr Planungssicherheit“, sagt Katharina Meyer. Sie leitet die Kurt-Wolff-Stiftung für konzernunabhängige, kleine Verlage, die ihren Preis diesmal an den feministischen Aviva-Verlag verleiht. Ohne solche Häuser sei die Buchmesse eine Suppe ohne Salz, sagt Meyer. Doch einige hätten inzwischen aufgegeben. In Leipzig gilt das für Faber & Faber. Lehmstedt hat zum ersten Mal keinen Messestand. Manche Verleger würden statt zehn oder zwölf Bücher bloß zwei oder drei herausbringen: „Der Wille zur Selbstausbeutung reicht nur noch für ein Programm pro Jahr.“ Damit werden die Verlage weniger wahrgenommen. Damit verlieren Autoren, Übersetzer, Illustratoren ihre Existenzgrundlage. Damit fehlen interessante, mutige Angebote jenseits des Mainstreams. „Der Markt regelt sich von selbst? Das war schon immer eine Lüge“, sagte die Schriftstellerin Zoe Beck in ihrer Laudatio. „Wenn wir uns nur nach dem Markt richten, werden wir als Menschen grau und breiig. Dann können wir das Selberdenken gleich an die KI delegieren.“

Der unerwartete und bedauerliche Abgang des langjährigen Messedirektors Oliver Zille im Vorjahr hatte auch mit diesem Umfeld zu tun. Er habe zunehmend gegen Windmühlen kämpfen müssen, sagte er in einem Interview. So was erschöpft. Der hausinterne Streit um Finanzen, um die messbare Anerkennung für ein Fest, das Leipzig weit über die Landesgrenzen hinaus zum Leuchten bringt, trug dazu bei.

Und wie das Fest leuchtet! Noch in der kleinstmöglichen Messekoje glänzt es wie Seide. Der Seidenschal trägt dasselbe Motiv wie ein Buchumschlag. Barbara Miklaw, die 2011 in Miltitz bei Meißen den Mirabilis-Verlag gründete, erfand in einer sorgenvollen, schlaflosen Nacht das Tuch zum Buch. Der Band stammt zwar nicht von der Bestsellerautorin Gaby Hauptmann, die am Samstag las, doch der Titel passt: „Hoffnung auf eine glückliche Zukunft“. Erzählt wird von einer taffen jungen Frau, die ihr Schicksal in beide Hände nimmt. Geht doch.