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Als in Ebersdorf Hunderte im Krieg starben und Einwohner brutal getötet wurden

Um Napoleon zu schlagen, musste das Militär bei einem Gefecht in der Nähe von Löbau einen hohen Blutzoll zahlen. – Eine Erinnerung an die Befreiungskriege von 1813.

Von Bernd Dreßler
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Links: Nach Löbau wurde auch in Ebersdorf am 7. September 1913 in Erinnerung diese Gedenkstätte eingeweiht. Rechts: Der Husarenstein beim Eibauer Bahnhof erinnert an den Tod zweier polnischer Husaren, die von russischen Kriegern getötet wurden.
Links: Nach Löbau wurde auch in Ebersdorf am 7. September 1913 in Erinnerung diese Gedenkstätte eingeweiht. Rechts: Der Husarenstein beim Eibauer Bahnhof erinnert an den Tod zweier polnischer Husaren, die von russischen Kriegern getötet wurden. © Repro: SZ, Foto: B. Dreßler

Sie war gerade mal 20 Jahre jung, die Tochter eines Gärtners aus Ebersdorf, als sie am 9. September 1813 in ihrem Versteck im „Weißen Büschel“ von einer Flintenkugel getroffen wurde. Ihr Leben war nicht mehr zu retten, am nächsten Tag verstarb die junge Frau. Das Gefecht bei Ebersdorf hatte ein unschuldiges ziviles Todesopfer gefunden. Polnische und französische Truppen Napoleons auf der einen und mit Preußen verbündete Russen auf der anderen Seite lieferten sich bei Löbau während der Befreiungskriege eine erbitterte Auseinandersetzung.

Schon seit dem 1. September hielten polnische Truppen das Dorf besetzt, um die französische Armee Napoleons I., die bei Görlitz stand, zu bedecken. Doch der Angriffsdruck der russischen Truppen war groß. Von mehreren Seiten marschierten sie auf Ebersdorf. „Angegriffen wurde das Dorf durch die Russen von zwei Seiten, von dem Korps des Generals Jussofowicz von Herrnhut her gegen Ottenhain und vom Langeronischen Hauptkorps von Bernstadt aus über die Buschschenke Kemnitz.“ Letzteres Korps fuhr seine Kanonen am Jäckelberge und entlang der Herwigsdorfer Straße auf, beschoss also aus östlicher Richtung das Dorf, das nachmittags in der zweiten Stunde im sogenannten Neudorf zu brennen anfing“, ist dazu in einer Ebersdorfer Chronik zu lesen.

Zwei Tage lang, am 9. und 10. September 1813, kam es zu erbitterten Kämpfen, bei denen die polnischen Truppen starken Widerstand leisteten. Fünfmal wurden sie von russischen Truppen bis ans Dorfende, bis zur Tonhalle, gedrängt, ehe sie sich hinter Löbau zurückzogen.

Die Bewohner Ebersdorfs waren schnell alle geflohen – in den Wald des Sonneberges bei Ottenhain, zum Jäckel oder nach Niedercunnersdorf. Das dürfte den meisten das Leben gerettet haben.

Umso schlimmer ist die Zahl der Opfer bei den Militärangehörigen. Überliefert sind mindestens 150. Die meisten wurden in Massengräbern beigesetzt. Eines wurde ungefähr dort angelegt, wo sich heute das Löbauer Stadion befindet.

Auch von rund 300 Verwundeten, die ins Löbauer Militärlazarett gebracht wurden, ist die Rede. Viele davon überlebten nicht. In einem Lazarettbericht heißt es: „Bis Ende Dezember 1813 verstarben in Löbau im kaiserlich-russischen Militärlazarett 96 Russen und 22 Preußen.“

Ebersdorf selbst war nicht mehr wiederzuerkennen. 17 Gebäude niedergebrannt, darunter drei Bauerngüter einschließlich Scheunen und Stall. Kanonenkugeln wurden in Häuserwände eingemauert, um an die blutigen Kriegshandlungen zu erinnern. Als sich das Ebersdorfer Gefecht zum 90. Mal jährte, wurde am 9. September 1903 unweit des heutigen Stadions eine Grab- und Gedenkstätte eingeweiht.

Die Kämpfe um Ebersdorf haben auch Eingang in die Chroniken der Nachbarorte gefunden. So heißt es in einer Niederschrift des Obercunnersdorfers Karl Hermann Wünsche von der „Affere bey Ebersdorf“ die Rede. Dieses Dokument verdeutlicht gleichzeitig, dass viele Gemeinden der südlichen Oberlausitz schwer an den Kriegslasten von 1813 zu tragen hatten. „Den 9. September kamen ganze Schwärme Rußische Völker nach Brodt, Hafer und Heu“, ist da zu lesen. Am 10. September hätten die Russen beiderseits von Obercunnersdorf gelegen. Alles Brot, Heu, Stroh und Getreide hätten sie aufgezehrt. In der Nacht wurden alle Häuser ausgeplündert. Kein Mensch sei seines Lebens mehr sicher gewesen. Eine Bemerkung vom 11. September lässt ein Aufatmen spüren: „Nachmittags gegen 6 Uhr brach das Rußische Lager Gott sey Dank wieder auf …“ Ganz gleich, auf welcher Seite das Militär stand – es wurde geplündert, verwüstet und gebrandschatzt. Auch vor Mord bzw. Misshandlungen wurde nicht zurückgeschreckt. So hatten in Kottmarsdorf sich zurückziehende Baschkieren aus dem südlichen Ural im Schulhaus den Lehrer Johann Gottlieb Donath so massakriert, dass er an den Folgen Verletzungen verstarb.

Die Toten der Befreiungskriege mahnen. Die Niederlage Napoleons in der Völkerschlacht bei Leipzig hatte einen hohen Preis. Nicht nur das Völkerschlachtdenkmal, geweiht am 18. Oktober 1913, erinnert daran. Auch viele kleinere steinerne Zeugen. Neben der Grab- und Gedenkstätte für die bei Ebersdorf gefallenen russischen und polnischen Soldaten am Löbauer Stadionweg wäre auch der Husaren- oder Polenstein an einem Wanderweg unweit des Eibauer Bahnhofs zu nennen. Er ist einem Vorpostengefecht zwischen russischen Kosaken und polnischen Husaren (letztere waren Verbündete Napoleons) gewidmet, das blutig endete. Ein polnischer Husar war sofort tot, der andere wurde schwer verletzt – und wurde von seinen Feinden erschossen …