Daniel Neuer steht vor der Fassade eines der wenigen noch unsanierten Häuser in der August-Bebel-Straße in Herrnhut. "Das ist ein wirklich spannendes Haus", erklärt er. Und das sagt der Architekt nicht, weil er ohnehin ein Faible für alte Gemäuer hat. Dieses Haus, das die Herrnhuter wegen des Spruchs auf einem Holzbalken der Fassade "Haus Elternsegen" nennen, hat tatsächlich Glamour zu bieten: Einer seiner letzten Besitzer wurde im "Jahrbuch des Vermögens und Einkommens der Millionäre in Berlin" geführt und hatte den Titel eines Generalkonsuls von Haiti. Das ist zwar schon mehr als 100 Jahre her. Aber die Extravaganzen des Berliner Seifenfabrikbesitzers Hermann Stobwasser - so hieß der Prominente - sind noch heute an seiner einstigen Herrnhuter Familienimmobilie sichtbar. Das nötige Kleingeld hatte er ja offenbar.
Im besten Fall sind einige dieser Besonderheiten des Hauses zum Herrnhuter Weihnachtsmarkt in diesem Jahr schon wieder dauerhaft zu bestaunen. Bei einer Tasse Kaffee und einem Stück Kuchen beispielsweise. Wenn nämlich alles mit der avisierten Förderung und der Instandsetzung klappt, könnte dann das Erdgeschoss so weit wiederhergestellt sein, dass Daniel Neuer hier sein Café-Experiment starten kann. Der Stadtrat hat für die neue Nutzung bereits grünes Licht gegeben. "Wir haben das Haus 2014 bei einer Zwangsversteigerung gekauft", sagt Neuer. Die Dachdeckerfirma, die im Besitz von "Haus Elternsegen" war, hatte Insolvenz angemeldet. "Das Haus nun als Wohnhaus zu sanieren, wäre sehr anspruchsvoll", umschreibt es Neuer.
Gespräche mit Betreibern
Und so hat die Familie nachgedacht, was stattdessen an dieser Stelle sinnvoll sein könnte. "Ein Café wäre eine gute Idee", findet der Architekt. Und das will er möglichst bald ausprobieren. Für die Bewirtschaftung ist Daniel Neuer derzeit mit Familie Donath im Gespräch, die ja im von Neuer erworbenen und sanierten Herrnhuter Bahnhof bereits die "Nostalgia privatim" betreiben, wo man mehr als nur einen Kaffee bekommt. "Noch ist aber nichts fest", betont Neuer. Zu klären ist auch noch, wie sich der Café-Betrieb mit den Nachbarn in Einklang bringen lässt.
Links nebenan wohnen seit Juli 2023 Arno und Mary Hoffrichter mit ihrer Familie. Sie bauen derzeit das Haus Stück für Stück aus, sodass bald noch weitere Bewohner einziehen können. "Wir haben generell nichts gegen eine Nutzung als Café", erklärt Mary Hoffrichter. Mit Blick auf den Garten hinter dem Haus ist Familie Hoffrichter daran gelegen, dass nicht der ganze Garten mit Café-Tischen vollgestellt wird. "Gegen eine natürliche Personenzahl - die zu erwarten wäre, wenn das Haus normal bewohnt wäre - haben wir nichts", sagt sie. Die Familie will aber vermeiden, dass sich am Ende vielleicht ein Streit entspinnt, weil sich Gäste von spielenden Kindern und Bewohner von zu lauten Gästen gestört fühlen.
Daniel Neuer weiß um dieses Problem und beschwichtigt: Die Möglichkeiten seien schon allein durch die kleine Küche beschränkt. Er wolle auch kein Restaurant oder ein Nachtlokal dort einrichten, sondern ein kleines Café, wo man ein Stück Kuchen oder einen kleinen Snack bekommen kann. "Es wird ein Tagbetrieb, über die Öffnungszeiten entscheidet dann konkret der Betreiber", sagt er. Auch im Garten wolle man keine riesige Fläche bewirtschaften, sondern drei, vier Tische aufstellen. "Wir werden uns dazu, wenn Weiteres klar ist, mit den Nachbarn zusammensetzen", sichert er zu.
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Zahnarzt und Schuhmacher waren hier
Dass nicht nur Touristen, sondern auch so mancher Herrnhuter neugierig sein wird, ist zu erwarten. Denn zu DDR-Zeiten waren hier einmal ein Zahnarzt und ein Schuhmacher ansässig, viele kennen das Gebäude also auch von innen. Sie haben dann vielleicht früher schon den Mini-Lichthof gesehen, den bereits Stobwasser mit einem kleinen Glasdach versehen ließ, damit Licht in die Hausmitte fällt. Denn das Gebäude besteht aus einem Altbau von 1755, der schmaler ist, und einem Anbau, der die Hausfläche quasi verdoppelt.
Aus der Rolle fällt auch das sogenannte Herrenzimmer im ersten Stock. Hermann Stobwasser hat sich da eine Art Nische einbauen lassen mit Holzsäulen und durchgehender, edler Holzvertäfelung. "Alles ist schon recht erlesen", sagt Neuer. Auch die Veranda mit den Bleiglasfenstern und die vielen frommen Sprüche, die auf Holz die Wände im Haus zieren. Bei der Sanierung gibt es daher allein aus Denkmalschutzsicht einiges zu beachten. Zunächst aber wird tatsächlich nur das Erdgeschoss im Fokus stehen. "Was wir im oberen Stockwerk machen, wissen wir noch nicht", sagt Daniel Neuer. Erst einmal kommt der Testlauf mit dem Café.