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Hass im Internet: Beiersdorfer droht Polizistenmord an

Bei einem Prozess am Amtsgericht Zittau geht's um eine Hass-Botschaft bei der Facebook-Gruppe "Stiller Protest B96" - der Angeklagte ist sich keiner Schuld bewusst.

Von Markus van Appeldorn
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Das Amtsgericht Zittau verhandelte gegen einen Beiersdorfer wegen eines bedrohlichen Kommentars im Internet.
Das Amtsgericht Zittau verhandelte gegen einen Beiersdorfer wegen eines bedrohlichen Kommentars im Internet. © dpa/David-Wolfgang Ebener

Soziale Medien im Internet sind auch immer wieder ein Sammelbecken von Hass, Beleidigungen oder Drohungen. Die meisten dieser boshaften Kommentare fallen einfach bloß unter die Kategorie "nicht nett". Aber manchmal wird es auch wirklich bedrohlich. Und dennoch wähnt sich mancher an seiner Tastatur anonym und im rechtsfreien Raum. Dass dem nicht so ist, musste jetzt ein 54-Jähriger aus Beiersdorf am Amtsgericht Zittau erfahren - denn in seinem Internet-Kommentar ging es um Mord.

Nein, der Angeklagte und die Polizei werden in diesem Leben wahrscheinlich keine Freunde mehr. Der Mann ist Mitglied der Facebook-Gruppe "Stiller Protest B96". Die über 3.000 Mitglieder dieser Gruppe protestierten nicht nur allwöchentlich entlang der B96 gegen die Politik, sondern tauschen sich auch digital aus. In August 2021 erschien auf dieser Facebook-Seite ein Beitrag über einen Einsatz der Berliner Bereitschaftspolizei bei einer Protest-Demo gegen Corona-Maßnahmen. Und in einem Kommentar zu diesem Beitrag ließ der Mann seinem Hass auf die Polizei freien Lauf.

"Nur ein toter Polizist ist ein guter Polizist"

"Das ist unglaublich. Wir werden zurückschlagen. Scheiß auf die Strafe. Nur ein toter Polizist ist ein guter Polizist", kommentierte der Mann wütend - das Ganze garniert mit zahlreichen Ausrufezeichen. Die Polizei ermittelte den Beiersdorfer als Urheber des Kommentars. Und die Staatsanwaltschaft erwirkte daher im Mai 2022 einen Strafbefehl wegen der "Störung des öffentlichen Friedens durch Androhen von Straftaten" - in diesem Fall Mord oder Totschlag. Weil der Mann dem Strafbefehl widersprach, landete die Sache nun vor Gericht.

Dort äußerte sich der Mann zu dem Vorwurf nicht. Seine Verteidiger dagegen fuhren eine ganz andere Strategie auf. Demnach gehe es erst einmal gar nicht darum, ob der Mandant den fraglichen Kommentar überhaupt bei Facebook gepostet habe. Vielmehr hätte der Strafbefehl überhaupt nicht ergehen dürfen - jedenfalls nicht so. Der Strafbefehl nämlich führe ausschließlich einen Rechtsverstoß auf, der hier gar nicht im Raum stünde - und sei daher rechtswidrig und unwirksam.

Der Strafbefehl nämlich wirft ihm unter Berufung auf die entsprechende Rechtsvorschrift im Strafgesetzbuch (StGB) einen Aufruf zu einer "Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung" (etwa Vergewaltigung) vor. Eine schnelle Recherche des Gerichts ergab: Tatsächlich wurde der Wortlaut des entsprechenden Paragrafen im StGB im April 2022 kurz vor Erlass des Strafbefehls geändert. Der Paragraf listet eine ganze Reihe von Straftaten auf. Und an die Nummer 2 dieser Liste, wo einst Mord und Totschlag aufgeführt waren, rückten mit der neuen Formulierung eben Sexual-Straftaten. Der Richter hielt diesen Formulierungs-Irrtum im Strafbefehl dagegen für unerheblich - weil in dessen Text ausdrücklich Mord und Totschlag genannt waren.

Argument eines Computer-Hacks unplausibel

Also setzten die Verteidiger auf die nächste Strategie: Der Facebook-Account ihres Mandanten könnte gehackt worden sein oder eine andere Person den Kommentar verfasst haben - etwa eine damalige Lebensgefährtin. Die Aussage eines als Zeugen geladenen Polizisten stellte die Theorie eines Hacks als unwahrscheinlich dar. Bei einer Hausdurchsuchung bei dem Angeklagten hatte die Polizei mehrere Mobiltelefone und Rechner beschlagnahmt und auf diesen den Facebook-Chatverlauf ausgewertet. Im Internet wird jeder Aktion eines Rechners oder Mobiltelefons eine sogenannte IP-Adresse zugewiesen. Die kann wechseln - etwa mit dem Internet-Einwahlpunkt eines solchen Gerätes. Und diese IP-Adressen bezogen sich immer auf einen Einwahlknoten in oder in der Nähe von Beiersdorf. Würde ein Account gehackt, gebe es aber immer völlig unplausible IP-Adressen, so der Polizist.

Was bleibt, ist die Möglichkeit, dass sich die damalige Lebensgefährtin des Angeklagten seiner Geräte bedient und unter seinem Namen den Kommentar gepostet hat. Der Mann lebt mittlerweile nicht mehr mit der Frau zusammen. Bei einer Vernehmung durch die Polizei hatte der Mann auch geäußert, seiner Lebensgefährtin so etwas nicht zuzutrauen. Das Gericht lässt sich daher jetzt die Registrierdaten des Einwohnermeldeamtes kommen, wann die Frau überhaupt in Beiersdorf gelebt hat. Der Prozess wird am 6. Februar fortgesetzt.