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Pflicht-Checks für Autofahrer ab 70? Ablehnung zwischen Löbau und Zittau am höchsten

Die Prüfung der Fahrtauglichkeit von Senioren ist mittlerweile sogar EU-Thema. Der SZ-Mobilitätskompass zeigt bei der Zustimmung ein starkes Stadt-Land-Gefälle.

Von Markus van Appeldorn
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Werden Untersuchungen zur Fahrtauglichkeit für Senioren Pflicht?
Werden Untersuchungen zur Fahrtauglichkeit für Senioren Pflicht? © www.mauritius-images.com

Individuelle Mobilität - das ist auch für ältere Menschen ein erheblicher Teil ihrer Lebensqualität. Besonders im ländlichen Raum, wo es in etlichen Dörfern weder Ärzte noch Einkaufsmöglichkeiten gibt und nicht alle zehn Minuten ein Bus vor der Haustür hält - wenn es überhaupt auch nur einer am Tag ist. Doch mit der Zunahme von Senioren am Steuer wachsen auch Bedenken zur Verkehrssicherheit. Inzwischen plant auch die EU eine Führerscheinreform, nach der Menschen ab 70 sich alle fünf Jahre einer Überprüfung ihrer Fahrtauglichkeit unterziehen müssen, um ihre Fahrerlaubnis zu behalten. Der SZ-Mobilitätskompass zeigt: Die Zustimmung dafür ist zwischen Löbau und Zittau am geringsten.

Der Frage nach der Einführung von Fahrtauglichkeit-Checks ab 70 stimmen sachsenweit 28,06 Prozent der 8.971 befragten Personen "voll zu", weitere 19,22 Prozent "eher zu", 17,88 Prozent sind dagegen. Nimmt man nur die Großstadt Dresden (3.655 Befragte), ist mit Werten von 35,57 Prozent ("stimme voll zu") und 21,73 Prozent ("stimme eher zu") sogar eine absolute Mehrheit diesem Vorhaben zugeneigt - 13,36 Prozent lehnen das komplett ab. Ganz andere Zustimmungswerte finden sich dann im Landkreis Görlitz. 24,46 Prozent von 1.200 Befragten stimmen voll zu, 17,02 eher, 21,35 Prozent sind dagegen - nur im Landkreis Meißen ist die Zahl der Gegner prozentual noch geringfügig höher. Und der Blick auf die einzelnen Orte im Kreis ergibt: Die Zustimmung ist in den Städten Löbau, Zittau und Ebersbach-Neugersdorf am geringsten.

Zahl der Senioren am Steuer wächst rapide

Dabei lässt ein Blick auf die Unfallstatistik im Kreis solche Fahrtauglichkeit-Checks als überlegenswert erscheinen. An den zehn tödlichen Unfällen 2022 im Kreis mit zehn getöteten Personen waren zu 50 Prozent Menschen der Altersgruppe 80 Plus beteiligt - als Opfer und/oder Verursacher. Bundesweit gehören nur rund 34 Prozent der Verkehrstoten der Altersgruppe 65 Plus an. Wie stark die Gruppe der Senioren im Straßenverkehr mittlerweile ist, zeigt die Statistik des Kraftfahrtbundesamtes zu den Führerscheinen. Demnach sind aktuell 48 Millionen Fahrerlaubnisse registriert, 5,4 Millionen Inhaber sind 75 Jahre oder älter - ein Anteil von deutlich über zehn Prozent. 2014 waren etwa 2,1 Millionen von insgesamt 33,7 Millionen Fahrerlaubnisinhabern 75 Jahre oder älter - rund 7 Prozent. Allein die Zahl der Frauen, die in diesem Alter noch Auto fahren, hat sich in diesem Zeitraum verdreifacht.

Nun stellt sich aber nicht nur die Frage, ob die Verpflichtung zu solchen Checks vernünftig ist - sondern auch, wie man das überhaupt umsetzt und durchsetzen kann. Es ist nämlich auch seitens der EU noch gar nicht ausgemacht, welche Maßnahmen denn getroffen werden sollen - ob es etwa reicht, dass sich Senioren alle fünf Jahre einer Art Fahrprüfung stellen müssen oder ob sie sich verpflichtend ärztlichen Untersuchungen unterziehen müssen.

Überhaupt ist noch viel im Ungefähren. "Die EU-Führerscheinrichtlinie ist zurzeit noch im Entstehen", sagt Wolfgang Sigloch, Pressesprecher Automobil der Dekra auf SZ-Anfrage. Die Dekra ist einer der Institutionen, die Fahrtauglichkeit-Checks auf behördliche Anweisung durchführt. "Zum einen setzt eine solche Richtlinie einen gesetzlichen Rahmen und legt Mindeststandards fest. Die Mitgliedstaaten haben dabei allerdings in der konkreten Umsetzung einen Ausgestaltungsspielraum. Wie genau die Richtlinie formuliert sein wird, welchen Rahmen sie setzt, ist im Moment noch nicht klar", so Sigloch weiter. Und das Ganze ist ohnehin Zukunftsmusik: "Der weitere Prozess bis zum Vorliegen einer finalen Richtlinie wird noch rund zwei Jahre dauern. Anschließend haben die Mitgliedstaaten fünf Jahre Zeit, sie in nationales Recht umzusetzen. Wir sprechen also von einem Zeithorizont bis etwa 2030, bis eine dann bindende Regelung in Deutschland eingeführt würde", erklärt Sigloch.

Fahrschulen machen sich Kapazitäts-Gedanken

Die Dekra könnte in Zukunft plötzlich mit einer riesigen Anzahl von Fahrtauglichkeitsgutachten befasst sein. Ist das überhaupt leistbar? Solche Gedanken macht sich das Institut noch nicht. "Vor diesem Hintergrund ist die aktuelle Kapazität, die Dekra heute in den amtlich anerkannten Begutachtungsstellen für Fahreignung vorhält, für die Frage nach eventuell in Zukunft anstehenden Regelungen von überschaubarer Relevanz. Klar ist: Wenn sich eine konkrete Regelung für Deutschland abzeichnen sollte, stellen wir uns auch im Blick auf Kapazitäten entsprechend darauf ein", so Sigloch.

Gedanken machen sich aber mitunter die Fahrschulen im Kreissüden - darüber, dass eventuell eine Masse an Senioren verpflichtende Nachschulungen benötigen könnte. "Es wird viel erzählt und viel referiert. Es wird über medizinische Untersuchungen gesprochen oder über Nachschulungen", sagt Roland Aust, Inhaber der gleichnamigen Fahrschule in Löbau - nichts davon aber sei spruchreif. Und er wüsste auch nicht, wie er das leisten könnte. "Ich sehe nicht, dass ich die Kapazität dafür hätte", sagt er. Die Personaldecke sei schlicht zu dünn. "Ich sehe das mit bedenklichem Auge. Wie denkt sich der Gesetzgeber das überhaupt?" Gleichwohl würde er jetzt schon in den Wintermonaten Verkehrsteilnehmerschulungen durchführen. "Da kommen auch immer viele Senioren", sagt er.

Ähnlich sieht es auch Christian Krause von der City-Fahrschule in Zittau. "Es käme natürlich auf den Umfang an. Die Fahrschulen sind recht gut ausgelastet", sagt er. Durchaus würden aber auch immer wieder Senioren kommen und eine "Auffrischungs-Fahrstunde" buchen. "Andere wollen sich von uns bestätigen lassen, dass sie noch fahrfit sind. Wir als Fahrlehrer können da aber immer nur Ratgeber sein", sagt er.