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Zwei Jungs, eine Leidenschaft: Argentinier trainiert in Neugersdorf für Südamerika-Triathlon

Francesco Butta gehört in seiner Heimat zu den besten Triathleten. Derzeit ist er als Gastschüler in der Oberlausitz. Hier hat er einen ebenso begeisterten Sparringspartner gefunden.

Von Andrea Thomas
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Nils Bergsträßer (rechts) aus Neugersdorf und Gastschüler Francesco Butta aus Argentinien trainieren gemeinsam im Neugersdorfer Stadion. Lauftraining stand hier auf dem Programm.
Nils Bergsträßer (rechts) aus Neugersdorf und Gastschüler Francesco Butta aus Argentinien trainieren gemeinsam im Neugersdorfer Stadion. Lauftraining stand hier auf dem Programm. © Rafael Sampedro/foto-sampedro.de

"Mit Deutschland verbindet man bei uns als erstes Porsche, BMW, Mercedes oder Audi", sagt Francesco Butta. Lachend gibt er jedoch zu, dass dies wohl vor allem auf Männer zutreffe. Einmal auf dem legendären Nürburgring ein Autorennen zu erleben, dabei mit jeder Faser des Körpers den kernigen Sound der Sechszylindermotoren zu verinnerlichen, davon hatte der Argentinier schon lange vor seiner Reise in das Land genialer Autobauer geträumt. Obwohl dieser Wunsch bisher unerfüllt blieb, gehören die Erfahrungen hierzulande zu den besten seines bisherigen Lebens.

Der 17-Jährige besucht in seinem Heimatland das Colegio Alemán in Córdoba. Nein, deutsche Wurzeln habe er nicht, stellt Francesco klar. Vielmehr war es das vielseitige Bildungsangebot mit der Möglichkeit, an einem Schüleraustausch teilzunehmen, das seine Eltern überzeugt hat, ihn auf diese deutschsprachige Schule zu schicken.

Gastfamilie gefunden dank Facebook

Francesco beim Triathlon-Weltcup in Chile im vorigen Jahr.
Francesco beim Triathlon-Weltcup in Chile im vorigen Jahr. © privat

Seit Mitte Januar ist er im Rahmen eines Schüleraustausches nun in Neugersdorf. Dafür, dass es ihn in die Oberlausitz verschlagen hat, gibt es einen besonderen Grund. Francesco Butta ist einer der erfolgreichsten Triathleten seines Landes. Bei nationalen und internationalen Wettkämpfen hat er bereits vordere Plätze belegt. Seine Teilnahme am Viña del Mar-Weltcup in Chile 2023 beschreibt er als einen Höhepunkt in seiner Karriere: "Dieses Zusammentreffen mit vielen der besten Triathleten der Welt war ein Sporterlebnis, das mich motiviert hat, für diesen Sport, den ich liebe, immer mein Bestes zu geben."

Bald stehen die südamerikanischen Meisterschaften an, wo er ganz vorn mitmischen möchte. Deshalb war die Bedingung für die Teilnahme am Austausch, dass er während dieser Zeit entsprechend trainieren kann. Über die sozialen Medien versuchte sein Verein, einen geeigneten Platz für ihn zu finden. Auf der offiziellen Facebook-Seite der Deutschen Triathlon Union erfuhr Anja Bergsträßer aus Neugersdorf, deren Sohn Nils ebenfalls erfolgreicher Triathlet ist, von der Suche nach einer geeigneten Gastfamilie für den Schüler aus Córdoba. Schnell waren sich Mutter und Sohn einig. Ihren Entschluss, den Argentinier bei sich aufzunehmen, haben sie nicht bereut. "Schon immer habe ich mir einen Bruder gewünscht", erklärt der 16-jährige Nils, der sich vom ersten Moment an mit Francesco verbunden fühlte.

Dem Gast erging es ähnlich und er bestätigt, dass sie viele Gemeinsamkeiten haben und sogar gedanklich auf einer Wellenlänge sind. "Und beide brennen wir für denselben Sport", fügt Francesco in gutem Deutsch hinzu. Im Oberland-Gymnasium Seifhennersdorf, wo Nils die 10. Klasse besucht, wurde er in den Schulalltag integriert. Alle seien hier sehr nett, Lehrer wie auch Schüler, schwärmt der Gast. Besonders gefallen ihm die im Vergleich zu seiner Schule technisch besser ausgestatteten Räume und Fachkabinette. Das Lernen macht ihm mehr Spaß, weil man nicht den ganzen Tag im gleichen Klassenzimmer verbringen muss, was in Córdoba der Fall ist. Das sei langweilig und ermüdend, zumal der Unterrichtstag am Colegio Alemán länger ist als am hiesigen Gymi. Es bleibt ihm genügend Zeit, um sich mit Unterstützung der Trainer vom O-See-Verein und der Rettungsschwimmer aus Rumburk fit zu halten. Gemeinsam mit Nils absolviert er täglich das Lauf- und Biketraining, wobei beide voneinander lernen.

Porsche-Museum in Liberec und Ferrari-Sound in Berlin

Von Nils, der auf Cross-Triathlon spezialisiert ist, schaut sich der Südamerikaner die besondere Technik beim Mountainbiking ab und revanchiert sich mit guten Tipps zur Verbesserung dessen Laufstils sowie mentalem Coaching zur Steigerung der Motivation.

Francesco spricht von "großem Glück", bei Familie Bergsträßer gelandet zu sein. "Jeder hat mich mit offenen Armen und Herzen empfangen." Das hatte er so nicht erwartet, denn in Vorbereitungsseminaren zum Austausch wurde ihm erzählt, dass Deutsche reserviert seien und man Erwachsene mit "Sie" ansprechen müsse. Doch die Wirklichkeit vor Ort war anders. Zu den Gasteltern sagt er "Mama Anja" und "Vati René", was sich für alle gut und richtig anfühlt. Er begründet, warum Neugersdorf der perfekte Ort für seinen Aufenthalt ist: "Ich wohne in der nicht ungefährlichen Millionenstadt Córdoba. Neugersdorf ist ein kleiner Ort mit kurzen Wegen und freundlichen Menschen." Hier fühlt er sich sicher, kann sich auf Wesentliches konzentrieren.

Dafür, dass keine Langeweile aufkommt, sorgt Mama Anja. In den sechs Wochen seines Aufenthalts hat Francesco trotz Schule und Training mehr gesehen als manch anderer in einem ganzen Jahr. Mit dem Olbersdorfer See, wo sich die Weltelite der Triathleten zur O-See-Challenge trifft, lernte er einen Ort kennen, wo Nils schon manchen Wettkampf bestritten hat. Die Oberlausitz mit dem Zittauer Gebirge, die Sächsische Schweiz und das angrenzende Tschechien gehörten unter anderem zum Pflichtprogramm. Das aufregende Erlebnis, in Horní Podluží zum ersten Mal Ski zu fahren wird unvergessen bleiben. Mit großem Interesse besichtigte der Sportler das Geburtshaus des Automobil-Pioniers Ferdinand Porsche in Libereč, das heute als Museum fungiert. Sogar Paris und Rom hat er in den Winterferien gemeinsam mit seiner deutschen Familie erkundet. Und schließlich durfte der Autofreak in einem Berliner Autohaus in einen Ferrari 812 Competizione steigen, selbst Gas geben und den Sound des V12-Motors mit 830 PS in sich aufsaugen. "Ein Ferrari ist zwar kein deutsches Auto, aber es war trotzdem cool", bekennt der sympathische Typ.

Der Abschied von seiner Neugersdorfer Familie am 9. März wird Francesco nicht leicht fallen. Doch er weiß, dass es ein Wiedersehen gibt. Spätestens dann, wenn Nils im Sommer 2025 in Córdoba sein Gast sein wird.