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Löbauer lebt mit 3.000 Schaben, Asseln und einer Vogelspinne zusammen

Sandro Goller teilt seine Wohnung in Löbau mit etlichen Krabbeltieren - eine Art bewahrt er sogar vor dem Aussterben. Mit seinem Zoo ist er mittlerweile ein kleiner Internet-Star.

Von Markus van Appeldorn
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Sandro Goller mit seiner brasilianischen Riesenvogelspinne "Gudrun".
Sandro Goller mit seiner brasilianischen Riesenvogelspinne "Gudrun". © Matthias Weber/photoweber.de

Wer zu Sandro Goller in seine Wohnung in Löbau kommt, den darf es nicht so leicht grausen. Der 20-jährige Tierpfleger teilt seine 56 Quadratmeter mit gut 3.000 Tieren von rund 50 Arten. Und das ist weiß Gott kein Kuschel- und Streichelzoo. Goller lebt mit giftigen Spinnen und Skorpionen, Würgeschlangen wie eine 2,50 Meter lange Boa Imperator, Hundert- und Tausendfüßern, Schrecken, Ochsenfröschen und unzähligen Schaben und Asseln, die er in etlichen Terrarien und Aufzuchtboxen hält. Und für eine dieser Schaben-Arten ist Sandro Gollers Wohnung sogar eine Arche.

Sandro Goller betrachtet seine Tiere zwar auch nicht als Schmuse-Objekte - auf Tuchfühlung geht er mit manchen dennoch. Zum Beispiel mit "Gudrun", einer Brasilianischen Riesenvogelspinne - eine der weltweit größten Spinnenarten. Aus ihrer kleinen Baumhöhle im Terrarium lässt er sie auf seine Hand krabbeln. "Gudrun" hat die Haare nicht schön, sondern ziemlich struppig. Eine Optik, die täuscht. "Sie ist extrem samtig und weich, es krabbelt bloß etwas", beschreibt Goller das Gefühl auf der Hand.

"Gudrun" kam vor einigen Monaten zufällig als Fundtier zu ihm. "Jemand hatte sie einfach vor der Tür am Senckenberg-Museum in Görlitz abgestellt", erzählt er. Dort ist Goller als Tierpfleger für das gut 100 Quadratmeter große Vivarium im Keller zuständig, in dem auch allerlei exotisches Getier lebt. "Wir haben dort aber bereits Brasilianische Riesenvogelspinnen. Deshalb konnte ich sie mit heim nehmen", sagt er. Er vermutet, dass der ursprüngliche Besitzer mit der Haltung überfordert war oder ihm einfach die Stromkosten für eine Terrariumsheizung zu teuer wurden. "Das muss man schon bedenken, wenn man sich so ein Tier anschafft. Außerhalb der Wohnung hat die Spinne keine Überlebenschance."

Eine Schabe, die es fast nur noch in der Oberlausitz gibt

Dabei ist der Pflegeaufwand für Sandro Goller geringer, als man angesichts der riesigen Zahl an Tieren denken sollte. "Ich habe für die Terrarien eine automatische Beregnungsanlage installiert. Und das Füttern dauert täglich vielleicht 30 bis 45 Minuten. Die Schlangen bekommen sowieso nur einmal im Monat Futter", sagt er. Bei der Fütterung seiner Boas oder Kornnattern muss er das Tierschutzgesetz beachten - denn die Fütterung mit lebenden Tieren ist für Würgeschlangen verboten, selbst wenn die Schlangen in freier Wildbahn lebende Tiere erbeuten. "Ich kaufe tiefgekühlte Mäuse und taue die auf", erklärt Goller. Anders ist das Gesetz etwa bei Giftschlangen. Bei denen ist es Teil des Verdauungsprozesses, ihr Gift in die Beute zu schlagen. "Bei einem toten Tier würde sich das Gift nicht mehr im Körper verteilen", sagt er.

Zur Fütterung der Spinnen oder auch Schrecken züchtet Sandro Goller die Asseln - gemeinsam mit den Schaben der größte Teil seines Heimzoos. "Zieht man die Asseln und Schaben ab, habe ich nur etwa 200 Tiere", sagt er. Seine Lieblingsschaben sind die Smaragd-Schaben aus Vietnam. "Weil sie so grün leuchten wie Smaragde, sind die gerade regelrecht modern", sagt er. Für eine seiner Schaben-Arten ist Gollers Wohnung eine Arche - die Simandoa-Höhlenschabe. "Die ist in freier Wildbahn vom Menschen ausgerottet worden", sagt er. Ihr weltweit einziger natürlicher Lebensraum war nämlich eine Höhle in den Simandou-Bergen Guineas in West Afrika. "Und dort fielen sie dem Bauxit-Abbau zur Aluminium-Gewinnung zum Opfer", sagt Goller. Außer bei ihm gibt es die Tiere heute fast nur noch im Allwetterzoo in Münster.

Sandros Tiere leben in bundesweit 25 Zoos

Goller betreibt seinen Zoo nicht einfach als krudes Hobby, sondern mit wissenschaftlichem Anspruch. Deshalb steht er auch in regem Austausch mit etlichen Zoos bundesweit - zur Arterhaltung und auch dafür, dass möglichst viele Menschen solche Tiere sehen können. "Ich habe Tiere in 25 Zoos", sagt er. Darunter etwa Gottesanbeterinnen in Neuwied am Rhein, Stabschrecken in Leipzig, außerdem diverse Tiere im berühmten Tierpark Hagenbeck in Hamburg. Tausendfüßer, Schaben, Raubwanzen und Skorpione aus seiner Zucht tummeln sich im Vivarium an seiner Arbeitsstelle, dem Görlitzer Senckenberg-Museum, und auch das Schmetterlingshaus in Jonsdorf hat er schon beliefert. Handel betreibt Goller mit seinen Tieren nicht. "Ich tausche lieber Tiere gegen andere Tiere oder auch gegen Technik für die Terrarien", sagt er.

Und in sozialen Medien im Internet ist er auch selbst schon populär geworden. Auf der Plattform TikTok unterhält er unter seinem Namen "Viecherhirte" einen Video-Blog, zeigt und erklärt dort etwa seine riesigen Fauch-Schaben, Tausendfüßer oder eben auch "Gudrun" die Vogelspinne. "Ich habe da etwa 15.000 Follower", sagt er. Auch auf Youtube sind solche Filmchen zu sehen und Besuch vom Fernsehen hatte er auch neulich. Manchmal gibt's im Internet auch böse Kommentare von Tierschützern, die ihm vorwerfen, die Tiere nicht artgerecht zu halten. Ein Vorwurf, den Sandro Goller nicht nachvollziehen kann. "Was heißt artgerecht? Schlangen sind zum Beispiel wechselwarme Tiere. Die bewegen sich auch in der Natur nur, wenn sie müssen, also zur Futtersuche", sagt er. Genauso verhalte es sich mit Giftspinnen. Auch wenn etwa "Gudrun" in ihrer Heimat - dem tropischen Regenwald - ein möglicherweise größeres Habitat bewohne als Gollers Terrarium, dann auch das nur wegen der Futtersuche - nicht weil sie täglichen Auslauf benötigen würde.

Und dann ist da noch die eine Frage: Wie steht's mit der Partnerschaft? Findet man da überhaupt jemanden, der sich in die Wohnung traut? Da muss Sandro Goller lachen: "Wenn Frauen hier hereinkommen, sagen sie immer erst mal: Igitt, ist das eklig! Und dann kleben sie förmlich an den Terrarien." Tatsächlich ist er gerade solo - aber nicht, weil seine Tiere so abschreckend wären. "Ich habe einfach gerade keine Zeit für eine Freundin, weil ich nach Feierabend viel Zeit mit meinem Video-Blog zubringe."