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Immer mehr Ukrainer verlassen Deutschland - so ist die Lage im Kreis Görlitz

Über 1.200 ukrainische Flüchtlinge haben den Landkreis im vergangenen Jahr verlassen - und die Zahl der neu ankommenden flacht deutlich ab.

Von Markus van Appeldorn
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Die 18-jährige Ukrainerin Mariya Kadieva gibt in der Eishalle Jonsdorf Eislauf-Unterricht für Kinder. Nicht alle ihre Landsleute konnten sich so gut in der Fremde einleben.
Die 18-jährige Ukrainerin Mariya Kadieva gibt in der Eishalle Jonsdorf Eislauf-Unterricht für Kinder. Nicht alle ihre Landsleute konnten sich so gut in der Fremde einleben. © Rafael Sampedro/foto-sampedro.de

Nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine im Februar 2022 flüchteten abertausende Ukrainer aus ihrer Heimat - mehrere Tausend auch in den Landkreis Görlitz. Doch nun gibt es auch eine gewisse Umkehrbewegung. Ausweislich der Zahlen des Statistischen Bundesamtes haben 300.000 der seit 2022 nach Deutschland geflüchteten Ukrainer das Land wieder verlassen - ob zurück in die Heimat oder anderswohin wurde nicht erfasst. Der Wanderungssaldo aus Zu- und Abwanderungen beträgt aber für das Jahr 2023 immer noch plus 121.000 Menschen. Es ist somit nicht die absolute Abwanderung zu verzeichnen, aber eine erhebliche Fluktuation. Wie ist die Lage im Landkreis Görlitz und was ist der Grund, warum viele Ukrainer Deutschland schon wieder verlassen?

Ein typischer Fall für Abwanderung ist Ljubov Demjantschuk. Schon kurz nach Ausbruch des Krieges kam sie Anfang März 2022 mit ihren zwei Kindern nach Löbau - und sie hatte eine Perspektive hier wie nur wenige ihrer Landsleute. Wegen ihrer damals bereits guten Deutschkenntnisse arbeitet die Lehrerin am Löbauer Gymnasium. Doch nur wenige Monate später, Anfang August 2022, reiste sie zurück in ihre Heimat. Die Gründe: Abflauende Bedrohung ihrer Heimatstadt, Sehnsucht, Sorge um den Mann, der beim Militär ist, und die schwierigen Sprachbarrieren für ihre Kinder.

Flüchtlingswelle aus der Ukraine flacht deutlich ab

Das Landratsamt Görlitz selbst kann auf SZ-Anfrage keine konkreten Zahlen zur gesamten Zu- und Abwanderungsbilanz seit Beginn des Krieges nennen. Nur soviel: "Derzeit leben 3.169 ukrainische Kriegsflüchtlinge im Landkreis Görlitz. 1.244 Personen haben den Landkreis verlassen", informiert dazu Pressesprecherin Melanie Rohn. Von den hier gemeldeten Ukrainern seien 1.372 maximal 24 Jahre alt, 1.524 Personen im Alter bis 64 Jahren und 273 Personen 65 Jahre und älter.

Etwas aufschlussreicher sind die Daten der Stadt Görlitz. Demnach sind Stand Januar 2024 1.521 Ukrainer in der Kreisstadt gemeldet - eine leicht steigende Tendenz gegenüber September 2023 (1.418) und Dezember 2023 (1.479). Vor dem Krieg lebten nicht einmal 100 Ukrainer in Görlitz, im Dezember 2022 waren es dann bereits 1.244. Von den 1.521 Ukrainern seien 563 männlich (davon 220 unter 16 Jahren) und 958 weiblich (davon 221 unter 16 Jahren). Auch das sind nur absolute Zahlen, die kein Verhältnis aus Zuwanderung und zwischenzeitlich erfolgter Abwanderung zeigen.

Die Stadt Zittau hat seit 2022 bis heute eine Statistik über Zu- und Abwanderung von Ukrainern geführt. Von 623 in diesem Zeitraum nach Zittau gekommenen Ukrainern sind 93 wieder abgewandert. Die Statistik der Stadt Zittau erfasst aber ebenfalls nicht, ob diese Menschen zurück in ihre Heimat gereist sind oder in ein anderes Land.

Die Stadt Löbau erklärte auf SZ-Anfrage, für den Themenkreis nicht zuständig zu sein und verwies auf das Landratsamt. Die Städte Ebersbach-Neugersdorf, Niesky und Weißwasser haben auf die SZ-Anfrage nicht reagiert.

Das Problem mit der Sprachbeherrschung

So ein anderes Land, das kann auch ganz weit weg in Übersee sein, wie Ulrich Christmann (72) aus Herrnhut weiß. Von Beginn an hat er etwa im "Willkommensbündnis Löbau" ukrainische Flüchtlinge betreut und begleitet. "Ich weiß vom Sohn einer ukrainischen Frau hier in Herrnhut, der mit seiner ukrainischen Freundin in die USA gegangen ist", erzählt er. Auch in der Schulentwicklung der Kinder habe es erfreuliche Entwicklungen gegeben. "Anfänglich gab es Ukraine-Klassen und die Kinder erlernen erfreulich schnell Deutsch", sagt er. So habe er auch bereits Kinder aufs Gymnasium in Herrnhut begleiten können. Teilweise hätten Kinder aber auch schulische Angebote nicht wahrgenommen, weil sie weiter online Unterricht aus ihrer Heimat verfolgt hätten.

Schwieriger stelle sich die Lage bei den Erwachsenen dar. "Von Anfang an war es so, dass Ukrainer dort, wo keine großartigen Deutschkenntnisse gefordert waren, Beschäftigungsverhältnisse eingegangen sind", sagt er - zu einem beträchtlichen Teil in den hiesigen Diakoniewerken. "Besonders die Flüchtlinge der ersten Generation (also die, die sehr schnell nach Kriegsausbruch hierherkamen - d. Red.) möchten arbeiten, dafür sind aber Deutschkenntnisse gefordert", so Christmann. Die Prüfungen für das erforderliche Sprachniveau B2 - definiert als "ausreichende Sprachkenntnisse für Unterhaltungen bzw. zum Lesen" - hätten diese Menschen aber erst jüngst absolvieren können. Für die Aufnahme eines Studiums ist das Sprachniveau C1 erforderlich, C2 gilt dann bereits als Sprachbeherrschung wie ein Muttersprachler.

Ukrainische Flüchtlinge genießen in Deutschland einen privilegierten Status. Sie müssen etwa kein Asylverfahren durchlaufen, dürfen sich sofort eine Wohnung und eine Arbeit suchen. Die Aufenthaltserlaubnisse von Geflüchteten aus der Ukraine, die in Deutschland Schutz erhalten haben, wurden vom Bundesinnenministerium per Rechtsverordnung über das Jahr 2024 hinaus bis zum 4. März 2025 verlängert.