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Champagnerroggen trifft flüssiges Gold

Die Rennersdorfer Neumühle nahe Herrnhut ist bekannt für Mehl, Schrot, leckere Flocken, Korn - und leckeres Öl. Teil 7 der neuen SZ-Sommerserie.

Von Anja Beutler
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Tina und Dirk Schmidt führen die Neumühle in Rennersdorf bei Herrnhut. Hier stehen sie zwischen den inzwischen rund 70 Jahre alten Walzenstühlen, die noch immer gut mahlen.
Tina und Dirk Schmidt führen die Neumühle in Rennersdorf bei Herrnhut. Hier stehen sie zwischen den inzwischen rund 70 Jahre alten Walzenstühlen, die noch immer gut mahlen. © www.loesel-photographie.de

Die Namen auf den weißen Tüten klingen mal verheißungsvoll, mal exotisch oder einfach nur praktisch: Champagnerroggenmehl, Waldstaudenroggenmehl, Dinkeldunst, Leinkuchenmehl, Eierkuchenmehl, Stollenmehl... Dirk Schmidt schmunzelt. Der 53-Jährige betreibt gemeinsam mit seiner Frau Tina die Rennersdorfer Neumühle. Inzwischen hat er sich neben Bäckern, die Mehl und Schrot bei ihm beziehen, auch einen treuen Privatkundenstamm erarbeitet, für den er sich kleine Besonderheiten einfallen lässt.

"Bei unserem Eierkuchenmehl beispielsweise liefern wir das Rezept gleich mit dazu. Es stammt von meiner Großmutter", erklärt Schmidt die Idee. Immer wieder habe er festgestellt, dass das Wissen um den besten Eierkuchenteig und dessen Herstellung schwindet. Mit dem Rezept auf der Tüte hingegen kann das nicht passieren. Auch bei Stollen-, Plätzchen-, Osterbrot- oder Nudelmehl handhabt er das so - zum jeweils passenden Mehl, dass er entsprechend griffig oder fein produziert.

Kunden lieben alte, unbehandelte Sorten

Im Angebot hat Müller Schmidt zudem seltene und unbehandelte Getreidesorten: "Champagnerroggen ist so eine alte Sorte, die früher vor allem in Frankreich, in der Champagne angebaut wurde", sagt er. Auch Emmer, Rotkornweizen oder Buchweizen hat er im Repertoire. "Einige Kunden legen Wert auf gänzlich unbehandelte Ware", erklärt er. Auf Qualität und wenig Chemie achtet Schmidt aber sowieso - ebenso auf Regionalität. "Mein Getreide kommt aus einem Umfeld von etwa 15 Kilometern", erklärt er. Die Bauern, die für ihn produzieren, stellen zum Teil sogar Schilder aufs Feld, die darauf verweisen, dass sie für unsere Mühle produzieren, erzählt er stolz.

Neumühle oder auch Rittermühle - so wird das alte Mühlengehöft in der Umgebung genannt. Auf dem Weg zwischen Bernstadt und Herrnhut taucht der gelbe Komplex plötzlich links unterhalb der Straße auf, idyllisch von viel Grün und dem Petersbach eingerahmt. "Die Mühle kam 1904 in die Familie, mein Urgroßvater Gustav Ritter hat sie gekauft", erzählt Schmidt und verweist auf den Schriftzug am Hauptgebäude. Von seinem Großvater wiederum hat er sie dann übernommen, obwohl er eigentlich einen anderen Weg einschlagen wollte: "Ich bin in Warnemünde aufgewachsen und habe Landwirt gelernt", erzählt er. Als die Frage nach der Zukunft der Mühle kam, wo er oft zu Besuch war, wagte er den Schritt. Das ist inzwischen genau 30 Jahren her.

Die Neumühle in Rennersdorf bei Herrnhut liegt idyllisch im Tal des Petersbachs.
Die Neumühle in Rennersdorf bei Herrnhut liegt idyllisch im Tal des Petersbachs. © www.loesel-photographie.de
In der Mühle ist noch vieles historisch - so wie dieser Lastenaufzug.
In der Mühle ist noch vieles historisch - so wie dieser Lastenaufzug. © www.loesel-photographie.de
Die Maschinen stammen aus den 1950er Jahren und kamen 1967 als gebrauchte Ausstattung nach Rennersdorf.
Die Maschinen stammen aus den 1950er Jahren und kamen 1967 als gebrauchte Ausstattung nach Rennersdorf. © www.loesel-photographie.de
Wo gearbeitet wird, haben Fremde nichts zu suchen - aber im gemütlichen Mühlenladen sind Gäste sehr willkommen.
Wo gearbeitet wird, haben Fremde nichts zu suchen - aber im gemütlichen Mühlenladen sind Gäste sehr willkommen. © www.loesel-photographie.de
Neben den Klassikern unter den Mehlsorten führt die Mühle auch seltene Getreide: Waldstaudenroggen und Champagnerroggen zum Beispiel.
Neben den Klassikern unter den Mehlsorten führt die Mühle auch seltene Getreide: Waldstaudenroggen und Champagnerroggen zum Beispiel. © www.loesel-photographie.de
Öl ist seit 2016 das zweite Standbein der Mühle. Inzwischen hat sich die Qualität herumgesprochen.
Öl ist seit 2016 das zweite Standbein der Mühle. Inzwischen hat sich die Qualität herumgesprochen. © www.loesel-photographie.de

Mit Mut zu Neuem verarbeitet Dirk Schmidt mit seiner Frau Tina, die ebenfalls eng in den Familienbetrieb eingebunden ist, inzwischen nicht nur Getreide - er presst auch Öl. "Das hat irgendwie schon immer in mir geschlummert", sagt er und lächelt. Ein bisschen hat es dann aber doch gedauert, bis er den Bogen für richtig gutes Öl raus hatte: "Ich bin jemand, der einfach ausprobiert", erklärt er. Inzwischen ist er für sein frisches, aromatisches Leinöl berühmt. Gut angenommen werde auch das Senföl: "Für Gurkensalat und Mayonnaise sehr gut geeignet", schwärmt Schmidt. Andere Kunden schwören hingegen auf das Rennersdorfer Hanföl, auch Raps- oder Sojaöl sind beliebt. Auch hier kommen die Rohstoffe aus der Umgebung.

Getreidemühle und Ölmühle kombiniert

Die kleine, eher unscheinbare Ölmühle - eine moderne Maschine - hat so ständig zu tun und produziert neben der goldenen Flüssigkeit auch kleine, dünne Presswürste. Selbst diese "Abfallprodukte" sind gefragt: "Diesen Leinkuchen kann man zum Binden von Soßen nutzen oder ins Müsli tun als Ballaststoff-Lieferant", erklärt der Müller. Die Ölmühle steht unweit der alten, gut gepflegten Walzenstühle aus Großvaters Zeiten. "Sie sind Baujahr 1950 und gebraucht 1967 zu uns gekommen", erklärt Dirk Schmidt. Im Grunde funktionieren sie so wie früher der Mühlstein: "Das Getreide wird zwischen zwei Eisenwalzen zerkleinert, die sich mit unterschiedlicher Geschwindigkeit drehen", skizziert Dirk Schmidt.

Mit Wasserkraft - die Neumühle ist ja eigentlich eine Wassermühle - wird in Rennersdorf aber schon seit 1972 nicht mehr gemahlen. Damals gab es durch einen Dammbruch im Mühlgraben einen größeren Schaden. Seither läuft alles mit Strom. "Darüber bin ich froh, die Wassermüller klagen alle über Wassermangel", schildert Schmidt. Dieser Sorge ledig - und mit zwei sehr guten Mitarbeitern ausgestattet - hatte er Zeit, sich auf Neues zu konzentrieren. Seit rund fünf Jahren hat die Mühle zusätzlich zum "analogen" Mühlenladen auch einen Onlineshop.

Mit dem Onlinegeschäft ging es in Coronazeiten kräftig nach oben - aber nicht nur, weil die Kunden aus der Umgebung nicht mehr zu den Schmidts kommen konnten: In Baden-Württemberg waren offenbar die Tüten für die Roggenmehl-Verpackung knapp geworden. "Es haben sehr viele Privatverbraucher aus der Gegend bei mir bestellt", sagt er. Zwischenzeitlich tauchte er sogar in der Google-Suche bei Roggenmehl auf Platz 7 auf - so groß war die Nachfrage. "Einige der Kunden kaufen auch nach wie vor bei ihm ihr Mehl ein", freut er sich.

Ansonsten setzen die Schmidts eher auf organische Entwicklung - Schritt für Schritt. Sein großer Traum? "Selbst noch aus dem Mehl Backwerk zaubern mit einer angeschlossenen Bäckerei", sagt er. Das wäre perfekt, wenn vom Korn bis zum Brot alles in einer Hand läge.

  • Die Rittermühle verkauft sowohl Mehl als auch Körner, die zum Mahlen oder Einweichen für Getreidebreie genutzt werden können.
  • Auf Wunsch können Geschenke zusammengestellt werden. Beliebt ist der "Fresssack", der in einem Beutel mit Mühlenmotiv Produkte nach Wunsch enthält.
  • Die Mühle erleben und die Produkte probieren kann man traditionell immer zum Mühlentag am Pfingstmontag. Leider fiel dieser zuletzt wegen der Pandemie ins Wasser.
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Alle Teile unserer Sommerserie finden Sie hier