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Meißen liest – mit Abstand

Das im Juni abgesagte Literaturfest findet am ersten September-Wochenende statt. Die Organisatoren feilen am Programm.

Von Harald Daßler
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Daniel Bahrmann, Maria Fagerlund (l.) und Walfriede Hartmann organisieren das Meißner Literaturfest. Es sollte eigentlich im Juni stattfinden, musste aber wegen der Corona-Pandemie abgesagt werden. Nun wagen die Organisatoren einen neuen Anlauf.
Daniel Bahrmann, Maria Fagerlund (l.) und Walfriede Hartmann organisieren das Meißner Literaturfest. Es sollte eigentlich im Juni stattfinden, musste aber wegen der Corona-Pandemie abgesagt werden. Nun wagen die Organisatoren einen neuen Anlauf. © Claudia Hübschmann

Meißen. Mehrere A 4-Seiten hat Daniel Bahrmann zusammengefügt – der Übersicht wegen. Die Liste enthält 89 Termine für Lesungen des Literaturfestes 2020. Nach der Corona-bedingten Absage im Juni bereiten die Organisatoren um Daniel Bahrmann nun den zweiten Anlauf für das 11. Meißner Literaturfest vor. Vom 4. bis 6. September sollen die Lesungen stattfinden. Noch ist das Programm nicht komplett. Etwa 25 Termine für Lesungen sind noch „unterzubringen“, ehe das Heft gedruckt werden kann.

„Zum Glück sind alle Sponsoren dabeigeblieben“, sagt Daniel Bahrmann. Der Meißner Künstler und Fotograf nennt vor allem die Sparkasse Meißen, das Unternehmen Oppacher Mineralquellen, die Winzergenossenschaft, den Verkehrsverbund Oberelbe, die sächsischen Winzer und die Förderung aus dem Sächsischen Kulturraum.

Dank dieser Unterstützung können Programmhefte gedruckt und verteilt, Anreisen und Übernachtungen für die Autoren ermöglicht werden. Aber auch der Gewerbeverein und die Männer vom städtischen Bauhof helfen, indem sie Bühnen, Sitzgelegenheiten und tatkräftige Unterstützung beim Aufbau beisteuern.

Auch das habe die Organisatoren ermutigt, nach der Absage in diesem Jahr noch einen erneuten Anlauf für das Meißner Literaturfest zu wagen, das inzwischen als deutschlandweit größtes Open-Air-Lesefestival gilt. Ohne Eintritt, wohlgemerkt. Auch das ist einzigartig. „Das bietet vielen Autoren zugleich die Chance, sich und ihre Werke der Öffentlichkeit vorzustellen“, so Daniel Bahrmann.

Nach zehn Literaturfesten können die Organisatoren auch auf die Ausstrahlung Meißens als Leseort setzen. Eine Anfrage erreichte sie sogar aus Wien: Die über 80 Jahre alte Gertrud Erbler wird auf der Kinderbühne am Tuchmachertor vorlesen und ihre Bücher vorstellen. 

„Auch in diesem Jahr wird es spannende Buchvorstellungen und Lesungen von bekannten und neuen Autoren geben“, heißt es auf der Web-Seite des Meißner Kulturvereins, der das Literaturfest organisiert.  „Die aktuellen Leitthemen sind neben dem aktuellen Thema Demokratie und Geschichte auch der 300. Geburtstag von Hieronymus Carl Friedrich Freiherr von Münchhausen, dem die bekannten Lügengeschichten vom Baron von Münchhausen zugeschrieben werden.“

Neben der bereits erwähnten Kinderbühne wird der Markt am ersten September-Wochenende zu einem der Hauptleseorte. Hier eröffnet am Freitagabend Frank Goldammer den Lese-Reigen. „Zwei fremde Leben“ heißt sein neuer Roman, aus dem er in Meißen liest. Der Autor arbeitet darin ein tragisches Kapitel der DDR-Geschichte auf: Der Roman handelt vom Schicksal einer Frau, der in den 70er Jahren das Kind unmittelbar nach der Geburt weggenommen wurde, weil sie sich in den Augen der Behörden nicht „systemkonform“ verhalten hatte. 

Jonas, Emil und Mia haben es sich an der Kinderbühne hinter der Frauenkirche schon mal gemütlich gemacht – am Mittwoch beim Pressetermin der Literaturfest-Organisatoren.
Jonas, Emil und Mia haben es sich an der Kinderbühne hinter der Frauenkirche schon mal gemütlich gemacht – am Mittwoch beim Pressetermin der Literaturfest-Organisatoren. © Claudia Hübschmann

Erotisches und Multikulturelles

Am Samstag gibt es hier dann jede Menge Belletristik. Der Leipziger Literaturwissenschaftler Michael Hametner wird das Programm auf der Markt-Bühne moderieren und auch sein neues Buch über Künstler-Paare vorstellen. Und zu später Stunde gibt es dann noch eine ganz besondere Veranstaltung im Großen Ratssaal, wie Daniel Bahrmann ankündigt.

 Am Heinrichsplatz sollen auch in diesem Jahr vor allem die Krimi-Fans auf ihre Kosten kommen. Und auf dem Theaterplatz ist ein Poetry Slam mit Michael Bittner geplant. Ein weiterer Leseort befindet sich in der Webergasse, wo es am Freitagabend eine erotische Lesung geben wird. Hier können die Literaturfest-Besucher auch dem Dresdner Schauspieler Albrecht Goette oder den Autoren einer Lesung in deutscher und syrischer Sprache zuhören.

Zur Tradition des Meißner Lesefestes gehört auch die Preisverleihung. Sie hat einen festen Platz auf Daniel Bahrmanns Programmtafel – am Sonntag, dem 6. September, unmittelbar nach der Lesung des Literaturfest-Schirmherren Thomas de Maizière. „In diesem Jahr soll das Schaffen von jungen und Nachwuchsautoren gewürdigt werden“, umreißt Daniel Bahrmann den Anspruch der Jury, die darüber entscheidet. Gestiftet wird der Preis auch in diesem Jahr vom Rotary Club Meißen.

Wer wann wo genau vorliest, entscheidet sich in diesen Tagen – wenn der Chef des Kulturvereins gemeinsam mit Maria Fagerlund aus der Liste mit den Zusagen und Wünschen der Autoren das Literaturfest-Programm fertigstellt. 

Ehe es in den Druck gehen kann, sind noch allerhand Rücksprachen zu halten, E-Mails zu schreiben oder zu beantworten, die einzelnen Programm-Bausteine hin- und herzuschieben. Wenn die 10.000 Exemplare des 2020er Programmheftes vorliegen, können sie bei der Tourist-Info, bei den Gastronomen am Markt und in Geschäften der Innenstadt verteilt werden.

Die Vielfalt, die die mehreren Leseorte mit sich bringen, ist zugleich die Chance, die Tradition des Literaturfestes in Meißen auch in diesem Jahr fortsetzen zu können. Daniel Bahrmann verweist auf eine Hygiene-Konzeption, die das Gesundheitsamt abgesegnet hat. Unter freiem Himmel und mit Abstand werden Masken nicht zwingend erforderlich sein. 

Aber um die Bühne am Markt zum Beispiel, wo sonst 500 Zuhörer Platz fanden, werden am ersten September-Wochenende nur  höchstens 90 Besucher sitzen können. Und die Zahl der Besucher bei den beliebten und gut besuchten Lesungen in der Webergasse muss auf 25 begrenzt werden. 

Die Organisatoren vertrauen auf die Kunst der Moderatoren, dass diese Vorgaben eingehalten werden. Und dass der notwendige Abstand das Vergnügen beim Lesefest in Meißen nicht beeinträchtigt. Überhaupt nicht.

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