SZ + Meißen
Merken

In Meißen vor Gericht: Das Kindergeld abgezweigt

Zwei junge Männer sollen unberechtigt Kindergeld bezogen haben. Sie sitzen wegen Steuerhinterziehung vor Gericht.

Von Jürgen Müller
 4 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Einen Abzweigungsantrag auf Kindergeld haben zwei Meißner gestellt. Und dann Änderungen nicht mitgeteilt und zu Unrecht Kindergeld bezogen. Das gilt als Steuerhinterziehung.
Einen Abzweigungsantrag auf Kindergeld haben zwei Meißner gestellt. Und dann Änderungen nicht mitgeteilt und zu Unrecht Kindergeld bezogen. Das gilt als Steuerhinterziehung. ©  Symbolfoto: Claudia Hübschmann

Meißen. Gleich zwei junge Männer sitzen unabhängig voneinander wegen eines Vorwurfes vor dem Meißner Amtsgericht, der hier eher selten verhandelt wird. Ihnen wird Steuerhinterziehung vorgeworfen, weil sie zu Unrecht Kindergeld erhalten haben sollen.

Kindergeld wird grundsätzlich an einen Elternteil für alle Kinder bis 18 Jahre gezahlt. Ist das Kind arbeitslos, gibt es bis 21 Jahre Kindergeld. Voraussetzung ist, dass das Kind arbeitssuchend gemeldet ist. Befindet sich das Kind in Ausbildung, gibt es einen Anspruch auf Kindergeld bis 25 Jahre. Wird die Ausbildung abgebrochen, erlischt jedoch der Anspruch.

Unter bestimmten Umständen kann das Kindergeld an das Kind auch direkt ausgezahlt werden. Voraussetzung ist, dass es volljährig ist und die Eltern ihrer Unterhaltspflicht dauerhaft nicht nachkommen. Dafür muss ein sogenannter Abzweigungsantrag gestellt werden.

Statt Arbeitssuche nur abgehangen

Einen solchen Antrag hatte auch ein heute 23-jähriger Meißner gestellt und darin gegenüber der Familienkasse angegeben, dass er arbeitssuchend sei. Tatsächlich war er aber bei der Arbeitsagentur nicht gemeldet, hat stattdessen "nur abgehangen", wie es in der Anklageschrift heißt. Und trotzdem weiter Kindergeld bezogen, insgesamt 1.164 Euro.

Nun sitzt er wegen Steuerhinterziehung vor Gericht. Der Grund: Das Kindergeld ist eine Steuervergütung, die nach dem Einkommenssteuergesetz gezahlt wird. Alle Änderungen in den Verhältnissen, die für den Anspruch auf Kindergeld erheblich sind, müssen unverzüglich der Familienkasse mitgeteilt werden, so die Vorschrift.

Er sei damals zu seiner Freundin ins Erzgebirge gezogen, habe vergessen, dies der Familienkasse mitzuteilen, sagt der 23-Jährige. Das Geld hat er bis heute nicht zurückgezahlt. Eine Kontopfändung war erfolglos. Es war nichts drauf.

Inzwischen hat er sich von der Freundin getrennt, lebt wieder in Meißen. Eine Ausbildung oder Arbeit hat er immer noch nicht, er sei "Hartz IV-abhängig", sagt der junge Mann.

Das Gericht stellt das Verfahren vorläufig gegen die Auflage ein, dass er ein Jahr lang mindestens 50 Euro im Monat an die Familienkasse zurückzahlen muss. "Machen Sie das nicht, sitzen Sie wieder hier, und dann gibt es ein Urteil wegen Steuerhinterziehung", macht ihm der Richter klar.

Die Forderung der Familienkasse besteht natürlich nach wie vor, er muss die gesamte Summe zurückzahlen.

Ausbildung abgebrochen, Geld weiter bezogen

Ein bisschen anders ist die Sache in einem zweiten Fall. Auch hier hat ein Meißner einen Abzweigungsantrag gestellt und laut Anklage zu Unrecht sogar 3.852 Euro Kindergeld eingestrichen. Im Rückforderungsbescheid kommt noch die stolze Summe von 274 Euro an Hinterziehungszinsen hinzu. Da reibt sich wohl jeder Sparer verwundert die Augen, welche Zinsen der Staat erhebt.

Der Mann hatte angegeben, dass er eine dreijährige Ausbildung absolviert. Doch nach einem Jahr ist Schluss. Er wird von der Firma gekündigt. Das teilt er der Familienkasse nicht mit, bezieht weiter Kindergeld, meldet sich arbeitssuchend. "Die Sachbearbeiterin hat mir gesagt, dass ich weiterhin Anspruch darauf habe", gibt er vor Gericht an. Auch bei ihm wurde gepfändet, mehr als 979 Euro waren aber nicht zu holen.

Es müssten weitere Zeugen aus der Arbeitsagentur gehört werden, räumt der Staatsanwalt ein. Ob diese sich jedoch daran erinnern könnten, was sie wie vor sechs Jahren gesagt haben, sei äußerst unwahrscheinlich. Er kritisiert auch die fehlende Mitwirkung der Familienkasse. Aus diesem Grund regt er an, das Verfahren gegen den jungen Mann im Hinblick auf eine andere Verurteilung einzustellen. 2019 war der junge Mann wegen Betruges zu einer Geldstrafe verurteilt worden.

Das Gericht folgt dem Antrag. Ob der Meißner Anspruch auf Kindergeld hatte und wenn ja, in welcher Höhe, ist damit nicht mehr Sache der Justiz, sondern muss im Verwaltungsakt geklärt werden.

Auch wenn die beiden jungen Männer glimpflich davonkommen, ist Steuerhinterziehung bei Kindergeld kein Kavaliersdelikt. Entscheidend für das Strafmaß ist die Höhe des hinterzogenen Betrags. Liegt dieser bei unter 100.000 Euro, droht eine Geldstrafe, liegt er darüber, eine Haftstrafe. Die Pflicht, den hinterzogenen Betrag zurückzuzahlen, besteht unabhängig davon weiter.