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Kampf gegen Schloss-Verfall in Gauernitz

Gemeinderäte wollen das Landschloss retten. Um das Problem publik zu machen, haben sie zu einem Rundgang eingeladen. Forderungen gehen bis zur Enteignung.

Von Uta Büttner
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Das Schloss Gauernitz verfällt immer mehr. Den Weg direkt am Schloss vorbei hat der Eigentümer jetzt abgesperrt, weil er zu seinem Privatbesitz gehört.
Das Schloss Gauernitz verfällt immer mehr. Den Weg direkt am Schloss vorbei hat der Eigentümer jetzt abgesperrt, weil er zu seinem Privatbesitz gehört. © Claudia Hübschmann

Klipphausen. Es ist ein trauriger Anblick. Einst wurde das Schloss in Gauernitz als Wahrzeichen des Ortes betitelt. Der Park galt als einer der schönsten in Sachsen. Doch das alles ist lange her. Das Landschloss, erstmals erwähnt im 14. Jahrhundert, verfällt mehr und mehr. „Wir dürfen uns an diesen Anblick nicht gewöhnen“, sagt Manfried Eisbein, Grünen-Gemeinderat in Klipphausen. „Auch wenn wir nur wenig Einflussmöglichkeiten auf die Entwicklung des Schlossensembles haben, stehen wir als Gemeinderäte und die Gemeinde Klipphausen in der Mitverantwortung, dieses Kulturgut zu erhalten und den Verfall zu stoppen.“

Deshalb luden die Grünen-Gemeinderäte Eisbein und Karl Sternberger vor ein paar Tagen Vertreter der Gemeindeverwaltung, der Bauaufsichts- und Denkmalschutzbehörden zu einem öffentlichen Rundgang um das Schloss ein, zu dem auch Bürger eingeladen waren. „Wir wollen dieses Thema wieder in den Fokus der Behörden und der Öffentlichkeit rücken. Der seit Jahren anhaltende, vom Verfall geprägte Zustand ist so nicht länger hinnehmbar“, sagt Eisbein.

Bis zur Enteignung 1945 gehörte das Schloss der Fürstenfamilie Schönburg-Waldenburg, die es als Sommerresidenz nutzte. Sie hatte es 1819 nach mehreren Eigentümerwechseln gekauft. Etwa Mitte des 19. Jahrhunderts wurde das Schloss im Stil der Neorenaissance umgebaut. Zu DDR-Zeiten wurden im Schloss Wohnungen, ein Kindergarten und eine Oberschule eingerichtet. Zudem war die Gemeindeverwaltung ansässig.

Der ehemalige Lehrer Rudolf Proschmann hat 1995 dieses Foto vom Schloss aufgenommen. Dieser freie Blick vom Radweg aus ist heute nicht mehr möglich.
Der ehemalige Lehrer Rudolf Proschmann hat 1995 dieses Foto vom Schloss aufgenommen. Dieser freie Blick vom Radweg aus ist heute nicht mehr möglich. © Rudolf Proschmann
Grünen-Gemeinderat Manfried Eisbein (vorn) hatte zu einem Rundgang um das Schloss eingeladen.
Grünen-Gemeinderat Manfried Eisbein (vorn) hatte zu einem Rundgang um das Schloss eingeladen. © Claudia Hübschmann
Ansicht auf das Schloss Gauernitz. Der Weg entlang des Schlosses ist jetzt nicht mehr begehbar.
Ansicht auf das Schloss Gauernitz. Der Weg entlang des Schlosses ist jetzt nicht mehr begehbar. ©  Claudia Hübschmann (Archiv)
Das Schloss Gauernitz ist extrem baufällig
Das Schloss Gauernitz ist extrem baufällig © Claudia Hübschmann

Helmut Wetzel – jahrelanger Gemeinderat und Ortsvorsteher in Gauernitz sowie ehemaliger ehrenamtlicher Bürgermeister von Gauernitz – sagt: „Es geht mir an die Nieren, wenn ich den Verfall des Schlosses sehe.“ Er kann nicht verstehen, warum die einstigen Forderungen aus dem Kaufvertrag, Sanierung von Dach, Fenstern und Außenhülle, nicht durchgesetzt wurden.

2003 verkaufte die Gemeinde das bereits sanierungsbedürftige Landschloss an einen Privatmann, den Juristen Werner Caesar Linn aus der Pfalz, für 125.000 Euro. Allerdings mit Investitionsauflagen. Weil diese nicht innerhalb der festgelegten Frist erfüllt wurden, hatte die Gemeinde 2008 gegen Linn geklagt, wollte vom vertraglich vereinbarten Rückkaufsrecht Gebrauch machen. Es kam zu einem Vergleich, nicht alles aus dem Kaufvertrag musste umgesetzt werden. Dabei hatten vor allem die Gauernitzer ihre ganze Hoffnung in den Privatbesitzer gesetzt. „Wir Gauernitzer hängen mit ganzem Herzen an dem Schloss. Wir möchten, dass es restauriert wird, aber künftig nicht für die Öffentlichkeit verschlossen bleibt“, sagte Wetzel 2004 der SZ. Und tatsächlich klang es gut, was Linn vorhatte. So meinte er damals, dass Dach, Fenster und Fassade 2005 restauriert werden sollten. Es könne nur schrittweise vorangehen, aber das Schloss solle sein ursprüngliches Aussehen wieder erhalten.

Heute, 18 Jahre später, ist von diesem Ziel nichts zu sehen. Im Gegenteil. Das Schloss verfällt immer mehr. Unkraut überwuchert das Areal. Volker Herold vom Grünen-Kreisverband zeigt auf eine Stelle im Dach, er sei sich sicher, „noch vor fünf Tagen war dort keine Abdeckplane.“ Und tatsächlich, noch einen Tag vor dem Rundgang klaffte ein riesiges Loch im Dach, wie die Aufnahme der SZ-Fotografin belegt. Es ist nur zu ahnen, welchen zusätzlichen Schaden der Regen an dieser Stelle anrichtete. Jetzt deckt eine Plane das kaputte Stück ab. Linn, der durch Anwohner zum Rundgang eingeladen war, erschien nicht und konnte an diesem Tag deshalb nichts zu den Vorwürfen sagen.

Blick von der B 6 auf das Schloss Gauernitz. Ein Tag vor dem Rundgang klaffte noch ein großes Loch im Dach, was nicht durch eine Plane abgedeckt war.
Blick von der B 6 auf das Schloss Gauernitz. Ein Tag vor dem Rundgang klaffte noch ein großes Loch im Dach, was nicht durch eine Plane abgedeckt war. © Claudia Hübschmann

Aber können Behörden etwas gegen den Verfall eines denkmalgeschützten Gebäudes unternehmen, wenn es in Privatbesitz ist? Olav Helbig, Sachgebietsleiter für Denkmalschutz im Kreis Meißen, sagt, Eigentümer seien verpflichtet, ein Denkmal zu erhalten, wie es ist. Im Falle Schloss Gauernitz ist das nicht geschehen: „Der Zustand hat sich drastisch verschlechtert, weil das Dach offen ist“, sagt Wetzel. Wie lange das Dach an dieser Stelle nicht mit einer Plane abgedeckt war, ist unklar. Klar ist, dass weitere Planen undichte Stellen schützen müssen. „Solche Planen müssen alle halben Jahre kontrolliert werden“, sagt Helbig.

Die Denkmalbehörde will sich der Sache verstärkt annehmen. „Der Giebel muss noch geschlossen werden und in diesem Zusammenhang wird es auch eine Begehung geben“, sagt Helbig. Der First oben müsse geschlossen werden. Falls das nicht geschehe, könne ein Zwangsgeld verhängt werden. Möglich sei ein Verfahren bis hin zu einer Ersatzmaßnahme. Letztere bedeutet, so erklärt er, „der Landkreis nimmt die Sicherung selbst vor und holt sich dann das Geld vom Eigentümer zurück.“

Die Denkmalbehörde solle sehr genau prüfen, ob die Auflagen durch den Eigentümer eingehalten wurden, fordert der Grünen-Landtagsabgeordnete Thomas Löser. „Ich glaube, dass Herr Linn sie nicht erfüllt. Die Abdeckung mit der Plane wurde wahrscheinlich heute gemacht. Der Zustand des Schlosses ist unhaltbar.“ Die Gemeinde solle eine mögliche Enteignung prüfen. Dass dies möglich sei, zeige der kürzliche Fall Schloss Reinhardsbrunn in Thüringen. „Die Gemeinde sollte sich Hilfe holen, auch auf Landesebene. Der Bürgermeister muss das in die Hand nehmen.“

Die Grünen-Gemeinderäte wollen weiter gegen den Schlossverfall kämpfen, „wir bleiben dran“, versichert Eisbein. Und auch die dreiköpfige Bürgernetz-Fraktion im Gemeinderat mit Dirk Benkstein (parteilos für die AfD-Liste im Gemeinderat) will sich dafür einsetzen. Sie habe mit den Grünen und der CDU eine Akteneinsicht im Fall Schloss Gauernitz bei der Gemeinde beantragt. Benkstein wölle sich nun den rund 200 Seiten widmen. Dabei geht es nicht nur um den Schlossverfall, sondern auch um die komplizierte Rechtslage bezüglich privater und kommunaler Wege sowie der Nutzung auf dem Areal. So hat der Eigentümer seinen Weg, der direkt an dem Schloss vorbeiführt, nun mit Bauzäunen abgesperrt. Problematisch sei dies laut Benkstein, weil ein größeres Feuerwehrauto nun nicht mehr zu allen umliegenden Häusern gelange.