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Lernen im Netz

Die Freie Werkschule hat sich ganz eigene Voraussetzungen geschaffen, damit alle mit dem Homeschooling zurechtkommen können.

Von Harald Daßler
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Schulalltag via Team und Zoom: Die Lehrer Marion McKay (auf dem Computerbildschirm links oben), Tobias Schumann und Anja Goßmann lassen sich für den digitalen Unterricht immer wieder etwas Neues einfallen.
Schulalltag via Team und Zoom: Die Lehrer Marion McKay (auf dem Computerbildschirm links oben), Tobias Schumann und Anja Goßmann lassen sich für den digitalen Unterricht immer wieder etwas Neues einfallen. © Claudia Hübschmann

Meißen. Wintervögel lautete das Thema. Grundschüler von der ersten bis zur vierten Klasse haben sich an diesem Projekt beteiligt. In der Wohnumgebung haben sie Vögel beobachtet, für Futter gesorgt. Was sie gesehen haben, haben sie aufgeschrieben. Im Internet und in ihren Lehrbüchern haben sie Fakten über Arten, Lebens- und Verhaltensweisen zusammengetragen. Um die Ergebnisse der Beobachtungen und Recherchen zu präsentieren, haben sie sich im Internet über das Programm Teams verabredet.

Anja Goßmann kommt richtig ins Schwärmen, wenn sie von diesem Projekt ihrer Grundschüler an der Freien Werkschule berichtet. Dass es in Zeiten des Homeschooling stattfand, ist inzwischen nichts Besonderes mehr. Dennoch bedurfte es allerhand Mühen und zusätzlicher Anstrengungen, um die durch die Corona-Pandemie bedingten Veränderungen im Schulalltag zu meistern.

„Das hat viel Zeit in Anspruch genommen“, gibt Anja Goßmann unumwunden zu. Sie ist selbst Mutter von zwei Kindern – und weiß, was es bedeutet, wenn Kinder zu Hause lernen sollen. Das Internet kann dabei helfen. Stundenpläne eine Woche im Voraus ins Netz zu stellen und Aufgaben über virtuelle Fächer zu verteilen, so dass sie die Schüler „abholen“ können, ist das eine. Viel wichtiger aber ist ihr der Kontakt zu den Schülern.

Auch deshalb schalten sie sich über das Programm Zoom zu einem Morgenkreis zusammen. „Hier erzählen wir uns Geschichten“, berichtet Anja Goßmann. Das lockert – Schüler und Lehrerin. Für das Vorbereiten der Lerninhalte und Aufgaben nimmt sich die Grundschullehrerin viel Zeit. Die Schüler sollen Anregungen erhalten, damit sie sich dann möglichst selbstständig mit einem Thema oder einer Aufgabe auseinandersetzen – mit dem Verhalten der Wintervögel ebenso wie der schriftlichen Subtraktion. Am meisten begeistern kann Anja Goßmann ihre Schüler mit Experimenten, die sie einige Tage vorher ankündigt, damit sie gemeinsam vorbereitet und dann via Zoom-Konferenz durchgeführt werden können.

Regelmäßig im Kontakt

Die Chat-Programme sind auch in der Oberstufe wichtig. „Einmal in der Woche gibt es ein festes Meeting in der Klasse“, berichtet Marion McKay. Dabei kann die Englisch-Lehrerin sich auf ihre Schüler verlassen. Sie berichtet von Neuntklässlern, die über eine Gaming-Plattform einen eigenen Chat-Kanal für eine ganze Klasse eingerichtet haben. So bleiben alle im Kontakt.

Immer eine Woche im Voraus werden Pläne und Aufgaben an alle Schüler, Eltern sowie an die Klassenlehrer verteilt. Über die Programme Teams und Sharepoint können sich die Schüler in Arbeitsgruppen gemeinsam damit beschäftigen – und sich mit einem Fachlehrer verabreden, um Fragen zu stellen oder Unklarheiten beseitigen zu können. In regelmäßigen Lerngesprächen – natürlich digital – gibt die Lehrerin ihren Schülern ein Feedback. Damit kann sie sich auch einen Überblick darüber verschaffen, wie ihre Schüler beim digitalen Lernen vorankommen.

Die Lernatmosphäre auf leichte Weise nach Hause transportieren – so beschreibt Tobias Schumann den Weg zum digitalen Lernen an der Freien Werkschule. „Wir wollten die Möglichkeiten der Computertechnik nutzen, ebenso die Kompetenz im Umgang mit den neuen Medien herausbilden helfen“, sagt der stellvertretende Grundschulleiter. Als IT-Verantwortlicher an der Freien Werkschule hat Tobias Schumann dafür gesorgt, dass Lehrer und Schüler Zugang zu Programmen wie Sharepoint, Zoom, Teams und Moodle haben. Erst damit sind Voraussetzungen geschaffen, dass jeder mit jedem über das Netz in Kontakt kommen kann.

Weiterbildung unter Kollegen

Mit dem Einrichten und Programmieren war es aber noch nicht getan, erinnert er sich. Viel anspruchsvoller war die Aufgabe, alle Kollegen Lehrer für das digitale Lernen zu begeistern. Dass sich inzwischen jeder Kollege „grundlegend“ auskennt, wie Tobias Schumann es nennt, liegt an zahlreichen Weiterbildungen – vor allem unter Kollegen. Da war es für niemanden peinlich, wenn mal etwas nicht sofort klappte.

Schüler der höheren Klassen haben dabei geholfen, die Computerprogramme aus der MS 365-Familie den Erfordernissen der Freien Werkschule anzupassen. Damit auch alle am digitalen Lernen dabei sein können, hat die Schule mobile Endgeräte angeschafft, die auch verliehen werden können.

Machtlos ist man noch, wenn ein Schüler dort wohnt, wo die Versorgung mit schnellem Internet noch zu wünschen übrig lässt. Hier muss auf das Telefon zurückgegriffen werden, um im Kontakt zu bleiben und offene Fragen beantworten zu können. Zum Glück sind es nur ganz wenige Fälle.

Das Telefon ist auch dann wichtig, wenn Rückmeldungen zu einzelnen Aufgaben ausbleiben. Spätestens eine Woche nach dem letzten Kontakt mit dem Schüler greifen die Lehrer zum Telefon, um sich beim Schüler und in seiner Familie zu erkundigen, ob alles in Ordnung ist.

Viele positive Effekte

Die Schule war mitten in den Vorbereitungen, um digitales Lernen auszuprobieren, als Corona über uns hereinbrach, sagt Tobias Schumann. Der behördlich angeordnete Lockdown im vorigen Frühjahr wirkte zugleich wie ein Katalysator. Der Aufwand für das digitale Lernen im Alltag ist enorm – für Lehrer wie Schüler. Es lohnt sich, weil es auch mit vielen positiven Effekten verbunden ist. Tobias Schumann verweist darauf, dass Präsentationen und E-Mails schriftliches Kommunizieren erfordern, wodurch die Pflege der geschriebenen Sprache an Bedeutung gewinnt. Und mancher erlernt am Notebook oder Tablet die Fähigkeit zum Tippen mit zehn Fingern. Mit den Präsentationen entsteht auch Lernmaterial, das weitere Generationen von Schülern nutzen können.

Den Präsenzunterricht kann und soll das digitale Lernen nicht ersetzen, da sind sich die Lehrer an der Freien Werkschule einig. Computer, Notebooks und Tablets können den direkten Kontakt zwischen den Schülern sowie zwischen Schülern und Lehrern nicht ersetzen. Sie werden sicher weiterhin zum Schulalltag gehören – genauso wie das Erlernen, Erklären, Nachfragen und Vertiefen sowie das gemeinsame Arbeiten an einem Projekt.