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Martin Dulig nutzt seinen Winterurlaub für Hilfstransport in die Ukraine

Der Minister begleitet als Privatperson eine Coswiger Initiative. Damit Laster nicht tagelang im Stau stehen, werden die Hilfsgüter jetzt vor allem vor Ort gekauft.

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Martin Dulig in der West-Ukraine bei einer Obdachlosenhilfe. Er begleitete eine Coswiger Initiative.
Martin Dulig in der West-Ukraine bei einer Obdachlosenhilfe. Er begleitete eine Coswiger Initiative. © privat

Herr Dulig, Sie sind gerade nach einer Woche aus der West-Ukraine zurückgekehrt, wohin Sie – als Privatperson – einen Hilfstransport aus Sachsen begleitet haben. Wie ist es dazu gekommen?

Der Verein „Partnerschaft für Osteuropa“ aus meinem Wahlkreis in Coswig hat diesen Hilfstransport organisiert. Ich kenne ihn seit vielen Jahren und habe bereits 1996 bei einem Hilfstransport nach Rumänien geholfen. Als mir einige der Aktiven auf einem Neujahrsempfang erzählten, dass sie im Februar nach Lwiw fahren, habe ich spontan gesagt: Ich komme mit! Ursprünglich hatte ich für die Woche Winterurlaub geplant, aber dieser Transport war mir viel wichtiger. Es war eine Herzensentscheidung. Man darf nicht immer nur reden, man muss auch tun.

Woher kamen die Dinge, die Sie in die Ukraine gebracht haben?

Unseren Hilfstransport darf man sich nicht wie einen des Roten Kreuzes vorstellen, der Kleider- und Lebensmittelspenden in großen Lkws in die Ukraine bringt. Davon haben wir einige gesehen, die teilweise wochenlang an der Grenze stehen mussten, bevor sie ins Land gelassen werden. Wir hatten zwar auch einige Kleiderspenden dabei, die wir einer Obdachlosenunterkunft in Lwiw mitgenommen hatten. Das meiste haben wir aber tatsächlich vor Ort gekauft, mit Geld, das „Partnerschaft für Osteuropa“ zuvor in Deutschland gesammelt hatte. Lebensmittel in die Ukraine zu bringen, ist Quatsch. Es gibt die Möglichkeit, vor Ort die Sachen zu kaufen. Und das haben wir gemacht.

Soldatenfriedhof Lemberg: Fahnen über den Gräbern gefallener ukrainischer Soldaten. Die Ukraine ehrt die vielen Opfer des Krieges.
Soldatenfriedhof Lemberg: Fahnen über den Gräbern gefallener ukrainischer Soldaten. Die Ukraine ehrt die vielen Opfer des Krieges. © privat

Welche Einrichtungen haben Unterstützung bekommen?

Zum einen die schon erwähnte Obdachlosenunterkunft, zu der auch ein Sozialkaufhaus gehört. In Tscherwonohrad haben wir einen Kinder- und Jugendchor mit einer Geldspende unterstützt. In Lwiw waren wir an einer Schule, die einen Schwerpunkt auf die deutsche Sprache setzt und eine Partnerschaft mit dem Dresdner Kreuzgymnasium anstrebt. Ebenfalls in Lwiw haben wir ein Kinderheim mit Lebensmitteln unterstützt. Und wir haben Kooperationsmöglichkeiten auf kirchlicher Ebene ausgelotet. Der Dresdner Superintendent und Kreuzkirchenpfarrer Christian Behr war auch Teil unserer Gruppe.

Wie ist die Situation in der West-Ukraine im Moment?

Der Krieg ist allgegenwärtig und bestimmt den Alltag, schon allein wegen der vielen Menschen, die aus dem Ostteil des Landes hierher geflohen sind. Trotzdem läuft der Alltag ganz normal ab. Die Menschen gehen zur Arbeit, die Kinder in die Schule. Sie versuchen, ihr Leben so lebenswert wie möglich zu gestalten.

Jemand hat mir gesagt: „Wenn wir nicht mehr lachen, hat Putin gewonnen.“ Ich finde, das bringt es sehr gut auf den Punkt. Trotzdem bricht der Krieg immer wieder in den Alltag ein. Als wir an einer Schule waren, gab es zum Beispiel Luftalarm und alle mussten in den Schutzraum im Keller, wo der Unterricht dann weiterging.

Wir haben auch bei einem Gottesdienst für gefallene Soldaten teilgenommen. Neben dem normalen Friedhof wurde gerade ein riesiger Soldatenfriedhof mit 1.000 Gräbern angelegt. Wenn man das alles sieht, merkt man, wie bedrückend es ist. Mir ging das alles sehr nahe.

Der Durchhaltewille der Ukrainer*innen ist also auch zwei Jahre nach Kriegsbeginn ungebrochen?

Die Menschen in der Ukraine wünschen sich nichts sehnlicher als Frieden. Das ist in allen Gesprächen mehr als deutlich geworden. Genauso klar ist aber auch, dass das nicht auf Kosten der Ukraine geschehen darf. Sie wollen, dass der russische Aggressor endlich aus ihrem Land verschwindet. Für viele Familien stellen sich dabei ganz existenzielle Fragen wie die, was ist, wenn der eigene Sohn an die Front muss. Das ist etwas, was wir uns in Deutschland kaum vorstellen können.

Sie haben schon länger eine Verbindung zur Ukraine. Gleich nach Kriegsbeginn haben Sie zwei ukrainische Familien bei sich zu Hause aufgenommen. „Der Krieg sitzt mit am Küchentisch“ haben Sie damals gesagt. Wie kam es dazu?

Für meine Familie und mich war es damals eine Selbstverständlichkeit, dass wir helfen. Wir haben zwei ukrainische Familien in unserem Haus aufgenommen. Ursprünglich war das nur für den Übergang gedacht, aber die fünf haben sich so schnell aneinander gewöhnt, dass sie sich nicht mehr trennen wollten. Inzwischen ist eine Familie in die Ukraine zurückgekehrt, die andere ist noch da.

Wir alle können im Kleinen etwas beitragen, sei es mit der Aufnahme von Geflüchteten oder mit einer Spende. Das ist meine feste Überzeugung. Leider werden, je länger dieser schreckliche Krieg dauert, die Stimmen lauter, die fordern, Deutschland müsse sich nicht um die Ukraine kümmern, sondern lieber um die Probleme des eigenen Landes. Für mich schließt sich das nicht aus. Fakt ist: Wir dürfen die Ukraine nicht fallen lassen.

Ende Januar waren Sie gemeinsam mit dem ukrainischen Botschafter an der Technischen Universität in Dresden, um über die Beziehungen zwischen der Ukraine und Sachsen zu sprechen. Wie kam es dazu?

Mich ärgert die unklare Haltung und das stimmungsgeleitete teilweise sogar prorussische Auftreten unseres Ministerpräsidenten in der Ukraine-Frage. Niemand kann etwas gegen eine diplomatische Lösung haben, aber so wie Michael Kretschmer es vorschlägt, würde die Ukraine ein Fünftel ihrer Fläche damit verlieren. Da möchte ich mit klaren Positionen gegenhalten und habe deshalb diese Veranstaltung gemeinsam mit dem ukrainischen Botschafter gemacht. Partnerschaften zwischen der Ukraine und Sachsen werden dem Land helfen, nicht zuletzt beim Wiederaufbau nach dem Krieg, der ja zum Teil schon jetzt beginnt.

Das alles hat aber nichts mit meiner Fahrt in die Ukraine zu tun. Dabei ging es nicht um Politik, sondern um meine persönliche Überzeugung, dass ich den Menschen helfen will. (SZ)