SZ + Meißen
Merken

Meißner Bauunternehmer: „Auf dem Bau ist die Arbeit immer noch viel zu schwer“

Wie reagieren auf die Krise der Branche? Der Chef der Meißner Brumm Bau GmbH Andreas Poller setzt auf Technologie – vor allem aber auf seine Bauleute.

 6 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
„Für die Zukunft sehe ich weder schwarz, noch bin ich Zweckoptimist“: Brumm Bau-Geschäftsführer Andreas Poller.
„Für die Zukunft sehe ich weder schwarz, noch bin ich Zweckoptimist“: Brumm Bau-Geschäftsführer Andreas Poller. © Claudia Hübschmann

Herr Poller, allenthalben ist zu hören, dass es der Baubranche schlecht geht. Wie stellt sich die Lage aus der Sicht Ihrer Firma dar?

Aktuell geht es uns gut. Unsere Bauleute und Handwerker haben allerhand Aufträge und auf verschiedenen Baustellen gut zu tun. Uns kommt zugute, dass sich die Brumm Bau GmbH einen Namen gemacht hat – bei Bauvorhaben, bei denen es auf besonderes handwerkliches Können vieler Gewerke ankommt wie am Zwinger und am Residenzschloss in Dresden oder in Meißen beim Sanieren der „Sonne“ oder den Gründerzeithäusern an der Fährmannstraße.

Was mir Sorgen bereitet, sind die Budgetsperren der öffentlichen Hand, die Bestellzurückhaltung privater Kunden infolge gestiegener Materialpreise, Lohnkosten und höherer Bauzinsen. Diese Gemengelage hat zur Folge, dass der Wettbewerb um die derzeit sehr überschaubare Zahl an Bauaufträgen enorm zugenommen hat.

Was bedeutet das für Ihr Unternehmen?

Bei einer Ausschreibung für einen Auftrag mit einem Volumen von nur 20.000 Euro ist die Teilnahme von 20 und mehr Wettbewerbern völlig normal geworden. Vor zwei Jahren waren es, wenn es hochkam, zehn Anbieter. Hinzu kommen Niedrigstpreise, mit denen sich einige unter den Bewerbern einen Vorteil bei der Auftragsvergabe verschaffen wollen. Damit wir in diesem Wettbewerb um neue Aufträge mithalten zu können, müssen wir uns noch mehr anstrengen. Konkret heißt das: Wir müssen, um einen Auftrag zu generieren, mindestens fünf Angebote kalkulieren und abgeben. Vor zwei Jahren lag diese Quote noch bei 1 zu 3.

Wie reagieren Sie auf diese Entwicklung?

Wir müssen die Augen für neue Geschäftsfelder und Nischen offenhalten, aber auch den Radius unserer Aktivitäten erweitern. Baustellen, die 50 bis 75 km entfernt von unserm Bauhof in Coswig an der Industriestraße liegen, sind inzwischen ganz normal. Weitere Strecken gehen leider zu Lasten der Freizeit unserer Mitarbeiter, und die Kosten steigen. Unsere Wettbewerber kommen aus der Oberlausitz, Berlin, Bayern und Hessen. Deshalb müssen wir noch produktiver werden, um damit unsere Wettbewerbsfähigkeit verbessern.

Was heißt das genau in einer Firma Ihrer Größe?

In unserem Bauhandwerk wird noch immer viel zu viel Material manuell bewegt, in körperlich schwerer Arbeit. Deshalb liegt mir die Optimierung von Prozessen zur Entlastung unserer Mitarbeiter sehr am Herzen. Auf den Baustellen schauen wir uns sehr genau an, ob und wie sich Abläufe oder Tätigkeiten optimieren lassen. Zum Beispiel beim Anliefern von Baumaterial. Durch eine sinnvolle Streckenplanung, mit Hilfe der Digitalisierung und in Kooperation mit unseren Lieferanten lässt sich da vieles erreichen. Zu diesem Thema gibt es jetzt auch ein Projekt bei der Kreishandwerkerschaft, an dem wir uns gemeinsam mit anderen Handwerksbetrieben aktiv beteiligen werden: Unter dem Titel „Prozess-Werkstatt“ werden Arbeitsabläufe auf einer Baustelle mit der Videokamera aufgezeichnet und anschließend analysiert. So lassen sich Defizite finden. In Simulationen lassen sich dann konkrete Maßnahmen „durchspielen“.

Und wie überzeugen Sie Ihre Leute auf den Baustellen?

Die Kollegen sind in die Prozessbetrachtung einbezogen: Gespräche zu ihren Wahrnehmungen sind Bestandteil der Untersuchungen. Mir geht es dabei auch darum, die schwere körperliche Arbeit auf der Baustelle zumindest zu reduzieren. Im Handwerk ist der Mensch nach wie vor die wichtigste Ressource. Das wird auch noch auf lange Sicht so bleiben, deshalb müssen wir Handwerker nachhaltiger mit unserer Gesundheit und der unserer Mitarbeiter umgehen.

Das Durchschnittsalter unserer 56 Mitarbeiter in Vollzeit liegt bei 49,5 Jahren. Als Geschäftsführer schaue ich mir regelmäßig die Krankenstatistiken der Kassen und eigene Auswertungen an und vergleiche die Informationen und Trends mit meinem Unternehmen. In unserer Branche sind Verschleißerscheinungen an Rücken und Knie sehr häufige Ursachen für krankheitsbedingte Ausfälle. Da überlege ich schon, was ich tun kann, um die Arbeitsfähigkeit der Mitarbeiter zu erhalten.

Wie geht das im Alltag auf einer Baustelle?

Durch möglichst kurze Wege des Baumaterials sowie durch den Einsatz von Transportmitteln und Hebehilfen. Ich beschäftige mich schon lange mit Exoskeletten, leider sind die aktuell angebotenen Lösungen noch nicht richtig ausgereift. Ich habe auch dafür gesorgt, dass Mitarbeiter mit Beschwerden reha-sportliche Angebote oder die Knie- oder Rückenschule der Bau-BG in Anspruch nehmen können. Kostenloses Mineralwasser, Sonnenschutzmittel und in der Saison Äpfel für die Arbeiter auf den Baustellen verstehen sich von selbst.

Aus meiner Sicht könnte auch die Baustoffindustrie einen Beitrag leisten – denn das, was sie liefert, ist oft viel zu schwer. Zum Beispiel Fertigbetonsäcke, welche handelsüblich zwischen 40 und 50 Kilogramm wiegen. Oder Platten, die für den Brandschutz verbaut werden: Da sind auch mal 75 Kilogramm zu schleppen. Im Neubau kann man viel mit dem Kran machen. Im Bestandsbau und der Sanierung müssen in den meisten Fällen weiterhin die Menschen die Lasten tragen. Da ist noch sehr viel Luft nach oben.

Spielt das bei Ihren Bemühungen um die Optimierung von Prozessen eine Rolle?

In betriebswirtschaftlicher Hinsicht schon. Der Einsatz von leichteren und die Gesundheit unserer Mitarbeiter schonenden Baumaterialien mag beim Blick auf die Kosten je Quadratmeter teurer erscheinen – in der Gesamtbetrachtung bestätigt sich das nach meinen Erfahrungen aber nicht. Wenn die Ausfalltage aufgrund von körperlichen Belastungen mit zunehmendem Alter ansteigen, steigen auch die Kosten für den Unternehmer durch Lohnfortzahlung aber auch durch entgangenen Umsatz. Dies wiederum hat Auswirkungen auf die Preise. Dazu kommt, dass viele Handwerker mit Ende 50 erwerbsunfähig werden und als erfahrene Fachkräfte den Unternehmen nicht mehr zur Verfügung stehen.

Hier setzen wir, gemäß unserem Motto „Die Erfahrung macht's“, unsere Ziele. Zum Beispiel mit der Antwort auf die Frage: Was müssen wir tun, um die Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter bis zum Renteneintritt und darüber hinaus zu erhalten?

Was erwarten Sie von der Politik? Wie sollten die Rahmenbedingungen gestaltet werden?

Sie kann dafür sorgen, dass Projekte für den privaten Häuslebauer wieder attraktiv und bezahlbar werden – durch weniger Bürokratie, Anreize bei der Finanzierung wie zur Ankurbelung der Baukonjunktur in den 90er Jahren aber auch durch weniger Auflagen bzw. einer Reduzierung auf das wirklich Notwendige. Es ist einem Kunden sehr schwer vermittelbar, dass eine Reparatur eines Fassadenanteils, welcher etwas größer als 10 Prozent der Gesamtfläche ist, sofort eine energetische Sanierung der gesamten Fassade nach Gebäudeenergiegesetz (GEG) erfordert.

Wer mich kennt, weiß: Für die Zukunft sehe ich weder schwarz, noch bin ich Zweckoptimist. Und das lasse ich auch im Alltag unseres Unternehmens ausstrahlen. Für mich zählt, dass sich die Mitarbeiter in einem wirtschaftlich gesunden Unternehmen wohl, einbezogen und wertgeschätzt fühlen. Transparenz ist für mich persönlich und die Mitarbeiter unseres Unternehmens sehr wichtig. Aus diesem Grund schreibe ich einen monatlichen Newsletter, in dem ich alle Mitarbeiter über die aktuelle Lage informiere. Alle sollen wissen, wo wir stehen und wo wir hinwollen.

Das Gespräch führte Harald Daßler.