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Meißner Fummel: Konditorei Zieger wird 180 Jahre

Meißens Lieblingskonditorei wird im Februar 180 Jahre alt. Die Spezialität des Hauses ist nach wie vor gefragt, ihre Rezeptur streng geheim.

Von Andre Schramm
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Astrid und Dirk Zieger stöbern in alten Zeitungsartikeln. Am 23. Februar wird die bekannte Konditorei 180 Jahre.
Astrid und Dirk Zieger stöbern in alten Zeitungsartikeln. Am 23. Februar wird die bekannte Konditorei 180 Jahre. © Claudia Hübschmann

Meißen. Schon der Anfang der Konditorei-Historie ist klasse. "Ich mache hiermit einem geehrten Publikum in der Stadt und Umgebung ergebenst bekannt, daß ich mich als Bäckermeister etabliert habe, und bitte zugleich um ferneres Wohlwollen." So steht es im "Meißner Gemeinützges Wochenblatt" vom 2. März 1844. "Die Sprache und die Formulierung – einfach herrlich", lacht Konditormeister Dirk Zieger knapp 180 Jahre später.

Die Worte stammen aus der Feder seines Ururopas Gustav Zieger. Der Bäckermeister hatte wenige Tage zuvor – am 23. Februar 1844 – eine Feinbäckerei eröffnet, gegenüber vom Tuchmachertor. "Mit dieser Annonce wollte er sich eben bekannt machen", sagt der Zieger von heute. Bevor jetzt alle zurückrechnen müssen. Der Familienbetrieb ist nun in den Händen der 5. Generation.

In der Historie der Familie Zieger muss man mit Namen ein bisschen aufpassen. Der Vorname Gustav fand in den vergangenen 180 Jahren nahezu inflationär Gebrauch. "Ich hätte mich über Gustav gefreut", sagt der Konditormeister. Bei ihm hatte es "nur" für Dirk gereicht. Ein "Frank" steht auch noch auf der Geburtsurkunde. Das führt wiederum dazu, dass vor allem amtliche Schreiben häufig an Frank Zieger adressiert sind.

Schweigegelübde über das Rezept

Der kleine Dirk Zieger hatte sich seine berufliche Zukunft eigentlich ganz anders vorgestellt. "In der dritten Klasse wollte ich noch auf ein Torpedo-Uboot", lacht er. Jedenfalls hatte er so in seinen "Was-will-ich-mal-werden-Aufsatz" geschrieben. Es kam anders. Die Eltern wollten es so. 1985 lernte er aus, half fortan in der Konditorei. "Mein Vater brauchte mich", sagt er. 2005 übernahmen er und seine Frau Astrid, die viele Jahre in der Unfallchirurgie gearbeitet hatte, den Familienbetrieb. Die Spezialität des Hauses lag fortan in ihren Händen. Die Meißner Fummel.

Zum 1.000. Jubiläum der Stadt gab es 1929 eine Riesen-Fummel. Zu sehen sind außerdem die Mitglieder der Bäckerinnung.
Zum 1.000. Jubiläum der Stadt gab es 1929 eine Riesen-Fummel. Zu sehen sind außerdem die Mitglieder der Bäckerinnung. © Claudia Hübschmann

"Rund 8.000 Exemplare gehen jedes Jahr über die Ladentheke", sagt der Konditormeister. Natürlich wollen vor allem Touristen die Geschichte dazu hören. Astrid Zieger ist es wichtig, dass sie stimmt. "Mit Porzellan hat das Gebäck nichts zu tun, jedenfalls nicht direkt. Hätte man eine Meißner Fummel zwischen Porzellanprodukten platziert, dann hätte sie auf bzw. am Pferd keine drei Meter überlebt", sagt sie. Sie hält es für viel plausibler, dass es August dem Starken darum gegangen sei, dass Informationen von Kurieren zeitnah ankommen. "Die Fummel sollte verhindern, dass sich die Boten in den Meißner Kneipen betrinken oder gar Informationen verbummeln", sagt sie. Heute wird das Gebäck gern im Zusammenhang mit dem ersten Alkoholtest in der Geschichte genannt.

In den vergangenen Jahrzehnten haben viele den Versuch unternommen, den Ziegers das Rezept zu entlocken. Wer derlei Fragen stellt, wird maximal ein verschmitztes Lächeln ernten. Firmengeheimnis mit geschützter geografischer Angabe. Selbst die Azubis müssen eine entsprechende Vereinbarung unterzeichnen, dass nichts davon nach außen dringt.

Prominenz im Café

Das war nicht immer so. Die Meißner Fummel, oder besser Fommel, wie sie früher hieß, war keine exklusive Angelegenheit einer einzelnen Konditorei. Die Ziegers sind eben die einzigen, die bis heute durchgehalten haben. Dirk Zieger sagt lediglich, dass er für die Herstellung von 30 Stück etwa 30 Minuten braucht. Die Ruhezeit des Teigs komme noch obendrauf. Dass die Konditorei häufig nur auf das Luftgebäck reduziert werde, stört ihn nicht. Dabei werden hier auch imposante Torten gefertigt – für Hochzeiten und andere Anlässe.

Eine historische Aufnahme: Zunächst war die Konditorei Zieger nur im linken Teil des Hauses, dort wo sich heute die Backstube befindet, untergebracht. Gegründet wurde sie an anderer Stelle: An der Frauenkirche 2.
Eine historische Aufnahme: Zunächst war die Konditorei Zieger nur im linken Teil des Hauses, dort wo sich heute die Backstube befindet, untergebracht. Gegründet wurde sie an anderer Stelle: An der Frauenkirche 2. © Claudia Hübschmann

Es gab unzählige Episoden im Zusammenhang mit der Konditorei. So behauptete ein Professor einmal, die Fummel habe ihren Ursprung in der Türkei. Ein anderes Mal erhielt Astrid Zieger nach einem Zeitungsartikel Post von einem Meißner Optiker, der ihre Brille kritisierte und ihr nahe legte, sich einen neuen Fachmann zu suchen. Heute kann sie darüber lachen, damals brachte sie das auf 180. Daneben sorgte und sorgt die Bekanntheit der Konditorei auch für allerhand Prominenz im Café.

Fußballlegende Ralf Minge, Produzent Mousse T. (Sexbomb), Schauspieler Ottfried Fischer, Schauspielerin Katja Ebstein, Sänger Wolfgang Lippert, Schauspieler Wolfgang Stumph und viele andere kehrten bei den Ziegers schon ein. Wenn Touristengruppen im Laden stehen, und für jeden eine Meißner Fummel zum Verzehr bestellen, empfiehlt Astrid Zieger häufig, zunächst ein, zwei Kostproben zu kaufen. Denn ein kulinarisches Highlight ist die Fummel nicht, satt macht sie auch nicht. Als Erinnerung oder Souvenir ist auf sie Verlass. "Wir sind immer von den Socken, wenn Meißner im Laden stehen, und von ihrer Fummel erzählen, die seit 25 Jahren in der Schrankwand oder Vitrine steht", sagt Frau Zieger.

Seit 2004 sind die Ziegers Herr im eigenen Haus. Eigentlich wollten sie sanieren. Dann kam Corona, der Ukraine Krieg und steigende Baukosten. "Wir haben es schließlich gelassen", sagt Astrid Zieger. Zum 180. Geburtstag hat sich Dirk Zieger ein paar Überraschungen ausgedacht, Schokoladentaler mit dem Konditorei-Siegel zum Beispiel. Der Stand vor der Konditorei wird auch geöffnet haben.