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Meißen: Auch wenn das Gas ausgeht, wird jetzt Bier gebraut

Die Meißner Schwerterbrauerei hat in einen neuen Heizkessel investiert. Der brennt mit vielem, außer mit Holzschnitzeln.

Von Ines Mallek-Klein
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Rund 600.000 Euro hat die Meißner Schwerterbrauerei in den neuen Dampfkessel investiert. Er ermöglicht unter anderem eine zweistufige Wärmerückgewinnung.
Rund 600.000 Euro hat die Meißner Schwerterbrauerei in den neuen Dampfkessel investiert. Er ermöglicht unter anderem eine zweistufige Wärmerückgewinnung. © Claudia Hübschmann

Meißen. Diese Investition war eigentlich erst für 2024/25 geplant. Der mit Erdgas betriebene Dampfkessel, der gut zwei Jahrzehnte alt ist, hätte bis dahin noch gute Dienste geleistet. Doch die Energiekrise, steigende Preise und große Unsicherheiten in der Versorgungslage mit Erdgas in den kommenden Wochen haben die Meißner Schwerterbrauerei veranlasst, in einen neuen Kessel zu investieren.

Auf 600.000 Euro beziffert Inhaber Eric Schäffer die Investition, die am Freitagnachmittag offiziell eingeweiht worden ist. Der neue Kessel kann mit Erdgas, aber eben auch mit Öl und zukünftig sogar mit einem Erdgas-Wasserstoffgemisch betrieben werden. „Damit sind wir zukunftssicher aufgestellt und können auch dann weiter brauen, wenn kein Erdgas mehr auf dem Markt verfügbar ist oder die Preise in die Höhe schnellen“, so der Brauereichef.

Die Pläne für die Investition lagen bereits in der Schublade, nur so sei die zeitnahe Umsetzung möglich gewesen. „Wer heute einen solchen hochmodernen Dampfkessel bestellt, muss bis zu zwei Jahre auf die Lieferung warten“, sagt der Unternehmer. Ihm ist Planungssicherheit wichtig. Die vermisst er allerdings auf der politischen Ebene in Berlin. Schäffer spricht von einer derzeitigen „energiepolitischen Geisterfahrt“, die es Unternehmern wie ihm sehr schwer mache, für die Zukunft zu planen. Der neue Dampfkessel, der nach finalen Testläufen in der kommenden Woche ans Netz gehen soll, sei in jedem Fall ein wichtiger Schritt, um die Abhängigkeit von nur einer Energiequelle aufzugeben.

Brauerei hat vorproduziert

Meißens Oberbürgermeister Olaf Raschke lobt die energiepolitische Weitsicht des Unternehmers und auch seinen Mut, in Zeiten wie diesen zu investieren. Sein Bauamt hat einen nicht unwesentlichen Anteil, dass der Einbau noch in diesem Jahr vollzogen werden konnte. „Denn kurzfristige Auflagen hätten das Projekt in der finalen Phase beinahe ausgebremst“, sagt Eric Schäffer. Im Meißner Bauamt fand man binnen Tagen eine Lösung, und so konnte der alte Kessel ausgebaut und der neue eingebaut werden. Für gut zehn Tage musste die Arbeit in der Brauerei ruhen. Lieferengpässe müsse aber niemand fürchten, so der Brauereichef. „Wir haben natürlich vorproduziert und entsprechend abgefüllt", sagt er, wohl wissend, wie wichtig das Geschäft in der Vorweihnachtszeit ist, erst recht, wenn parallel ein neuer Fußball-Weltmeister auf dem Rasen ermittelt wird.

Der Dampferzeuger gilt als Herzstück der Brauerei. Er heizt das Sudhaus und man braucht ihn, um die Filteranlagen zu betreiben. Er sieht aus wie eine große silberne Turbine. Bedient wird er über ein Display, zeigt Christoph Thiele von der Dampferzeuger-Rohrleitungsbau GmbH aus Lichtentanne bei Zwickau. Er hat mit seinen Kollegen die Anlage aufgebaut, die Bosch konzipiert hat. „Das ist der Mercedes unter den Multibrennstoffkesseln“, so Thiele, der die Anlage auch künftig warten wird. „Es war uns wichtig, Firmen aus der Region in das Projekt einzubinden“, so Brauereichef Schäffer. Die Anlage sei auch ein Stück weit Referenzobjekt. Die Abwärme wird in einem zweistufigen Verfahren zurückgewonnen, sodass die Räume der Brauerei nicht mehr zusätzlich beheizt werden müssten. Ein Öltank, der 60.000 Liter fasst, steht schon seit einigen Monaten hinter den Hallen. „Gibt es kein Gas mehr, können wir sofort auf Öl umstellen“, erklärt Eric Schäffer. Dazu muss der Brennstoffkessel kurzzeitig ausgeschaltet werden, die Brennkammer wird frisch belüftet und dann wird er wieder hochgefahren, mit einem neuen Brennstoff. Der im Vorfeld erzeugte Druck reiche aber aus, dass alle Prozesse in der Brauerei ohne Unterbrechung weitergehen können, so Ingenieur Thiele.

Großabnehmer schließen sich zur Wasserstoff-Allianz zusammen

Der Kessel ist auch für die Wasserstoffnutzung vorbereitet. Allerdings ist da noch die Frage, wie das mithilfe von Sonnenenergie hergestellte Gas in das Meißner Gewerbegebiet kommt. Diese Frage beschäftigt nicht nur Eric Schäffer, sondern auch den benachbarten Keramikhersteller Duravit. Der hat seine Tunnelöfen auch bereits so ausgerüstet, dass sie mit einem Wasserstoff-Erdgas-Gemisch arbeiten könnten.

Und auch an anderen Orten im Landkreis wird daran gearbeitet, künftig den grünen Wasserstoff in die Energieversorgung einzubringen. So haben das Riesaer Stahlwerk Feralpi, Wacker Chemie, das Gröditzer Schmiedewerk und Ervin in Glaubitz eine Energie- und Wasserstoffallianz gebildet. Als gemeinsame Großabnehmer könnten allein diese vier Firmen jährlich den Kohlendioxid-Ausstoß um jährlich rund 220.000 Tonnen reduzieren, wenn sie Wasserstoff zur Verfügung hätten.

Für Eric Schäffer ist die Energiewende in seiner Brauerei längst noch nicht abgeschlossen. Er will sich auch von der externen Stromversorgung weitgehend unabhängig machen und plant, 2023 die Dächer seiner Hallen mit Solarpaneelen zu belegen. Das wäre der nächste wichtige Schritt.