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„Der Verkehr durch Meißen lässt sich spürbar reduzieren“

Das ist möglich, sagt Oberbürgermeister Olaf Raschke im Interview zum Jahresende. Und er verweist auf Studien von Fachleuten und Wissenschaftlern.

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"Es kann nicht sein, dass ein Unfall oder Hindernis auf der Autobahn dazu führt, dass der abfließende Verkehr dann die umliegenden Städte verstopft": Meißens Oberbürgermeister Olaf Raschke.
"Es kann nicht sein, dass ein Unfall oder Hindernis auf der Autobahn dazu führt, dass der abfließende Verkehr dann die umliegenden Städte verstopft": Meißens Oberbürgermeister Olaf Raschke. © Claudia Hübschmann

Herr Raschke, in diesem Jahr hat der Stau den Alltag vieler Menschen in der Stadt bestimmt – oft in Folge von Bauarbeiten an mehreren Straßen gleichzeitig. Lässt sich das nicht besser koordinieren, um Belastungen für den fließenden Verkehr so gering wie möglich zu halten?

Wir hatten eine besondere Situation: Zu den Bauarbeiten in der Kurt-Hein- und Dresdner Straße kamen Havarien in Fabrikstraße und wenige Tage später an der Dresdner Straße hinzu. Dadurch wurden die ohnehin schon vorhandenen Nadelöhre im städtischen Verkehr noch stärker belastet, was zu den von vielen beklagten Staus an mehreren Tagen führte. Die Reparaturen wurden in wenigen Tagen ausgeführt, dann rollte der Verkehr wieder. Und die planbaren Bauarbeiten werden in und zwischen den Verwaltungen koordiniert.

So haben wir im Frühjahr dieses Jahres entschieden, notwendige Bauarbeiten auf der B6 zwischen Aral-Tankstelle und Einmündung zur Poststraße um ein Jahr zu verschieben, weil auf der Rauhentalstraße noch gebaut wurde und sie deshalb als Umleitung nicht zur Verfügung stand.

Welche Pläne gibt es im Rathaus, um die Verkehrssituation in der Stadt zu entspannen?

Die Lage wird sich weiter entspannen, wenn im Frühjahr die Bauarbeiten auf der Dresdner Straße beendet sind. Auch der neue Kreisverkehr, der im Zuge der Erschließung für das neue Baugebiet an der Fabrikstraße entsteht, wird sich spürbar auf den Verkehrsfluss in der Stadt auswirken.

Ich setze mich aber auch dafür ein, den Durchgangsverkehr durch unsere Stadt zu reduzieren. Das ist möglich, wenn endlich eine Koordination der Verkehre im gesamten Großraum Dresden erfolgt. Denn es kann nicht sein, dass ein Unfall oder Hindernis auf der Autobahn dazu führt, dass der abfließende Verkehr dann die umliegenden Städte verstopft.

Wie lässt sich das vermeiden?

Durch eine intelligente Lenkung der Verkehrsströme. Gemeinsam mit der Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden wurde in Studien untersucht, wie der Verkehr zwischen den Autobahnen 13 und 4 sowie zwischen der A 14 und A 17 besser und vor allem so geführt werden kann, dass er Städte wie Meißen oder Wilsdruff meidet. In einem Schreiben an das zuständige Landesamt für Straßenbau und Verkehr [Lasuv, Anm. d. Red.] habe ich dieser Tage erneut gefordert, die vorliegenden Erkenntnisse auch praktisch umzusetzen – zum Beispiel durch eine entsprechende Beschilderung sowie eine zentrale Stelle zur Steuerung des Verkehrs je nach Situation.

"Nicht ausgeschlossen, dass Bürgerhaushalt angepasst wird"

Das Planfeststellungsverfahren für den Ausbau des Plossenanstiegs ist auch in diesem Jahr noch nicht abgeschlossen. Woran liegt es, dass die Landesdirektion mit der öffentlichen Präsentation der Ergebnisse so lange auf sich warten lässt?

Vom Beschluss am Ende des Planfeststellungsverfahrens erwarten alle Seiten und alle Beteiligten Rechtssicherheit. Das erfordert intensive Überprüfungen und Untersuchungen. Das alles braucht seine Zeit. Dazu gehört auch die Frage, wie sich Eingriffe in die Natur so gering und überschaubar wie möglich halten lassen, um nur mal eine der vielen zu klärenden Fragen herauszugreifen. Ich selbst habe mich dafür eingesetzt, dass eine im Vorfeld der Planungen ins Gespräch gebrachte Umleitungsstraße durch den Siebeneichener Park verworfen wird. Ich gehe davon aus, dass der Beschluss im Verlauf des ersten Halbjahres 2024 vorliegt. Sobald er in Meißen eintrifft, werde ich gemeinsam mit dem Lasuv als Bauherrn zu einer Einwohnerversammlung einladen.

Mit Einwohnerversammlungen aber auch Mängelmelder und Bürgerhaushalt bemüht sich die Stadt um mehr Bürgerbeteiligung. Sind Sie mit der Resonanz zufrieden?

Beim Plossenanstieg ist das Planfeststellungsverfahren ja dazu da, um Fragen im Zusammenhang mit diesem Projekt zu klären – und dazu gehören auch die Bedenken und Anregungen der Bürger. Das ist Bestandteil des Verfahrens. Mir liegt aber auch am Herzen, dass sich die Bürger in ihrer unmittelbaren Umgebung einbringen können – etwa über den Mängelmelder oder die Teilnahme an Online-Votings. Bei der Online-Befragung, die das Rathaus bei der Erarbeitung eines Einzelhandelskonzepts durchführt, sind bislang 700 Meldungen eingegangen. Das zeigt das Interesse, und es hilft der Verwaltung beim Planen.

Die vom Stadtrat beschlossene Leitlinie zur Bürgerbeteiligung beschränkt die infrage kommenden Projekte auf jährlich zehn, und der Bürgerhaushalt ist auf einen Euro je Einwohner gedeckelt. Warum diese Begrenzung?

Die eingebrachten Vorschläge sollen doch auch umgesetzt werden können. Die Vorschläge werden dann fachlich und finanziell geprüft und nach Bestätigung zur Ausführung gebracht. Im Bürgerhaushalt wurde auch auf die finanzielle Leistungsfähigkeit geachtet. Es ist nicht ausgeschlossen, dass dieser in den nächsten Jahren noch angepasst wird.

Bei der Bürgerbeteiligung bei ausgewählten Projekten sehe ich vor allem, Vorschläge der Bürgerinnen und Bürger zu erhalten, die entweder prioritär umgesetzt werden, oder in die weitere Arbeit der Stadt einfließen. Der Austausch darüber gibt uns in der Verwaltung auch die Möglichkeit, Zusammenhänge zu erklären – etwa, warum notwendige Bauarbeiten an einer bestimmten Straße jetzt nicht, sondern erst in einem oder zwei Jahren ausgeführt werden können. Der Grund könnte in der Abstimmung mit anderen Bauträgern wie den Stadtwerken liegen, um im Zuge der Bauarbeiten auch neue Beleuchtungen zu installieren oder Leitungen zu verlegen.

"Veranstalter haben Interesse an einem weiteren Hotel in Meißen"

Das Bild der Stadt prägen in diesem Jahr auch die Kräne auf dem Gelände des früheren Landkrankenhauses, wo eine weitere Brache verschwindet. Wie ist der Stand auf dem Areal der ehemaligen Konsumbäckerei?

Nachdem es in einem ersten Anlauf nicht gelungen war, das Areal zukunftsfähig zu gestalten, hat die Bauverwaltung mehrere Planungsbüros um Entwürfe zur Neugestaltung gebeten. Unsere Vorgabe lautete, ein Quartier mit Wohnungen für mehrere Altersgruppen, Freizeitmöglichkeiten und Räumen für Arztpraxen oder Kleingewerbe zu schaffen. Die Entwürfe haben wir den Experten in der Kommission für Architektur und Stadtgestaltung (KAS) vorgelegt. Die von ihr favorisierte Idee bildet die Grundlage für weitere Planungen, mit denen sich die Gremien im Stadtrat im nächsten Jahr befassen werden.

Ist es sinnvoll, „ins Blaue hinein“ und ohne einen Investor zu planen?

Der favorisierte Entwurf enthält Vorgaben zur Entwicklung des Areals, wie sie in einem normalen Bebauungsplanverfahren üblich sind. In der Kommission sind viele Experten, nicht nur für Architektur und Städtebau, vertreten. Mit ihrer Expertise haben sie der Stadt zu einer Entwurfsplanung für ein neues Quartier verholfen, das den gesamten Stadtteil Niederfähre/Vorbrücke aufwertet. Die Experten haben auch darauf geachtet, dass die von ihnen favorisierte Variante auch wirtschaftlich funktioniert.

Fehlt nur noch ein Investor…

Stimmen die Stadträte den Entwürfen zu, können wir über ein Ausschreibungsverfahren Investoren suchen. Als Mitglied im Vorstand des Deutschen Tourismusverbandes weiß ich, dass die Veranstalter von Busreisen großes Interesse daran haben, dass in unserer Stadt ein weiteres Hotel entsteht – eines, das Gäste aus mindestens zwei Bussen beherbergen kann. Und es gibt Interessenten, die das Areal der früheren Konsumbäckerei entwickeln möchten. Ich halte es für realistisch, dass hier ein Komplex mit Hotel sowie durchgrünter Wohnbebauung im Jahr unseres Stadtjubiläums 2029 eröffnet werden kann.

"Für das Kornhaus braucht es einen langen Atem"

Mit der Jahreswende sind es nur noch fünf Jahre bis zum 1.100-jährigen Stadtjubiläum. Ende 2023 ist die Stelle des Projektkoordinators noch immer vakant. Wird es nicht langsam knapp für die Vorbereitungen des Festjahres 2029?

Am 1. Januar 2024 ist diese wichtige Stelle wieder besetzt. Ich bin sicher, dass die weiteren Vorbereitungen für das Festjahr jetzt in guten Händen liegen.

Weit abgelegen ist das Obdachlosenheim im Triebischtal. Gibt es Ideen, etwas zur Verbesserung der Situation für die Menschen zu tun, die dort in einer Baracke aus DDR-Zeiten leben müssen?

Für jeden Betroffenen ist Obdachlosigkeit eine schlimme Situation. Hier Hilfen anzusetzen und Unterstützung in der jeweiligen Lebenssituation zu geben ist das vordergründige Ziel. Daher habe ich Familienamtsleiterin Katrin Nestler, Meißens Gleichstellungsbeauftragte Sabine Murcek und die Geschäftsführerin des stadteigenen Wohnungsunternehmens SEEG Birgit Richter gebeten, im Verein Obdachlosenbetreuung Meißen e.V. mitzuwirken.

Gemeinsam mit der Produktionsschule Moritzburg und dem Landkreis richten wir ein begleitetes Wohnprojekt für von Obdachlosigkeit betroffenen Menschen ein. Dessen Ziel ist es, den Menschen dabei zu helfen ihre derzeitige Lage zu verbessern und auch wieder eine feste Unterkunft für sie zu finden. Die Hilfe soll sich an den konkreten Erfordernissen orientieren und Wege zu Ämtern und Behörden ebnen.

Was blieb in diesem Jahr liegen?

Für das Kornhaus und den Hamburger Hof war vieles noch nicht klar. Kurz vor dem Jahresende hat die Hornsche Stiftung unter Leitung des Meißners Tom Lauerwald das Kornhaus erworben – das lässt mich hoffen, dass die Rettung gelingt und dass das Gebäude auf dem Burgberg eine Zukunft bekommt. Dazu braucht es einen langen Atem und viel Unterstützung auch vom Freistaat.

Beim Hamburger Hof ist das Problem, dass die Stadt nie Eigentümer des Gebäudekomplexes war. Über die Bauaufsicht und das Ordnungsamt sind wir permanent im Kontakt mit den Eigentümern, damit keine Gefahr für die allgemeine Sicherheit vom Gebäude ausgeht. Am Beginn des Jahres gibt es einen weiteren Gesprächstermin im Rathaus. Alles, was die Verwaltung tun kann, um dem Eigentümer beim Entwickeln von Konzepten zur Sanierung zu helfen, machen wir. Aber es liegt am Eigentümer, eine Nutzung zu finden, damit sich die notwendigen Investitionen refinanzieren lassen. Der Aufwand zur Rettung des Hamburger Hofes dürfte inzwischen bei mehreren Millionen Euro liegen.

"Momentan macht mir die Arbeit in Meißen viel Spaß"

Im nächsten Jahr wird ein neuer Stadtrat gewählt, und im Jahr darauf steht die Wahl eines neuen OBs in Meißen an. Sie sind dann 62 Jahre alt. Werden Sie noch einmal antreten?

Zunächst mal gilt es die vier im nächsten Jahr anstehenden Wahlen gut vorzubereiten und durchzuführen. Am 9. Juni werden außer dem Stadtrat auch der Kreistag und das Europäische Parlament neu gewählt. Und am 1.September stehen Landtagswahlen an. Ich denke, dass am Ende des nächsten Jahres der Zeitpunkt gekommen ist, über eine erneute Kandidatur zur OB-Wahl in Meißen nachzudenken und sich dazu zu äußern. Momentan macht mir die Arbeit in Meißen viel Spaß.

Worauf freuen Sie sich im Jahr 2024?

Ich freue mich auf die Entstehung des neuen Stadtteils an der Fabrikstraße, endlich wieder Angebote zu haben für Familien, die in Meißen bauen wollen, auf den Bau des Familientierparks und auf die vielfältigen Kulturangebote in unserer Stadt.

Das Gespräch führte Harald Daßler.