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„Politik ist nicht Sache der Alten“

Was denken junge Leute, die zum ersten Mal wählen. Eine Mitschülerin hat Freunde und Klassenkameraden gefragt.

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Mick, Annalena und Artur vor dem Gymnasium in Coswig. Drei von fünf Schülern, die sich Gedanken vor der Bundestagswahl machen
und nicht mit Kritik hinterm Berg halten.
Mick, Annalena und Artur vor dem Gymnasium in Coswig. Drei von fünf Schülern, die sich Gedanken vor der Bundestagswahl machen und nicht mit Kritik hinterm Berg halten. © Arvid Müller

Von Paula Busch

Am Wochenende wird gewählt. Es ist die erste wichtige Wahl für viele Jugendliche in Radebeul, Coswig, Weinböhla, Meißen und Umgebung. Gibt es in diesem Jahr eine verstärkte politische Diskussion unter Erstwählern? Ich bin 18 Jahre alt und habe einige meiner Freunde und Bekannten zu politischen Themen befragt.

Wie informierst Du Dich politisch und wie intensiv?

Annalena (19), Abiturientin aus Weinböhla: Hauptsächlich über die sozialen Netzwerke, hierbei bevorzugt Instagram und YouTube. Dabei folge ich zahlreichen Accounts des ‚Funk Kollektives‘. Außerdem verfolge ich die ‚Tagesschau‘ und andere Nachrichten Seiten.

Eine meiner Lieblingsinformationsquellen ist die Instagram Seite ‚nachhaltig.kritisch‘. Diese Seite fasst zum Beispiel die Wahlprogramme der einzelnen Parteien in Bezug auf ihre Umweltpolitik zusammen. Außerdem habe ich das Kanzler-Triell angesehen und die Video Reihen von ‚MrWissen2go‘ und ‚Die da oben‘. Letztere befasst sich mit den Wahlversprechen der Parteien für Menschen unter dreißig.

Auch der „Wahl-O-Mat“ wurde befragt. Ich informiere mich intensiv über politische Inhalte. Vor einer Wahl stärker als im restlichen Jahr.

Denkst Du, Leute in unserem Alter interessieren sich heute mehr für Politik als noch vor fünf bis sechs Jahren?

Annalena (19): Ich denke schon, dass auch das allgemeine Politikinteresse gestiegen ist. Der Klimawandel, die Rentenpreise oder die steigenden Mietpreise. Das sind alles Themen, die vorrangig die jüngere Generation betreffen. Ohne das steigende politische Interesse der Jüngeren würde diese Altersgruppe von der Politik benachteiligt werden.

Des Weiteren wird Politik leichter zugänglich gemacht. Viele Parteien haben eigene Kanäle in den sozialen Netzwerken und zum Beispiel das oben genannte Medienkollektiv ‚Funk‘ setzt seinen Schwerpunkt auch auf unsere Altersgruppe. So gelingt es, schwierige politische Themen, kompakt und verständlich weiterzugeben.“

Botond (20), Schüler aus Radebeul: Definitiv nicht. Die Leute informieren sich nicht genug oder nicht richtig. Ich finde auch, dass man erst ab 21 Jahren wählen können sollte, weil die meisten Leute keine Ahnung von Politik oder internationalen Nachrichten haben.

Louis (18), Schüler aus Meißen: Das Interesse der Jugendlichen an politischem Geschehen ist durchaus gestiegen, da die Politik nicht mehr ausschließlich Sache der ‚Alten‘ ist und nun wie niemals zuvor die jungen Menschen betrifft; zum Beispiel in Hinsicht auf den Klimawandel.

Fühlst du dich durch den aktuellen Bundestag vertreten?

Annalena (19): Nein, ich fühle mich leider gar nicht gut vertreten. Das liegt zum Einen daran, dass ständig neue Fälle von Lobbyismus aufgedeckt werden und somit mein Vertrauen in eine neutrale und fundamentiert wissenschaftliche Entscheidung sinkt. Zum anderen wird leider viel zu wenig für den Klimaschutz, die Digitalisierung oder für Pflegekräfte getan.

Ich finde es peinlich, dass während der Corona Pandemie die Gesundheitsämter mittels Faxgeräten miteinander kommuniziert haben, während gleichzeitig die Verantwortlichen über 10.000€ monatlich verdienen. Ich würde mir einen Bundestag wünschen, in dem sachlich über die optimale Lösung für den Großteil aller Deutschen diskutiert wird, und indem Privatinteressen zweitrangig bleiben.

Botond (20), Schüler aus Radebeul: Ich fühle mich von keiner Partei oder dem Bundestag wirklich vertreten. Warum, das weiß ich nicht wirklich.

Artur (18), Abiturient aus Radebeul: Durch den aktuellen Bundestag fühle ich mich leider kaum vertreten, da ich das Gefühl habe, dass gerade Themen, welche die jungen Leute betreffen, von den Politikern nicht genügend Beachtung bekommen. Ein weiteres großes Problem ist meiner Meinung nach die starke Lobbyarbeit in der Politik. Kann man es von Abgeordneten des Bundestages, welche Diäten von über 10.000 Euro beziehen denn nicht erwarten, dass sie ‚unbestechlich‘ und neutral agieren sollten?

Des Weiteren fühlt es sich für mich so an, als ob wahllos irgendwelche Politiker in Ämter eingesetzt werden, obwohl sie nicht die geringste Ahnung davon haben, was sie tun. Beispielsweise Andreas Scheuer oder auch Julia Klöckner stechen da besonders hervor.

Mick (19), Abiturient aus Coswig: Ich fühle mich von den Parteien im Bundestag nicht gut vertreten. Ich habe das Gefühl, dass Prioritäten an den falschen Stellen gesetzt werden und dadurch Themen wie öffentliche Verkehrsmittel oder Klimaschutz übersehen werden. Viele Aussagen und Konzepte in Bezug auf digitale Medien gehen meiner Meinung nach weit an der Praxis vorbei.

Corona Maßnahmen sind zu kompliziert und schwer nachvollziehbar. Oft trage ich beispielsweise eine Maske, weil alle anderen es tun, ohne dass ich die aktuellen Bestimmungen im Detail kenne. Auflagen erscheinen mir oft nicht gut zwischen verschiedenen Lebensbereichen ausbalanciert. Ich erhoffe mir in diesen Punkten eine Besserung nach der anstehenden Wahl.

Louis (18): Natürlich - der Bundestag vertritt jeden Deutschen Staatsbürger und wurde rechtmäßig von diesen gewählt. Die vorhandenen Parteien und deren Stärke entsprechen sicher nicht meiner Vorstellung, jedoch wird sich dies ja nun bald ändern.

Hast du Verbesserungsvorschläge und Ideen für deine Stadt und deinen Landkreis?

Annalena (19): Speziell in Weinböhla finde ich es sehr schade, dass die Versieglung des Bodens so rasant voranschreitet. Ich wünsche mir mehr grüne Ausgleichsflächen an Stelle der Immobilien, Mietshäuser statt Eigenheime.

Des Weiteren wäre es schön, wenn im Ort der Ausbau von Schallschutzmauern vorangetrieben werden würde. Leider ist die Arbeit des Stadtrates und des Bürgermeisters nicht besonders transparent. Auch hier wünsche ich mir Veränderungen.

Es wäre auch schön, die Bürger mehr über die Gestaltung der Gemeinde mitbestimmen zu lassen. Das könnte durch gelegentliche Bürgerentscheide verwirklicht werden. Dasselbe gilt natürlich auch für den gesamten Landkreis.

Als letzten Punkt möchte ich darauf aufmerksam machen, dass viel Geld in die Hand genommen wird, um meine Stadt attraktiv für Familien mit Kindern zu machen. Sind diese Kinder dann aber im Alter zwischen 13 und 18 fehlen leider die Angebote. Es gibt keinen Jugendclub, kein Kino oder andere Einrichtungen, in denen sich die Jugendlichen treffen können. So sitzen viele bei der Sporthalle, am Bahnhof oder laufen durch die Straßen. Ich denke, dieser Zustand ist für niemanden optimal.“

Botond (20): Nein, das sollten wir den ‚Profis‘ überlassen, ich wüsste nicht, wie man so etwas richtig macht.

Artur (18): Eine gute Verbesserungsmöglichkeit wäre meiner Meinung nach, die bundesweite Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre, da sich so die Politik stärker auf die Bedürfnisse der jungen Bevölkerung ausrichten müsste. Für meine Stadt Radebeul und den Landkreis wäre es beispielsweise gut, wenn sich die Politiker Zeit nehmen würden, um mit der jungen Bevölkerung ins Gespräch zu kommen.“

Wird momentan in deiner Familie mehr politisch diskutiert als vor Corona?

Artur (18): Na ja, es ist ja logisch, dass man sich im Familiengespräch über die aktuelle Coronapolitik austauscht. Aber es bleibt ja auch zu beachten, dass momentan der Wahlkampf für die Bundestagswahl stattfindet und somit politische Themen auch immer mehr in den Fokus gerückt werden und darüber unterhält man sich im Kreise der Familie auch. Also ja, in meiner Familie wird gerade mehr über Politik diskutiert als vor Corona, dies ist aber meiner Meinung nach auf die aktuell allgegenwärtig präsente Politik zurückzuführen.

Botond (20): In meiner Familie haben wir schon immer über viele verschiedene Themen diskutiert