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Retter registrieren viele Radunfälle im Kreis Meißen - immer öfter sind Drogen im Spiel

Sommerzeit ist Radfahrzeit. Doch einige Radfahrer beenden ihre Tour im Krankenhaus, auch weil Schutzstreifen falsche Sicherheit vermitteln.

Von Ines Mallek-Klein
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Auf der Meißner Straße in Radebeul gibt es einen Radstreifen. Er gibt Orientierung, verspricht aber nicht per se mehr Sicherheit für Radler.
Auf der Meißner Straße in Radebeul gibt es einen Radstreifen. Er gibt Orientierung, verspricht aber nicht per se mehr Sicherheit für Radler. © Claudia Hübschmann

Meißen. Radebeul, 13. Juli, 13.05 Uhr. Ein 74-jähriger Radfahrer wird auf der Meißner Straße von einem Toyota Yaris erfasst. Thiendorf, 2. Juli, 17.45 Uhr. Eine 13-Jährige kollidierte auf der Pilgerstraße beim Linksabbiegen mit einem VW Passat und wurde schwer verletzt. Großenhain, 1. Juli, 23.15 Uhr: Der 42-jährige Fahrer eines Mercedes-Kleintransporters war in Richtung Kalkreuth unterwegs, als er mit seinem Fahrzeug einen in gleicher Richtung fahrenden 18-jährigen E-Bike-Fahrer erfasste und schwer verletzte. Der Radfahrer erlag im Krankenhaus seinen Verletzungen. Riesa, 9. Mai 2023, 11.13 Uhr: Eine 86-Jährige war mit dem Rad auf der Chemnitzer Straße unterwegs. An der Kreuzung Rostocker Straße stieß sie mit einem Peugeot 207 zusammen, der von links kam.

Es sind nur einige wenige Auszüge aus den Polizeiberichten der vergangenen Tage und Woche. Kaum ein Tag, in dem kein Radunfall dort Eingang findet. Und doch sprechen die Experten nicht von einer dramatischen Zunahme der Radunfälle. Sie bleiben - und das ist auch nicht beruhigend - auf anhaltend hohem Niveau, sagt Verkehrsforscherin Bettina Schröter. Sie beschäftigt sich an der Fakultät der Verkehrswissenschaften der TU Dresden mit dem Radverkehr. Das Ziel: Für Radfahrer soll die Sicherheit durch neue Konzepte erhöht werden. Doch das erweise sich oft schwerer als gedacht, denn man greife mehrheitlich in bestehende Infrastruktur ein und arbeite gegen die Zeit, so die Forscherin.

Auch sie greift für ihre Arbeit auf die Unfallstatistik zu, die allerdings nicht ganz vollständig ist, denn E-Bikes, die bis zu 45 Stundenkilometer schnell und kennzeichnungspflichtig sind, tauchen in der Spalte der Radunfälle nicht mit auf. Sie werden den motorisierten Zweirädern zugerechnet. Seit 2014 finden immerhin alle Unfälle mit Pedelecs Eingang in die Statistik. Sie machen mehr als 90 Prozent der motorisierten Räder aus, werden gerne auch von älteren Radfahrern genutzt und verunfallen zunehmend häufiger.

Zu schnell, zu high

Die Polizeidirektion Dresden hat im ersten Halbjahr 2023 insgesamt 988 Unfälle registriert, an denen Radfahrer beteiligt waren, 165 davon fanden im Landkreis Meißen statt. Damit bewege man sich in gleichbleibend hohen Niveau auf den Werten von 2022 und 2020. Nur 2021 gab es, maßgeblich pandemiebedingt mit Mobilitätseinschränkungen, eine kleine Delle in der Statistik. Da wurden in den ersten sechs Monaten 718 Unfälle für das gesamte Gebiet der Polizeidirektion gezählt und 119 für den Landkreis Meißen.

Pedelecs spielen in etwa einem Drittel der Fahrradunfälle mit Verletzten eine Rolle. Verkehrsunfallforscher wie Bettina Schröter beobachten dabei zwei Trends. Zum einen spielen die Konflikte von Radfahrern untereinander eine immer größere Rolle, auch weil sie mit und ohne Motorisierung unterwegs sind und damit sehr unterschiedliche Geschwindigkeiten erreichen. Zum anderen können Autofahrer die Geschwindigkeiten gerade von Pedelecs und auch E-Bikes leicht unterschätzen.

Die häufigste Unfallursache sind aber Vorfahrts- und Vorrangfehler, die hauptsächlich von Autofahrern begangen werden. Eine wachsende Rolle spielt aber auch die Geschwindigkeit. Wurden 2022 nur 55 Unfälle in den ersten sechs Monaten gezählt, bei denen die Radler zu schnell unterwegs waren, sind es in diesem Jahr schon 65. Immer öfter treffen die Retter aber auch auf Radfahrer, die unter Alkohol- und Drogeneinfluss stehen. 58 Mal war das in diesem Jahr kreisweit schon der Fall.

Je schneller, desto schwerer die Verletzungen

Die Zahl der Radfahrer wächst und damit wird es enger auf den Straßen, aber auch auf den Radwegen. Die sind, so schreiben es die Empfehlungen für Radverkehrsanlagen, kurz ERA, vor, standardisiert zwei Meter breit. Zu schmal, findet Verkehrsforscherin Schröter. Mindestens 2,30 Meter sollen neugebaute Radwege künftig sein, um Überholvorgänge zu erleichtern und auch den breiteren Lastenrädern gerecht zu werden. Mindestens 2,50 Meter sieht die Fortschreibung der ERA auf hochrangigen Radverkehrsverbindungen vor. Doch der Bau von Radwegen dauert - oft viele Jahre.

Um schnelle Lösungen zu schaffen, werden auf den Straßen Radschutzstreifen angelegt. Sie sind dann zugelassen, wenn beispielsweise die Höchstgeschwindigkeit bei 50 Stundenkilometer liegt und nicht mehr als 1.200 Autos pro Stunde die Strecke befahren. Doch die Radschutzstreifen vermitteln oft eine trügerische Sicherheit, sagt Verkehrsexpertin Schröter. "Er verleitet Autofahrer dazu, Radfahrer an Stellen zu überholen, an denen man das sonst nicht täte", so Bettina Schröter. Eine Alternative sei, die Radfahrer in den normalen Straßenverkehr einzubinden. Dann müsste aber, nicht nur um das subjektive Sicherheitsgefühl zu erhöhen, die Geschwindigkeit der Autos auf 30 Stundenkilometer gedrosselt werden. Denn eines ist auch nachgewiesen, je schneller die an Unfällen beteiligten Verkehrsteilnehmer unterwegs sind, desto schwerer sind die Verletzungen. Das erkläre auch die große Zahl an schwerstverletzten Pedelecfahrern.