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Sturmschäden in Meißen: "Gesunde Bäume kippen einfach um"

Der Sturm am Freitagabend sorgte in Meißen für einige Schäden. Ein Dach und einen Baum hatte es besonders schlimm erwischt.

Von Andre Schramm
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Die "Pohlack-Linde" hinter der Frauenkirche hat den Sturm am Freitag nicht überstanden.
Die "Pohlack-Linde" hinter der Frauenkirche hat den Sturm am Freitag nicht überstanden. © Claudia Hübschmann

Meißen. "Diese Linde wird auch noch in 100 Jahren die Erinnerung wachhalten." Der Wunsch des inzwischen verstorbenen Meißner Oberbürgermeisters a.D. Thomas Pohlack ging leider nicht in Erfüllung. Er hatte den Baum am 2. Oktober 2000, kurz vor dem zehnten Jahrestag der Deutschen Einheit, zusammen mit den Meißnern hinter der Frauenkirche gepflanzt. Den Sturm am Freitagabend hat die "Pohlack-Linde" nicht überlebt. Sie stürzte um, Richtung Norden. Personen kamen dabei glücklicherweise nicht zu Schaden. Auch die Sachschäden hielten sich in Grenzen. Eine Sitzbank wurde unter dem Stamm begraben. Inwieweit sie in Mitleidenschaft gezogen wurde, ließ sich am Montag noch nicht beurteilen. Die Anwohner fragen sich allerdings, wie es einen offensichtlich gesunden Baum derart entwurzeln kann. Man vermutet einen Zusammenhang mit der Neugestaltung des Platzes vor reichlich zwei Jahren.

"Bei näher Betrachtung kann man sagen, dass ein Baum ohne ausreichende Wurzeln einem Sturm nicht Stand hält. Hier wurden beim Bau des Platzes die Wurzeln gekappt. Die restlichen hat man in einen Betonring gepfercht und zu guter Letzt die Senke mit Mineralstoffgemisch aufgefüllt. Der Baum hatte keine Chance einen Wurzelteller auszubilden", schrieb uns ein Anwohner. Tatsächlich waren am Montag faustdicke Wurzeln mit älteren Schnittstellen zu sehen. Das Areal zwischen Tuchmachertor und Frauenkirche scheint jedenfalls wenig prädestiniert für Bäume zu sein. Vor der Pohlack-Linde hatte es eine alte Eiche erwischt. Sie war damals durch einen Blitzeinschlag völlig zerstört worden.

Eine ältere Schnittstelle an der Wurzel. Sie könnte erklären, warum die offensichtlich gesunde Linde einfach so umgestürzt ist.
Eine ältere Schnittstelle an der Wurzel. Sie könnte erklären, warum die offensichtlich gesunde Linde einfach so umgestürzt ist. © Claudia Hübschmann

Dachschaden größer als gedacht

Ortswechsel: Vom Innenhof der Roten Schule aus offenbarte sich am Montag das ganze Ausmaß der Schäden am Stadtmuseum. Der Sturm hatte Teile des Daches abgedeckt und ein beachtliches Loch hinterlassen. "Die Stelle ist etwa 30 Quadratmeter groß", sagte Dachdeckermeister Roberto Heilscher gegenüber der SZ. Er und seine vier Kollegen waren am Montag zur Notsicherung angerückt. Zuvor hatte der Handwerker eine Drohne aufsteigen lassen, um sich ein genaues Bild von dem Ausmaß der Schäden zu machen. Und die sind beträchtlich. So gibt es auf der Franziskanerklosterkirche weitere sanierungsbedürftige Stellen, die auf den ersten Blick nicht zu sehen waren. "Die Dachziegel unmittelbar über der Dachrinne sind hinüber", erzählt der Experte weiter. Wahrscheinlich müsse man nun bis dahin neu decken. In diesem Fall kämen etwa weitere 20 Quadratmeter hinzu.

Der Dachschaden am Stadtmuseum. Der herabstürzenden Dachziegel sorgten auch für Kollateralschäden weiter unten.
Der Dachschaden am Stadtmuseum. Der herabstürzenden Dachziegel sorgten auch für Kollateralschäden weiter unten. © Claudia Hübschmann

Verbaut wurden Biberschwänze, offensichtlich aus tschechischer Produktion. Ob man diese noch bekommt, sei die große Frage. Zur Not müsse man sie anfertigen lassen, sagt der Handwerker. Zuletzt wurde das Dach im Jahr 1991 gemacht. "Die Kollegen haben hier gut gearbeitet. Da gibt es nichts zu beanstanden", sagt Heilscher, während er die Mörtelstelle eines abgestürzten Dachziegels zeigt.

Ein Problem seien die Wetterextreme. "Ich kann mich nicht erinnern, dass es früher Tornados in Deutschland gab", sagt er. Die Dächer im Landesinneren hielten in der Regel Geschwindigkeiten von 80 bis 100 km/h problemlos stand. Alles, was wesentlich darüber hinausgehe, sei problematisch. "Hat der Sturm eine Angriffsstelle, dann war's das", meint der Experte. "Dort, wo der Wind frontal auftrifft, passiert meistens nichts. Die Verwirbelungen auf den Rückseiten sind das Problem", erklärt der Dachdeckermeister weiter. Die Hitze im Dachstuhl hätte das Ganze noch begünstigt. Die Kosten für die Reparatur belaufe sich seinen Schätzungen nach auf 30.000 bis 50.000 Euro.

Die herabstürzenden Dachziegel sorgten auch im näheren Umfeld für Kollateralschäden. Neben Dachrinne, Schneefang und Blitzableiter wurde ein anderes Dach weiter unten beschädigt. Außerdem ging ein Fenster zu Bruch.

Etwa 2,5 Tonnen Schutt müssen nun zunächst eingesammelt und entsorgt werden. Gleichzeitig soll die Dachlattung mit einer Plane abgedeckt werden. Die Begutachtung durch die Versicherung und die Reparatur – die Folgen des Sturmfreitags werden Stadtverwaltung und Handwerker noch einige Zeit beschäftigen. Dabei haben die Dachdecker derzeit genug zu tun. "Wir müssten eigentlich das Dach am ICM weiterdecken. Uns fehlen einfach die Leute", sagt Heilscher. Der Museumsbetrieb ist SZ-Informationen zufolge nicht eingeschränkt.

Gesunde Bäume fallen plötzlich um

Für die Freiwillige Feuerwehr Meißen war das Wochenende dementsprechend ereignisreich. 15 von insgesamt 25 Einsätzen standen im Zusammenhang mit dem Sturm. Die erste Meldung ging am Freitagabend um 22.13 Uhr ein. Die Kameraden rückten wenig später aus, um umgestürzte Pappeln auf der Niederauer Straße zu beseitigen. Bei den meisten Fällen ging es darum, umgestürzte Bäume und Geäst zu beseitigen. So waren beispielsweise auf der Freiheit vier Fahrzeuge durch herabfallende Äste beschädigt worden. Am Albert-Mücke-Ring lehnte ein Baum gegen eine Hauswand. Nassauweg, Großenhainer Straße, Kynastweg und Heinrichsplatz waren weitere Einsatzorte. "Obwohl wir schon schlimmere und längere Unwetter erlebt haben, sind dieses Mal auffällig viele Bäume umgestürzt, die augenscheinlich gesund waren", sagte Wehrleiter Frank Fischer. Er habe dafür keine vernünftige Erklärung. Möglicherweise ist das eine Folge der zurückliegenden trockenen Jahre.

Die Freiwillige Feuerwehr Meißen ist dieses Jahr ohnehin schon so oft gefragt, wie noch nie. "164 Einsätze und die Hälfte des Jahres ist noch nicht einmal um", sagte Fischer. Im letzten Jahr rückten die Kameraden insgesamt 334 Mal aus.