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Mieter fürchten um ihr Haus

Noch steht nicht fest, wohin Freital seine neue Feuerwache baut. Doch schon gibt es Ärger - ausgerechnet mit Familien, die der Wehr eng verbunden sind.

Von Annett Heyse
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Die Anwohner der beiden Häuser an der Feuerwache wollen dort wohnen bleiben.
Die Anwohner der beiden Häuser an der Feuerwache wollen dort wohnen bleiben. © Egbert Kamprath

Es ist ein lauer Frühsommerabend, doch die Ruhe, die mitten in Freital etwas abseits der Dresdner Straße eingezogen ist, können sie momentan nicht so richtig genießen. Verärgert seien sie. Geschockt. Traurig. Verunsichert. "Das war für uns ein Schlag ins Gesicht. Ich bin sehr enttäuscht", sagt eine aus der Gruppe.

Es geht um die Mieter der Wohnungen Am Glaswerk 1 und 5 sowie 5a. Die beiden Häuser, eines davon mit zwei Eingängen, stehen gleich neben der Feuerwache Döhlen. Und um die ist eine Diskussion entbrannt, die auch die 15 Ein- bis Dreiraumwohnungen Wohnungen betrifft. 

Die Gebäude könnten nämlich in naher Zukunft einer Erweiterung der Feuerwache im Weg stehen. Fest steht das zwar noch lange nicht, vieles ist noch in der Diskussion, doch bei den Mietern schrillen die Alarmglocken. "Wir haben keine Lust, auszuziehen", sagen sie. Sie haben an die Stadträte und die Verwaltung einen Protestbrief geschrieben und eine Unterschriftensammlung dazugelegt. "So kann man doch nicht mit uns umgehen", schimpft eine Rentnerin, die seit mehr als 60 Jahren dort wohnt. 

Ausgelöst hatte die Debatte Oberbürgermeister Uwe Rumberg (CDU) Anfang Mai. In einer Sitzung des Stadtrates brachte er eine Beschlussvorlage ein. Die betraf das Feuerwehrgelände und ein benachbartes Autohaus mit Werkstatt. Der Plan war, das Autohaus-Grundstück für 470.000 Euro zu kaufen, um es in naher Zukunft in einen großen Feuerwache-Neubau einzubeziehen. Um mehr ging es erst einmal nicht. Allerdings gab es noch eine zweite Beschlussvorlage. 

© SZ Grafik

Diese sah vor, einen Planungswettbewerb auszuloben, um das beste Konzept für das neue Depot zu finden. Der Vorlage beigefügt war ein Luftbild mit den Umrissen das zukünftigen Feuerwehrgeländes. Innerhalb einer roten Strichellinie liegen auch die beiden Wohnhäuser.  

Häuser von Feuerwehrmännern gebaut

Maik Wörzberger ist einer der Mieter. Er ist auch Feuerwehrmann und erst vor einem Jahr neben die Wache gezogen. Ein weiterer Kamerad wohnt seit Oktober 2019 dort. Zuvor wurden die Wohnungen vom Eigentümer, der Wohnungsgesellschaft Freital (WGF), gründlich renoviert. "Natürlich brauchen wir eine neue Wache. Aber dafür die Häuser abzureißen, ist für uns nicht hinnehmbar", sagt Wörzberger.

Neben dem Verlust an guter Bausubstanz und preiswertem Wohnraum in innerstädtischer Lage geht es den Mietern auch um die mentale Verbundenheit mit ihrem Zuhause. Haus Nummer fünf wurde 1927 errichtet - von Feuerwehrleuten, die nahe der Wache wohnen wollten, um bei Alarm schnell ausrücken zu können. Ingrid Döring, inzwischen 82 Jahre alt, hat ihr ganzes Leben hier verbracht. "Mein Vater war bei der Wehr, meine Kinder, meine Enkel", berichtet sie. Jetzt ist sie 82 und kann sich nicht vorstellen, auszuziehen. "Das würde mir sehr, sehr schwer fallen." 

Es gibt noch einen Plan B

Von einem Auszug sei derzeit gar keine Rede, beschwichtigt Henryk Eismann. Er ist Geschäftsführer der Wohnungsgesellschaft Freital. Wenn seine Mieter kritisieren, man habe mit ihnen nicht über das Problem gesprochen, kann Eismann nur entgegenhalten: "Es gibt keine Entscheidung, ob die neue Feuerwache dort überhaupt gebaut wird. Es steht auch gar nicht fest, dass dabei die Wohnhäuser abgerissen werden." Die Stadtverwaltung sei an ihn in dieser Angelegenheit noch gar nicht herangetreten. Eismann: "Worüber soll ich mit den Mietern denn reden?"

Tatsächlich ist alles offen. Denn im Rathaus und auch bei den Stadträten, die letztendlich über den Standort entscheiden, gibt es noch ein zweites Szenario. Demnach könnte die Wache auch hinter der Araltankstelle gebaut werden. Das Gelände ist sogar größer als am jetzigen Standort. In einer Standortanalyse, die die Stadt 2018 anfertigen ließ, schnitt besagtes Grundstück am besten ab. 

Allerdings möchte der Eigentümer dem Vernehmen nach 1,2 Millionen Euro für die 12.000 Quadratmeter haben. Auf diesen stehen alte Fabrikhallen, die Stadt vermutet zudem Altlasten im Boden. Allein die Vorbereitungen für den Bau hinter der Tankstelle werden teuer und langwierig. Jedoch hätte das Gelände auch einen Vorteil: Die Stadt könnte darauf bauen, ohne die Wache in ein Interimsquartier umziehen lassen zu müssen. 

Hinter den Kulissen diskutieren nun die Stadträte über beide Varianten. Es gilt, alle Vor- und Nachteile abzuwägen. Der Aspekt mit den beiden Wohnhäusern ist dabei nur einer unter vielen. Aus diesem Grund, heißt es aus dem Rathaus, habe man mit den Mietern auch noch nicht gesprochen. "Überdies darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass es selbst mit dem geplanten Ankauf des Autohaus-Grundstückes keine Detail-Planung für den Gesamtstandort und die Wohnhäuser und deren Zukunft gegeben hätte. Dies sollte erst in einem nächsten Schritt untersucht werden", teilt Oberbürgermeister Uwe Rumberg (CDU) mit.

Erfahrung mit Umsiedlung von Mietern

Doch die Mieter finden allein die Gedankenspiele beunruhigend. Was, wenn sie wirklich ausziehen müssen - nicht heute oder morgen, aber in ein paar Jahren? Mit Umsiedlungen von Mietern kennt man sich bei der WGF durchaus aus. Seit der Flut 2002 wurden rund 1.200 WGF-Wohungen in Freital abgerissen, zum Beispiel auch die Häuser gegenüber dem Glaswerk zwischen Dresdner Straße und Albert-Schweitzer-Straße. 

"Damals haben wir auch keinen Mieter einfach aus seiner Wohnung geworfen, sondern Alternativen angeboten", berichtet der WGF-Geschäftsführer. Sollten die Häuser neben der Feuerwehr tatsächlich abgerissen werden, stünden auch im unmittelbaren Umfeld Wohnungen zur Verfügung. Eismann: "Es gibt da immer wieder freie Wohnungen. Wir werden niemanden im Regen stehen lassen."

Das verspricht man auch bei der Stadtverwaltung. Rumberg: "Wir wissen um die jahrelange Einsatzbereitschaft der Mieter in unserer Feuerwehr. Dafür sind wir sehr dankbar und zollen dieser Leistung Respekt." Im Übrigen gehe man derzeit von mindestens sieben Jahren aus, um das Projekt Feuerwache umzusetzen - an welchem Standort auch immer.