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Kommunal oder privat - wie fährt der Busverkehr besser?

Zur Jahrtausendwende war Privatisierung beim Nahverkehr angesagt. Inzwischen gibt's daran Zweifel - wie Beispiele aus dem Kreis Görlitz und Brandenburg zeigen.

Von Anja Beutler
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Steigen die Fahrgäste im Kreis Görlitz künftig in Busse privater Unternehmen oder in die kreiseigener Gesellschaften?
Steigen die Fahrgäste im Kreis Görlitz künftig in Busse privater Unternehmen oder in die kreiseigener Gesellschaften? © André Schulze

Als 2004 der Landkreis Löbau-Zittau sein Verkehrsunternehmen und damit seinen Busverkehr an einen Großkonzern verkaufte, fühlte sich das gut an: "Es war ein Befreiungsschlag für unsere Haushaltskonsolidierung", erinnert sich Matthias Schwarzbach, der als Dezernent damals den Verkauf mit vorbereitet hat. "Wir wollten eine schwarze Null und ohne die erheblichen Zuschüsse wirtschaften, die den Haushalt belasteten", erinnert er sich. Damals sei man ohnehin davon ausgegangen, dass ein Privater viel besser einen Busverkehr betreiben könne als der Kreis selbst. Der wollte nämlich künftig nur noch die Verkehrszuschüsse von Bund und Land an die beauftragte Firma weiterreichen und aller Sorgen ledig sein.

So wie Löbau-Zittau, heute Südteil des Kreises Görlitz, dachte man damals vielerorts - auch in Bautzen oder in der Stadt Görlitz schlug die Privatisierungswelle zu. Bundesweit, so schätzt der Fahrgastverband Pro Bahn, ist der Busverkehr - abgesehen von reinen Großstadtverkehren - seither vorrangig in privater Hand.

Knapp 20 Jahre später ist der finanzielle Effekt verraucht und die Kehrseiten der Privatisierung sind sichtbar: aufwendige Ausschreibungen bei nach wie vor knapper Finanzierung stehen mitunter nur geringen Einflussmöglichkeiten bei Problemen gegenüber. Das lässt eine Rekommunalisierung des öffentlichen Nahverkehrs wieder attraktiv erscheinen. In der Tat haben die Stadt Görlitz und zwei Nachbarkreise in Südbrandenburg die Privatisierung zurückgedreht, was an langfristigen, aber auch ganz neuen Entwicklungen liegt:

Stadt Görlitz rekommunalisiert Stadtverkehr

Görlitz ohne die Straßenbahn - das ist emotional und ganz praktisch im alltäglichen Verkehr kaum denkbar. 2019 hat sich Görlitz den Stadtverkehr deshalb wieder zurückgeholt: 18 Jahre nach der Privatisierung beschloss der Stadtrat im Juni 2016, Straßenbahn und Busse unter der neuen städtischen Tochtergesellschaft Görlitzer Verkehrsbetriebe (GVB) zu vereinen. Mehrere Gründe führten damals unter Oberbürgermeister Siegfried Deinege zu diesem Schritt: Zum einen fürchtete Görlitz, die Straßenbahn könne bei all dem Investitionsstau, der sich angesammelt hatte, künftig wegfallen und - kostengünstiger - durch Busse ersetzt werden. Außerdem wollte sich Görlitz wieder mehr Einfluss auf den Nahverkehr sichern und endlich in neue Bahnen investieren. Denn das, so betont der frühere OB Deinege auch heute noch, habe der beauftragte Großkonzern - erst Veolia, dann Transdev - nicht getan. "Wir sind mit uralten Bahnen nur mit Ausnahmegenehmigung gefahren", skizziert er die Konsequenz.

Nun muss die Stadt tiefer in die Tasche greifen: Bis zur Übernahme zahlte Görlitz jährlich einen Zuschuss von rund 2,1 Million Euro. 2021 und 2022 waren es je rund 3,5 Millionen Euro. Immerhin hat die Stadt als Eigentümer des Stadtverkehrs aber bei Förderprogrammen größere Möglichkeiten - und Glück. Größter Coup des jetzigen Oberbürgermeisters Octavian Ursu: Die Stadt hat den Zuschlag für 68 Millionen Euro aus dem Strukturwandel-Fonds erhalten und will damit im Nahverkehr mit einer runderneuerten Straßenbahn ein Modellprojekt entstehen lassen. Deineges Fazit heute deshalb: "Ich würde das wieder machen", sagt er auf SZ-Nachfrage.

Brandenburger Landkreise holen Nahverkehr zurück

Die Weichen neu gestellt haben die brandenburgischen Landkreise direkt an der Grenze zu Sachsen: Seit Juni ist klar, dass der Landkreis Oberspreewald-Lausitz ab 2027 den Busverkehr selbst übernehmen wird. Eine Verkehrsgesellschaft am Kreissitz in Senftenberg gibt es bereits, sie hatte bislang Managementaufgaben inne. Künftig sollen auch Infrastruktur und Fahrzeuge wieder beim Kreis sein, schildert die zuständige Kreisdezernentin Grit Klug. Anstoß für die Entscheidung ist die seit 2021 geltende EU-Vorgabe, die "Clean Vehicles Directive" - auf Deutsch heißt sie etwas sperrig "Sauberes-Fahrzeuge-Beschaffungsgesetz". Sie schreibt vor, dass bis 2030 mindestens 65 Prozent "saubere Busse" fahren müssen.

Dieses Gesetz hat auch im Spree-Neiße-Kreis am Verwaltungssitz in Forst die Köpfe rauchen lassen: 2025 läuft der Vertrag mit dem privaten Unternehmen DB Regio Bus Ost aus, das derzeit weit mehr als die Hälfte des Busnetzes bedient. Der Kreis hätte neu ausschreiben können, entschied sich aber, eine eigene, neue Verkehrsgesellschaft zu gründen und die bereits bestehende Kooperation mit dem kommunalen Unternehmen Cottbusverkehr auszubauen. Gemeinsam wolle man auf Wasserstoffbusse setzen und die dafür nötigen Werkstatt- und Tankkapazitäten aufbauen, denn künftig soll Wasserstoff in der Strukturwandelregion eine große Rolle spielen. "Wenn alles in einer Hand ist, lässt sich das leichter organisieren", erklärt Verkehrsdezernent Carsten Billing. Und noch etwas sei wichtig: "Wir wollen, dass künftig wieder stärker der Fokus auf den öffentlichen und weniger den privatwirtschaftlichen Interessen liegt."

Die Argumente sind im Kreis Oberspreewald-Lausitz dieselben - nur setzt man hier künftig auf Batteriebusse. "Die dazu nötigen Investitionen muss die öffentliche Hand stemmen, das kann ein Mittelständler nicht schaffen", skizziert der Geschäftsführer der kreiseigenen Verkehrsgesellschaft, Michael Schütze. Genau deshalb fiel mit dem Beschluss zur neuen Technik eben auch die Entscheidung zur Rekommunalisierung. Alle zehn Jahre mit einer neuen Ausschreibung das System zu wechseln, sei nicht sinnvoll.

Kreis Görlitz prüft Rekommunalisierung

Im Kreis Görlitz hat die "Clean Vehicles Directive" bei der jüngsten Ausschreibung nicht zum Umdenken geführt. Wohl aber das monatelange Hickhack und die Querelen nach dem Wechsel von der einst dem Kreis gehörenden Kraftverkehrsgesellschaft Dreiländereck (KVG) zur nun beauftragten DB Regio Bus Ost. Der Antrag der Freien Wähler zur Prüfung einer Rekommunalisierung des Busverkehrs erhielt im Juni knapp die Zustimmung. Derzeit liefen Vorbereitungen und Abstimmungen, damit dann eine Untersuchung in Auftrag gegeben werden könne, betont der zuständige Dezernent des Kreises, Thomas Rublack.

  • Mehr als 9.000 Menschen aus Ost- und Mittelsachsen haben für den Mobilitätskompass Einblick in ihr Mobilitätsverhalten gegeben. Der Mobilitätskompass wurde unter wissenschaftlicher Begleitung der Evangelischen Hochschule Dresden und in Kooperation mit der Agentur "Die Mehrwertmacher" entwickelt und ausgewertet, die darauf geachtet haben, dass die Aussagen belastbar sind. Bis Anfang Dezember veröffentlicht Sächsische.de die regionalen und lokalen Ergebnisse. Alle erschienenen Beiträge finden Sie auch auf www.saechsische.de/mobilitaetskompass

Dreh- und Angelpunkt werden dabei die Kosten sein, denn der Kreis ist seit Jahren chronisch klamm und muss dringend Millionenbeträge einsparen und der Nahverkehr war immer ein Zuschussgeschäft. Der Görlitzer Landrat Stephan Meyer (CDU) weiß das nur zu gut und hofft, dass die Zuweisungen von Bund und Land mit neuen Aufgaben steigen. Denn schon jetzt hängt es an vielen Stellen: Während es beim Schülerverkehr enorm eng ist, fahren zu manchen Zeiten Taktbusse nur Luft spazieren. Für Meyer gebe es hier Einsparpotenzial.