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Eine Steinbacherin lebt seit sieben Jahren im Pflegeheim

Jutta Hennersdorf ist Bewohnerin der ersten Stunde im Steinbacher Seniorendomizil "Abendsonne". Gerade in der heutigen Zeit sei eine derart lange Aufenthaltsdauer außergewöhnlich, meint der Heimleiter.

Von Lucy Krille
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Die dienstälteste Bewohnerin der Seniorenresidenz Abendsonne in Steinbach, Jutta Hennersdorf, nimmt Glückwünsche zu ihrem "Jubiläum" von Heimleiter Karl Friedrich Schmerer entgegen.
Die dienstälteste Bewohnerin der Seniorenresidenz Abendsonne in Steinbach, Jutta Hennersdorf, nimmt Glückwünsche zu ihrem "Jubiläum" von Heimleiter Karl Friedrich Schmerer entgegen. © Norbert Millauer

Moritzburg, OT Steinbach. Jutta Hennersdorf hat schon viele Menschen kommen und gehen sehen. Seit sieben Jahren lebt sie im Seniorendomizil "Abendsonne" in Steinbach. "Da bin ich über die Kabel gelaufen, um den Platz anzuschauen", erinnert sich die 90-Jährige an die Zeit, als das Pflegeheim noch Zukunftsmusik war. 2017 wurde es dann eröffnet. Heute kümmern sich 42 Mitarbeitende um die 60 Bewohner und Bewohnerinnen, die in vier Wohnbereichen mit eigenem Ess- und Wohnzimmer leben. Ehepaare können ein Doppelzimmer beziehen.

Auch Jutta Hennersdorf zog einst mit ihrem Partner Erwin in die "Abendsonne" - allerdings in getrennte Zimmer. Nach dem Tod ihres ersten Mannes hatten sich die beiden kennengelernt und beschlossen, in das neu gegründete Heim zu ziehen. Inzwischen hat Hennersdorf auch den zweiten Partner an ihrer Seite verloren. "Das war ganz schlimm", sagt die Langzeitbewohnerin sichtlich ergriffen. 2022 wären die beiden 25 Jahre zusammen gewesen.

Diese Zahlen hat sie genauso im Kopf, wie ihre Erlebnisse in der Kindheit und Jugend. "Das ist alles noch präsent", sagt Hennersdorf und erzählt von ihrer Flucht 1945 aus Schlesien nach Deutschland, als deutsche Soldaten sie auf dem Pferdewagen mitnahmen. Damals kam sie von der Stadt Liegnitz aufs Dorf, genauer: auf einen Hof in Steinbach. "Ich habe auf der Stelle hier sehr viel gearbeitet", sagt Hennersdorf.

Steinbacher Bewohnerin liegt fünf Jahre über dem Durchschnitt

Während ihre Brüder die Schule besuchten, schaute sich die damals 13-Jährige viel von ihrer Mutter ab, einer Pelznäherin. Später arbeitete Hennersdorf in der Rinder- und Schweinezucht. Auch ihr damaliger Mann war Landwirt. Als er es nach einem Unfall nicht mehr selber konnte, schälte seine Frau die Kartoffeln. "Die haben wir tonnenweise in ganz Dresden ausgeliefert", erinnert sich Hennersdorf. Später arbeitete sie in einem Heim in Naundorf, erst als Schwester, dann als Küchenchefin. "Ich kann schon bei manchem ein bisschen mitreden", sagt sie schmunzelnd.

Von ihren Erlebnissen erzählt sie auch den Schwestern gern, mit denen sie längst per "Du" ist. Dass Pflegekräfte und Bewohner eine so lange Beziehung pflegen, ist besonders. Durchschnittlich würden die Menschen nur anderthalb bis zwei Jahre im Pflegeheim leben, meint Heimleiter Karl Friedrich Schmerer, der beobachtet, dass die Leute sich immer später für diesen großen Schritt entscheiden.

Das läge zum einen an den Kosten. Derzeit liegt der Preis für einen Heimplatz in der "Abendsonne" noch knapp unter 2.000 Euro im Monat, sagt Schmerer. Doch auch Corona habe viele davon abgehalten, ins Heim zu ziehen.

Hochzeit, Haus und Heim: In Steinbach fühlt sich Hennersdorf zu Hause

Für Jutta Hennersdorf war es vor sieben Jahren dagegen der folgerichtige Schritt. In der "Abendsonne" konnte sie weiter in Steinbach bleiben, dem Ort, in dem sie geheiratet und den Großteil ihres Lebens verbracht hat. Zwischenzeitlich lebte sie nur einmal in Großenhain, in der Nähe ihres Sohnes. Einen Sohn musste sie schon beerdigen, umso wichtiger ist die Verbindung zu ihrer Tochter und dem anderen Sohn, die Enkel und Urenkel in die Familie gebracht haben.

Wenn sie von dieser zu erzählen beginnt, huscht ein Lächeln über das Gesicht der Seniorin. Etwa, wenn sie daran denkt, wie ihr damals einjähriger Urenkel bei ihrem 90. Geburtstag im Deutschen Haus in Radeburg mit einer Blume auf sie zugelaufen kam. "Ich vergesse nur langsam die Geburtstage", gibt die Steinbacherin zu, die ansonsten sehr munter wirkt.

Geheimrezept der längsten Bewohnerin in der "Abendsonne": Viel Ruhe

Wenn ein Geburtstag ansteht oder die Tochter sie in ihren Garten ausführt, dann entflieht Hennersdorf für eine Weile aus dem Heimalltag. Ansonsten hält sie sich aus Beschäftigungsangeboten weitgehend raus, verbringt die Zeit lieber mit Lesen oder Fernsehen. "Ich brauche viel Ruhe", erklärt Hennersdorf. Der Austausch mit den anderen Heimgästen und den Schwestern tue ihr dennoch gut. "Die machen auch mal einen Scherz". Ein weiteres Mittel gegen Einsamkeit: "Das Dorf ruft mich auch oft an".

Dann verabschiedet sich Hennersdorf in ihr Zimmer. Den Blumenstrauß, den sie von Heimleiter Schmerer zum siebenjährigen Jubiläum geschenkt bekommen hat, wird er ihr auf den Tisch stellen. "Ich hoffe, dass Sie sich weitgehend wohlgefühlt haben", sagt Schmerer, und fügt hinzu: "Wir wünschen uns alle, dass sie die nächsten sieben Jahre auch gesund und froh hier sind."