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Niesky investiert trotz knapper Kassen

Die Goethestraße sollte erst verschoben werden, nun wird sie doch grundhaft ausgebaut. Die Sporthalle an der Rosenstraße wird teurer. Wie stemmt das die Stadt?

Von Frank-Uwe Michel
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Freudige Nachricht für die Anwohner: Die Goethestraße kann grundhaft saniert werden.
Freudige Nachricht für die Anwohner: Die Goethestraße kann grundhaft saniert werden. © André Schulze

Kämmerer Steffen Kluske brachte am Montagabend keine guten Nachrichten in den Stadtrat mit. Gerade eben habe die Kommune Gewerbesteuern in Höhe von 741.000 Euro zurückzahlen müssen. Dies seien rund 25 Prozent des jährlichen Aufkommens. Damit habe die Liquidität der Stadt arg gelitten. Kluske bezweifelt, dass die entgangene Dreiviertelmillion bis zum Jahresende anderweitig wieder eingespielt werden kann.

Entmutigen lässt sich Niesky trotzdem nicht. Im Gegenteil: Zwei große Bauprojekte haben mit dem Votum des Stadtrates die nächste Hürde genommen. Gemeint sind der Neubau der Sporthalle an der Rosenstraße sowie der grundhafte Ausbau der Goethe- und Herderstraße. Beides sind Millionenprojekte, in beiden Fällen muss Niesky Eigenanteile stemmen - allerdings in sehr unterschiedlicher Höhe.

Niesky zahlt nur 10 Prozent zum Bau der Rosensporthalle

Schon seit Langem ist die unzumutbare Situation der Sporthalle an der Rosenstraße Thema im Nieskyer Stadtrat. 2018 wurde eine Grobkostenschätzung in Auftrag gegeben. Dabei kamen etwa 2,94 Millionen Euro für einen Neubau zusammen. Inzwischen wurde das Projekt mit dem aktuellen Baupreisindex hochgerechnet. Der Fördermittelgeber gab im Mai 2021 im zweiten Anlauf sein Okay. Was äußerst wichtig ist, denn der Löwenanteil des benötigten Geldes fließt aus dem Bundesprogramm "Sanierung kommunaler Einrichtungen in den Bereichen Sport, Jugend und Kultur". Weil sich die Gesamtsumme auf etwa 3,27 Millionen Euro erhöht hat, wird jedoch vom Stadtrat ein Grundsatzbeschluss verlangt, um sicherzugehen, dass auch der Eigenanteil fließt. Immerhin 327.000 Euro muss Niesky in den Jahren 2021 bis 2023 selbst aufbringen.

Laut Barbara Giesel, Fachbereichsleiterin Technische Dienste, sind dies 70.000 Euro mehr gegenüber dem Altbeschluss aus dem vergangenen Jahr. Bis Ende 2021 soll nun der vorläufige Zuwendungsbescheid kommen. Allerdings ist die finanzielle Notlage für Niesky in diesem Fall ein Glücksumstand. Denn so muss die Kommune nicht wie sonst üblich für 55 Prozent der Kosten geradestehen. Die Quote für den Eigenanteil besonders klammer Kommunen liegt lediglich bei 10 Prozent. Und sie bleibt bestehen, auch wenn sich der Haushalt der Stadt in den nächsten Jahren unerwartet positiv entwickeln sollte. Die Kommunalaufsicht des Landkreises Görlitz hat Niesky die Notlage erst einmal für 2021 bestätigt.

Eröffnung der Sporthalle schon 2023 geplant

Mit einer öffentlichen Ausschreibung wird in den nächsten Wochen ein Planungsbüro gesucht. Das soll sich mit den Erfordernissen des Schulsports und den Wünschen der hier aktiven Vereine auseinandersetzen und sie in das Projekt integrieren. Als Baubeginn ist das Jahr 2022 vorgesehen, im Folgejahr ist die Eröffnung der neuen Sporthalle geplant.

Die Sporthalle an der Rosenstraße wird abgerissen und neu gebaut. Dafür muss die Stadt Niesky tiefer als ursprünglich gedacht in die Tasche greifen.
Die Sporthalle an der Rosenstraße wird abgerissen und neu gebaut. Dafür muss die Stadt Niesky tiefer als ursprünglich gedacht in die Tasche greifen. © SZ-Archiv/André Schulze

Fast nicht zu glauben ist der bevorstehende Ausbau der Goethe- und der Herderstraße. Jahrelang stand die grundhafte Sanierung im Raum. Regelmäßig musste das Vorhaben aber verschoben werden, weil das dafür benötigte Geld einfach nicht aufzutreiben war. Der entscheidende Schritt kam nun vom Freistaat Sachsen. Der schlug vor, das Projekt mit 30 Prozent Förderung zu unterstützen. Bisher hatte die Stadt 75 Prozent vorgesehen. Schon im August beschäftigte sich der Stadtrat in einer nicht öffentlichen Sondersitzung damit.

Künftig keine Zuschüsse für Wohnstraßen mehr

Woher der Sinneswandel des Freistaates kommt, beschreibt Enrico Bachmann, Chef der Tiefbauverwaltung im Nieskyer Rathaus, so: "Sachsen will Altanträge abfinanzieren, hat die Förderung aufgrund der vielen Fälle aber nach unten korrigiert." Ein weiterer Grund dafür könnte die Abkehr vieler Kommunen sein, von den Anwohnern Straßenausbaubeiträge zu verlangen. Auch Niesky hat diese Pflicht inzwischen aufgehoben. "Der Freistaat will nicht für das aufkommen, was sich die Gemeinden von ihren Bürgern holen könnten", vermutet Bachmann. Denn in Sachsen ist es jeder Kommune freigestellt, ob sie Beiträge von Anliegern kassiert oder nicht.

Für Niesky bedeutet das einen erheblichen Mehraufwand. Dass er betrieben wird, daran ließ der Stadtrat mit seinem Grundsatzbeschluss am Montagabend keinen Zweifel. Oberbürgermeisterin Beate Hoffmann sieht die verzwickte finanzielle Situation mit einem lachenden und einem weinenden Auge: "Lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach", ist sie froh auch über den niedrigeren Fördersatz. Denn: "Es werden die letzten Wohnstraßen sein, die mit Zuschüssen bedacht werden." Dies habe der Freistaat angekündigt.

Niesky muss für Straßenbau Kredit aufnehmen

Die Gesamtkosten für die Erneuerung der Goethe- und der Herderstraße liegen nach aktuellen Berechnungen bei 992.000 Euro. Entsprechend der bisherigen sächsischen Förderpolitik hatte die Stadt 684.200 Euro als Unterstützung vom Freistaat eingeplant. Damit hätten die notwendigen Eigenmittel 307.800 Euro betragen. Durch den nach unten korrigierten Fördersatz überweist das Land nun jedoch nur 293.249 Euro. Damit bleibt ein Anteil von 390.950 Euro, der separat gedeckt werden muss. Dafür sieht die Stadt im nächsten Jahr eine Kreditaufnahme bis maximal zu dieser Höhe vor.

Weil in den vergangenen Jahren schon mehrmals in den beiden Straßen gebaut wurde und die Medienleitungen schon so gut wie erneuert sind, ist der Aufwand in den kommenden Monaten nicht ganz so groß. Laut Enrico Bachmann wird es Ende September oder Anfang Oktober eine Bürgerversammlung geben, bei der das weitere Vorgehen und vor allem die zu erwartenden Einschränkungen für die Anwohner besprochen werden sollen.

Bis Jahresende soll die Ausschreibung erfolgen

Für den weiteren Ablauf drückt sogar der Freistaat aufs Tempo. Um nachzuweisen, dass man die benötigten Eigenmittel aufbringen kann, dringt das Land auf einen ersten Projektfortschritt innerhalb der nächsten vier Monate. Deshalb soll bis zum Jahresende zumindest die Ausschreibung der verschiedenen Baulose geschehen. Die Komplettfertigstellung könnte dann bis zum Spätherbst 2022 abgeschlossen sein.