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Sorge um die Störche in der Oberlausitz

Seit Jahren kehren weniger Störche aus ihren Wintergebieten im Frühjahr zurück. Das hängt auch mit der gefährlichen Flugroute zusammen.

Von Steffen Gerhardt
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Weithin sichtbar ist in Biehain das Storchennest zu sehen. Ein Storch hat bisher darin sein Quartier bezogen
Weithin sichtbar ist in Biehain das Storchennest zu sehen. Ein Storch hat bisher darin sein Quartier bezogen © André Schulze

Die Störche kehren aus ihrem Winterquartier zurück und halten Einzug im Landkreis Görlitz. Dank vieler ehrenamtlicher Helfer und auch Firmen, die sich uneigennützig beteiligen, stehen den Weißstörchen eine große Auswahl an Horsten zur Verfügung. Dort können sie ihre Brut großziehen. Aber die Störche machten sich in den vergangenen Jahren rar in der Oberlausitz. Das beobachtet man auch in Gebelzig.

Viele Jahre wurde das Storchennest an der Straße „Zum Storchennest“ in Gebelzig nicht mehr von Störchen belegt. Gelegentlich kam zwar schon mal ein Storchenpärchen vorbei, aber geblieben ist nicht ein einziges, haben Anwohner beobachtet. Das wollen nun vier Familien ändern. Wenn sie schon "Zum Storchennest" wohnen, dann sollte auch ein Storchenpaar hier seine Heimstatt haben. Zumal ein Storchenpaar früher fast in jedem Dorf zu Hause war. Also machten sich die Familienväter Markus Koppatsch, Bernd Holes, Steffen Schütze und Marcel Seelig als Quartett ans Werk.

Die vier Väter holten das Storchennest vom Betonmast, säuberten es und flochten aus Weidenhölzern eine neue Nestunterlage. Fertig mit dem Nestbau begann das Warten auf ein Storchenpaar. Steffen Schütze erzählt: "Wir wurden nicht enttäuscht. Am 4. Mai kam der erste Storch und mit ihm seine Partnerin und belegten das Nest. Ob sie sich nun auch noch zum Brutgeschäft entschließen, bleibt abzuwarten." Die Anwohner der Straße hoffen nun, dass sich das Engagement der vier Familienväter gelohnt hat und das Storchenpaar auch im kommenden Jahr wieder in Gebelzig seinen Brutplatz in Beschlag nimmt.

Heimflug auf gefährlicher Route

Steffen Schütze, Marcel Seelig und Markus Koppatsch stehen vor dem leeren Storchennestgestell, das sie inzwischen mit Weidenhölzer ausgeflochten und in Gebelzig wieder befestigt haben.
Steffen Schütze, Marcel Seelig und Markus Koppatsch stehen vor dem leeren Storchennestgestell, das sie inzwischen mit Weidenhölzer ausgeflochten und in Gebelzig wieder befestigt haben. © Bernhard Donke

Nicht überall wird in diesen Tagen von den Störchen ein gemachtes Nest in Besitz genommen. "Die Zahl der Störche in der Oberlausitz ist über die letzten Jahre rückläufig", sagt Dirk Weis, Mitarbeiter im Biosphärenreservat Oberlausitzer Heide- und Teichlandschaft und für den Arten- und Biotopschutz zuständig. Besonders betroffen ist die Region zwischen Spree und Neiße. Der Fachmann führt das auf zwei Ursachen zurück. Zum einen kehren in die Oberlausitz die "Ostzieher" zurück. Das sind die Störche, die von Afrika die Flugroute über den Nahen Osten und Osteuropa nach Deutschland nehmen. "Gegenüber der Westroute über Spanien ist das die gefährlichere", betont Weis. Es ist nicht nur der Krieg im Nahen Osten. Einige Völker braten sich gern mal einen Storch oder die Tiere werden Opfer ihrer eigenen Strapazen, da der Ostflug entbehrungsreicher ist.

"Wir stellen fest, dass die Verluste beim Rückflug größer sind als die anschließenden Geburten im Sommerquartier der Störche. Beides befindet sich in einem Ungleichgewicht." Befördert wird das Ganze auch durch die sich strukturell gewandelte Landwirtschaft, ergänzt Weis. Die Nahrungsvielfalt früherer Jahrzehnte ist für die Störche abhandengekommen. Zudem sind die Wege von vielen Horsten länger geworden, bevor die Störche ihre artgerechte Nahrung finden. Das bedeutet, dass die Brut beziehungsweise die Jungstörche länger alleingelassen werden, wenn die Eltern auf Futtersuche sind, und so schneller zum Opfer von Raubvögeln oder dem Wetter werden können.

Weststörche erobern die Oberlausitz

Das zeigt sich im Biosphärenreservat. Die Naturschützer haben festgestellt, dass im Reservatsgebiet in den jüngeren Jahren kein Horst auf Nieskyer Gebiet mehr mit Störchen besetzt war. Im Bautzener Raum sieht das anders aus. Wobei hier die "Westzügler" mehr heimisch sind. "Wir haben beobachtet, dass zunehmend die ,Westzügler' die Oberlausitz für sich entdecken", sagt Dirk Weis. Also besteht noch Hoffnung durch Zuzug von "Weststörchen".

In der Unteren Naturschutzbehörde in Görlitz ist man optimistisch, was das neue Storchenjahr betrifft. Ein Vergleich zum Vorjahr ist der Behörde derzeit noch nicht möglich, aber "die Neuansiedlungsversuche deuten zumindest auf keine Verschlechterung des Brutbestandes hin", lässt das Amt mitteilen. Genaue Zahlen lassen sich erst mit der Beringung der Jungstörche erfassen und mit dem Vorjahr vergleichen. Das soll mit dem Juni passieren.

43 Jungstörche im vergangenen Jahr

Im Landkreis Görlitz sind im vergangenen Jahr 43 Jungstörche erfolgreich ausgeflogen. Wie viele Eier gelegt wurden oder wie viele Junge geschlüpft sind, ist nicht bekannt. Wie das Biosphärenreservat kommt auch die Untere Naturschutzbehörde zu dem Fazit, dass die Fortpflanzungsrate deutlich zu gering ist, um den Bestand an Weißstörchen dauerhaft zu sichern. "Die geringe Zahl an Jungstörchen ist in erster Linie mit einer nicht ausreichenden Nahrungsgrundlage und nicht mit einem zu geringen Angebot an Nistmöglichkeiten zu begründen", teilt eine Kreissprecherin mit. Im vergangenen Jahr waren 29 Nester mit Störchen besetzt.

Im Görlitzer Tierpark ist es noch ruhig um die Störche. Zwar widmet sich der Bestand, der im Tierpark überwintert hat, inzwischen auch dem Brutgeschäft. Dass aber kranke und geschwächte Störche schon zum "Aufpäppeln" in die Wildtierauffangstation eingeliefert werden, verneint Tierparkchef Sven Hammer. Aber ein bisschen sorgt der Zootierarzt sich schon um die Störche: "Bisher ist nur ein Storch in den Horst auf der Tierparkvilla zurückgekehrt", sagt Hammer. Er hofft sehr auf einen zweiten Adebar und auf Nachwuchs. Der Familie Stephan in Biehain geht es ebenso. In dem Horst auf ihrem Grundstück sitzt bisher nur ein Storch. "Im vergangenen Jahr war es ein Pärchen, das hat aber alle Eier aus dem Nest geworfen. 2019 hatten wir dagegen drei Jungstörche. Darüber haben wir uns gefreut", erzählt das Ehepaar. (mit Bernhard Donke)

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