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Waldsterben: Fläche so groß wie 7.500 Fußballfelder

Die Königshainer Berge sind exemplarisch für das Waldsterben in der Oberlausitz: Große Flächen sind betroffen. Und die Fichte kämpft ums Überleben.

Von Steffen Gerhardt
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Sylvia Knote ist Leiterin des Kreisforstamtes. Sie steht im östlichen Teil der Königshainer Berge. Um sie herum Leerstand auf 30 Hektar Waldfläche..
Sylvia Knote ist Leiterin des Kreisforstamtes. Sie steht im östlichen Teil der Königshainer Berge. Um sie herum Leerstand auf 30 Hektar Waldfläche.. © André Schulze

Vor Jahren hatten wir hier noch Wald, jetzt ist das alles eine kahle Fläche. Sylvia Knote sagt das. Sie ist die Leiterin des Kreisforstamtes und steht im östlichen Teil der Königshainer Berge. So weit ihr Blick reicht, sieht sie Brachland. 30 Hektar groß. Vor nicht langer Zeit standen hier ausgewachsene Bäume. Sie sind Opfer des Borkenkäfers und seiner Artgenossen geworden, aber auch des Klimawandels.

Wie bei Königshain sieht es in weiten Bereichen der Oberlausitz aus. 10.400 Hektar Waldschadensfläche hat das Kompetenzzentrum Wald und Forstwirtschaft im April vergangenen Jahres für das Gebiet von der Neiße bis nach Kamenz ausgerechnet. Dazu kommen noch 2.000 Hektar Freifläche, also Flächen ohne Bäume. Im Vergleich: Der westlich angrenzende Forstbezirk Dresden ist zwar nur halb so groß, liegt bei den Waldschäden aber nur bei 2.700 Hektar und hat 400 Hektar Freifläche.

650 Hektar weniger Fichten

Zahlen, die man sich als Fläche kaum vorstellen kann. Wer überblickt schon knapp 7.500 aneinandergereihte Fußballfelder? Aber so groß ist die gegenwärtige Schadensbilanz in den Oberlausitzer Wäldern. Im Landkreis Görlitz sieht es nicht anders aus. Hier ist besonders die Fichte vom Waldsterben betroffen. Dazu Sylvia Knote: "Zum Februar dieses Jahres haben wir im Landkreis Görlitz eine Borkenkäferschadholzmenge nur an Fichten von 226.300 Festmeter aufgenommen." Davon sind bisher 65 Prozent aufgearbeitet. Das heißt, dass im aktuellen Borkenkäferjahr, das bis Ende Mai andauert, weitere 650 Hektar Fichtenwald abgestorben sind. Im zurückliegenden Jahr lag die Schadholzmenge bei 379.000 Festmeter Fichte und die Schadfläche bei 1.083 Hektar.

Was den Forstleuten und Waldbesitzern Sorge bereitet, sind die großflächigen Verluste an Bäumen. Schaut man sich die Königshainer Berge von oben an, dann sind die Flecken kahler Stellen besonders in der Osthälfte in Richtung Liebstein und Torga beängstigend. Dass die Fichte besonders betroffen ist, zeigt sich bereits über die vergangenen Jahre. "In unseren Höhenlagen ist die Fichte besonders anfällig, sie ist mehr ein Baum für die Gebirgsregionen", sagt Sylvia Knote. Ursache sind die Temperaturunterschiede zwischen Flachland und Gebirge. Die Fichte mag es kühler, der Borkenkäfer hingegen nicht. Ab 16 Grad Celsius wird er mobil und sein Ausflug beginnt im April.

Holzschädlinge fliegen im April aus

Für die Waldbesitzer bedeutet das, dass sie nur noch einen Monat Zeit haben, um das von Holzschädlingen befallene Holz aus ihrem Bestand zu schaffen. Denn sonst lassen sich die ausschwärmenden Käfer auch im gesunden Holz nieder. Im Forstamt geht man davon aus, dass sich im vergangenen Jahr bereits die dritte Generation des Buchdruckers unter der Rinde eingenistet hat. "Damit müssen wir wieder von einer sehr hohen Ausgangspopulation im Frühjahr 2021 ausgehen. Helfen kann uns nur ein kühles und nasses Jahr", sagt die Forstamtsleiterin. Deshalb wird die vom Landkreis getroffene Allgemeinverfügung zum Erfassen und Bekämpfen von Schaderregern um ein weiteres Jahr, bis zum 31. März 2022 verlängert.

Doch es gibt auch Hoffnung. Das Forstamt verzeichnete Ende vergangenen Jahres, dass die Schadmengen von allem Holz um 30 Prozent niedriger war als im Jahr zuvor. Sylvia Knote sieht mehrere Ursachen: In der Mitte und im Norden des Landkreises sind die Fichtenbestände in den zurückliegenden drei Jahren fast vollständig abgestorben. Den Schädlingen fehlt es somit an Bäumen. Der Regen im Juni und August vergangenen Jahres sorgte für eine leichte Entspannung in den Wäldern. Weniger Borkenkäfer waren in dieser Zeit unterwegs. Zudem zeigte sich in einigen Beständen eine Parasitierung in den einzelnen Entwicklungsstadien des Borkenkäfers. Er ist sich somit selbst zum Feind geworden.

Aufforsten rettet den Wald

Wichtig ist in dieser Situation das zeitnahe Wiederaufforsten. Dabei sind die Waldbesitzer angehalten, keine Monokultur Fichte mehr zu betreiben, sondern auf Mischwald zu setzen. Das zeigt sich bereits in den Königshainer Bergen, wo Buche und Eiche den Waldboden erobern. Aber das ist leichter gesagt, als getan. Zum einen kosten die Setzlinge an Laubbäumen mehr als die für Kiefer. Zum anderen sind die jungen Laubbaumbestände einzuzäunen, damit sie nicht Opfer von Wildfraß werden.

Mischwälder verringern das Risiko des Schädlingsbefalls, da sich der Borkenkäfer und andere Schadinsekten nicht in jeder Baumart wohlfühlt. Zum anderen sorgt so ein durchmischter Wald für mehr Stabilität der einzelnen Bäume. Durch das unterschiedliche Verhalten der Wurzeln verschiedener Baumarten können zum Beispiel das im Boden zur Verfügung stehende Wasser und die Nährstoffe besser genutzt werden.

Letztlich ist der Waldumbau eine Herausforderung für ganz Sachsen. Laut Umweltministerium sollen sechs Millionen Bäume und Sträucher in sächsischen Wäldern in diesem Jahr gepflanzt werden. Das geht einher mit der Aufforderung an die Forstleute, 1.300 Hektar Wald im Jahr widerstandsfähiger gegen den Klimawandel zu machen. Das will der Freistaat flankieren mit einer breiteren Förderung für Waldbesitzer und Bewirtschafter.

Grundlage ist die Förderrichtlinie Wald und Forstwirtschaft des Landes Sachsen. Medizinisch gesehen, liegt nicht nur der Fichtenbestand auf der Intensivstation, sondern bereits der ganze Wald. Nicht nur die Fichte ist gefährdet, inzwischen auch Buche und Eiche. Jede dritte sächsische Eiche hat laut Waldzustandsbericht 2020 bereits das dritte Jahr in Folge ihre Blätter vor dem Herbst verloren.

Es ist ziemlich kahl geworden in den Wäldern in den Königshainer Bergen, besonders im Ostteil. Das zeigen die rötlichen Stellen.
Es ist ziemlich kahl geworden in den Wäldern in den Königshainer Bergen, besonders im Ostteil. Das zeigen die rötlichen Stellen. © Google Maps

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