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Lebensretter beim Bäcker

Hartmut Schreiber wollte früh in Daubitz nur Semmeln holen. Doch von dieser Radtour kehrte der Rentner so schnell nicht nach Hause zurück.

Von Steffen Gerhardt
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Dankbar zeigt sich Hartmut Schreiber (vorn links) gegenüber seinen Helfern Ingolf Drescher, Karin Vogt und Johannes Jurke (von links), die ihm in der Bäckerei Höfchen in Daubitz das Leben retteten.
Dankbar zeigt sich Hartmut Schreiber (vorn links) gegenüber seinen Helfern Ingolf Drescher, Karin Vogt und Johannes Jurke (von links), die ihm in der Bäckerei Höfchen in Daubitz das Leben retteten. © André Schulze

Der Geburtstag seiner Frau am 6. Mai ist für Hartmut Schreiber sein zweiter Geburtstag geworden. Denn dass der 67-Jährige jenen Freitag überlebte, hat er in erster Linie drei Menschen zu verdanken, die sofort und richtig handelten und ihn buchstäblich wieder auf die Beine halfen. Begonnen hatte der Tag mit dem Wunsch eines gemeinsamen Frühstücks mit seiner Frau Marina in Spree.

Hartmut Schreiber erinnert sich noch, wie er früh aufs Fahrrad gestiegen ist, um in der Bäckerei Höfchen in Daubitz frische Backwaren zu holen. "Was danach geschah, daran habe ich keine Erinnerung. Die Fahrt zum Bäcker ist wie ausgelöscht in meinem Kopf", berichtet der Spreer. Karin Vogt kann sich hingegen noch genau an diesen Vormittag erinnern. Die 53-Jährige arbeitet als Verkäuferin in der Bäckerei.

Im Laden zusammengebrochen

"Herr Schreiber gehört zu unseren Stammkunden und er betrat wie immer mit einem freundlichen Lächeln und einem ,Guten Morgen!' unser Geschäft", so Frau Vogt. Auch der Kunde vor Hartmut Schreiber dachte sich nichts dabei, als sich der Spreer hinter ihm einreihte. "Dass wir Herrn Schreiber wieder ins Leben zurückbringen werden, das ahnte an diesem Morgen keiner in der Bäckerei", sagt Ingolf Drescher. Der 58-Jährige wohnt in Hähnichen und war ebenso zum Brötchen holen nach Daubitz gekommen.

Während Ingolf Drescher noch bedient wurde, sackte hinter ihm Hartmut Schreiber zusammen, fiel auf den Fußboden und blieb dort regungslos liegen. "Zuerst dachte ich, es ist ein epileptischer Anfall, aber dann deuteten die Symptome eher auf einen Herzinfarkt", erinnert sich Karin Vogt. Sie ist gelernte Krankenschwester und begann sofort mit Ingolf Drescher die Wiederbelebungsversuche bei Hartmut Schreiber. Als dritter Helfer kommt Johannes Jurke dazu. Als Konditor arbeitet der 41-jährige Petershainer in der Bäckerei.

Mit dem Hubschrauber ins Klinikum

Neben der Wiederbelebung mussten die Helfer den Bewusstlosen vor den anderen Bäckereikunden abschirmen. "Ich lotste die Leute aus dem Laden und zum Hintereingang. Dort wurden sie vorübergehend bedient", erzählt die Verkäuferin. Notarzt und Krankenwagen waren inzwischen alarmiert worden, während die beiden Männer Hartmut Schreiber weiter reanimierten. Für beide Helfer wurden die rund 20 Minuten, bis der Notarzt eintraf, die wahrscheinlich längsten in ihrem Leben.

Danach ging alles schnell. Der Notarzt übernahm, ein Rettungshubschrauber landete hinter der Bäckerei und flog mit dem Patienten zum Görlitzer Klinikum. Die ganze Dramatik nicht ahnend, saß Marina Schreiber zu Hause und wartete auf ihren Mann und die Frühstückssemmeln. Schließlich wollten sie zusammen ihren 68. Geburtstag feiern. "Ich habe mir schon Sorgen gemacht, denn solange war mein Mann noch nie beim Bäcker", sagt sie. Die Erlösung, oder treffender der Schock, kam für sie erst mit dem Anruf aus dem Klinikum, dass ihr Mann dort eingeliefert sei.

Sieben Tage im Koma, dann zur OP

Im Klinikum lag Hartmut Schreiber sieben Tage im Koma, bevor er mit dem Hubschrauber ins Dresdner Herzzentrum überführt wurde. Dort operierten ihn die Ärzte am Herzen und legten einen Bypass. Denn es bestätigte sich, dass der Spreer in der Bäckerei einen Schlaganfall zusammen mit einem Herzinfarkt, verursacht durch Gefäßverengungen, erlitten hatte. "Hätten mir meine ,rettenden Engel' nicht kurz entschlossen geholfen, ich glaube, ich hätte den Tag nicht überlebt", ist sich Hartmut Schreiber sicher - und: "Mit Geld ist so eine Hilfe nicht aufzuwiegen. Trotzdem möchte ich mit einem kleinen Präsent für jeden dafür herzlich Danke sagen." Dafür ließ sich Hartmut Schreiber von seinem Sohn Enrico und zusammen mit seiner Frau dieser Tage zur Bäckerei Höfchen fahren, um den Dank persönlich zu überbringen.

Einen Dank bekamen die drei Helfer ebenso vom Notarzt und zwei Tage darauf aus der Rettungsleitstelle. "Wir hatten alles richtig gemacht und durch unser sofortiges Handeln einem Menschen das Leben gerettet. Dafür dankte man uns", sagt Karin Vogt. Ein Glück für Hartmut Schreiber ist gewesen, dass sich keine Laien um ihn kümmerten. Karin Vogt hat Erfahrungen als Krankenschwester, Ingolf Drescher versieht seinen Dienst bei der Bundespolizei und Johannes Jurke ist Wehrleiter in Petershain. Somit kennen sich auch beide Männer mit Notsituationen aus.

Erst einmal keine Berge

Seit Montag ist Hartmut Schreiber zusammen mit seiner Frau zur dreiwöchigen Reha in Trassenheide auf der Insel Usedom. "Ich wollte an die Ostsee zur Kur, und das hat auch geklappt", freut sich der Ingenieur aus dem Görlitzer Siemens-Werk, wo er bis zur Rente gearbeitet hat. Auf seine Berge muss der begeisterte Bergsteiger erst einmal verzichten. Es sind die Fünf- bis Sechstausender, die der Spreer weltweit auf speziellen Reisen erklimmt. Vergangenes Jahr wollte er nach Ecuador, aber Corona ließ das nicht zu. So gesehen ist Hartmut Schreiber froh, dass ihn der Infarkt beim Bäcker und nicht auf einem schneebedeckten Gipfel erwischte.