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Wohin mit dem Nieskyer Kriegerdenkmal?

Die Stadt möchte es auf den Ödernitzer Friedhof versetzen. Anwohner wollen es an seinem historischen Ort lassen und pflegen. Entschieden ist noch nichts.

Von Steffen Gerhardt
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Die Anwohner im Thüringer Weg in Niesky sorgen sich um das Denkmal, das der Militärverein Neu Ödernitz hier vor 100 Jahren aufgestellt hat. Im Foto Robert Spichale, Nachbar Lutz Müller und Günter Spichale (von links).
Die Anwohner im Thüringer Weg in Niesky sorgen sich um das Denkmal, das der Militärverein Neu Ödernitz hier vor 100 Jahren aufgestellt hat. Im Foto Robert Spichale, Nachbar Lutz Müller und Günter Spichale (von links). © André Schulze

Die wenigsten Nieskyer wissen, dass auf dem Thüringer Weg ein Kriegerdenkmal steht, das an die Gefallenen im Ersten Weltkrieg erinnert. Erst in den jüngsten Monaten ist das Denkmal wieder ins Blickfeld der Öffentlichkeit gekommen, weil es an einen anderen Standort versetzt werden soll.

Dass das Denkmal in einen Dornröschenschlaf gefallen war, liegt an seinem versteckten Platz. Hinter Bäumen und Gestrüpp verborgen, fristet es sein Dasein zwischen zwei Wohngrundstücken. Auf der einen Seite wohnt Günter Spichale mit seiner Familie, auf der anderen Lutz Müller mit seiner Frau. Dass das Denkmal im Verborgenen steht, sieht Günter Spichale als Vorteil an: "So hat es die Zeit des Sozialismus überlebt und steht heute noch wie zu seiner Einweihung vor rund 100 Jahren", sagt der Nieskyer.

Platz für ein Baugrundstück

Doch nun rüttelt die Stadt an dem Denkmal, will es an einen anderen Ort versetzen. Dagegen regt sich auf dem Thüringer Weg Widerstand. Günter Spichale nutzte die Stadtratssitzung im Juni, um nicht nur auf das Denkmal aufmerksam zu machen, sondern auch für seinen Verbleib am bisherigen Ort einzutreten. Die Stadt hat die Absicht, dieses Denkmal auf dem Ödernitzer Friedhof neu aufzustellen. Denn auf dem städtischen Grund, wo es jetzt steht, könnte doch lieber ein Wohnhaus gebaut werden, zumal städtische Baugrundstücke in Niesky knapp sind.

Seit vergangenem Oktober ist das Denkmal immer wieder mal Gesprächsstoff in den städtischen Gremien und auch im Ortschaftsrat Ödernitz. Warum der Gedenkstein nach Ödernitz kommen soll, liegt in seiner Historie begründet. Der Militärverein Neu Ödernitz hat seinen "Kameraden zum ehrenden Gedächtnis" diesen Stein nach dem Ersten Weltkrieg aufgestellt. Der Standort gehörte damals zu Neu Ödernitz. Und wo sich heute Thüringer Weg und Hessenweg befinden, war einst die Gemarkung Neu Ödernitz. Dort befand sich auch der selbst gebaute Schießstand des Militärvereins. Daher kommt die Idee, es nach Ödernitz zurückzuversetzen und auf dem Friedhof einen würdigen und öffentlich zugänglichen Platz zu geben.

Kein Beschluss zur Umsetzung

Der Ortschaftsrat befasste sich bereits mit dem Thema. In seiner März-Sitzung sollte dazu das Einverständnis gegeben werden, dass das Denkmal auf den Friedhof kommen kann. Ortschaftsratsvorsitzende Simone Sturm sagt: "Wir sind zu der Überzeugung gekommen, dass der Friedhof ein angemessener Ort für so ein Denkmal ist." Beschlossen wurde das aber an dem Tag nicht, da Anwohner vom Thüringer Weg ihren Standpunkt klar formulierten und für den Verbleib votierten.

Diese Skizze zeigt, wie sich die Familie Spichale im Thüringer Weg den durch sie gestalteten kleinen Park am Denkmal vorstellt. Das würde den Gedenkstein aufwerten und vor allem wieder sichtbar machen.
Diese Skizze zeigt, wie sich die Familie Spichale im Thüringer Weg den durch sie gestalteten kleinen Park am Denkmal vorstellt. Das würde den Gedenkstein aufwerten und vor allem wieder sichtbar machen. © Repro: André Schulze

Kein anderes Bild im jüngsten Stadtrat, auch dort fiel keine Entscheidung, was mit dem Denkmal nun werden soll. Günter Spichale sprach davon, dass es doch bei den Anwohnern in guten Händen sei. Seit der Wende hat er einen Pflegevertrag mit der Stadt, dass er sich um das Denkmal kümmern darf. Sein Sohn Robert, gelernter Steinmetz, hat zwischendurch die Inschrift mit Farbe aufgefrischt und auch nach 100 Jahren keine Baufälligkeit an den Granitsteinen festgestellt. Günter Spichale hatte die Absicht, das Grundstück samt Gedenkstein zu erwerben, aber die Stadt will das nicht.

Ortsgeschichtlich von Bedeutung

Aus Sicht der Unteren Denkmalbehörde ist dieser Gedenkstein in der Denkmalliste von Sachsen aufgeführt. "Das Denkmal ist ortsgeschichtlich von Bedeutung", schreibt die Behörde auf Nachfrage der SZ. Die Stadt Niesky hatte bereits einen Antrag auf Umsetzen, fachlich Translozierung, bei der Denkmalbehörde gestellt. Inzwischen wurde der Antrag mit Auflagen positiv entschieden.

Dass dem Antrag stattgegeben werden konnte, begründet der Denkmalschutz damit: Die Entwicklung des Standorts ist laut historischer Karten von einem für das Denkmal solitären Standort zu einem Wohngebiet vollzogen worden. Damit ist die öffentliche Wahrnehmbarkeit stark zurückgedrängt. Des Weiteren kommt die Behörde zu dem Schluss, dass auf dem Ödernitzer Friedhof die Pflege besser gewährleistet werden kann. "Am jetzigen Standort ist das Denkmal komplett zugewachsen und nur zu finden, wenn man davon Kenntnis hat", urteilt das Amt nach einem Vor-Ort-Besuch. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass es sich bei dem Denkmal nur um einen Gedenkort und keine Grabanlage gefallener Soldaten handelt. Diese hätte eine Umbettung zur Folge.

Der Militärverein Neu Ödernitz errichtete nicht nur das Denkmal seiner Gefallenen aus dem Ersten Weltkrieg, sondern baute einen groß angelegten Schießplatz in der Nähe des heutigen Thüringer Weges.
Der Militärverein Neu Ödernitz errichtete nicht nur das Denkmal seiner Gefallenen aus dem Ersten Weltkrieg, sondern baute einen groß angelegten Schießplatz in der Nähe des heutigen Thüringer Weges. © privat

Nicht das erste Denkmal, das umzieht

Wenn der Stadtrat sein Einverständnis gibt, dürfte damit einem Umzug nichts mehr im Wege stehen. Doch so schnell wird das sicherlich nicht geschehen. Stannewisch hat ein ähnliches Problem. Auch dort steht ein Gedenkstein aus dem Ersten Weltkrieg, aber auf einem privaten Grundstück. Bereits genehmigt ist der Umzug des Denkmals wenige Hundert Meter weiter in die Nähe des Feuerwehrhauses und des Parkplatzes. Bisher ist das aber noch nicht passiert, obwohl Niesky Erfahrung im Umsetzen hat.

Ende der 1950er-Jahre wurde begonnen, den russischen Soldatenfriedhof samt Ehrenhain vom Zinzendorfplatz auf ein Stück des Gottesackers umzubetten. Mit der Sanierung des Zinzendorfplatzes zu Beginn der 1990er-Jahre verschwand das Denkmal der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) und wurde in Teilen auf dem Waldfriedhof neu aufgestellt. Heute erinnert es an die Verfolgten aus allen Diktaturen. Auch das 1911 errichtete Denkmal von Friedrich Schleiermacher, dem Nieskyer Pädagogiums-Schüler und späteren Theologen, steht inzwischen an seinem dritten Platz - vor dem Gymnasium, das seinen Namen trägt. Vom Monplaisir über den Gottesacker ist das Denkmal an den Zinzendorfplatz gekommen. Auf Initiatives des Vereins Freunde des Gymnasiums wurde es restauriert und an der heutigen Stelle vor dem Gymnasium wieder aufgebaut und 2005 enthüllt.