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91-jähriger Pirnaer: Statt Eisbaden jetzt Radtouren

Albert Jäger aus Pirna genießt das Alter und ist mit einem besonderen Gefährt im Elbtal unterwegs. Das gibt ihm das Gefühl von Freiheit.

Von Mareike Huisinga
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Albert Jäger aus Oberposta fährt mit seinen 91 Jahren noch immer mit seinem vierrädrigen Fahrrad bis nach Rathen oder Pratzschwitz.
Albert Jäger aus Oberposta fährt mit seinen 91 Jahren noch immer mit seinem vierrädrigen Fahrrad bis nach Rathen oder Pratzschwitz. © Karl-Ludwig Oberthür

Albert Jäger schaut aus dem Fenster. Sonne scheint, keine Wolke in Sicht und das Mitte Oktober. Klare Sache, er wird das Wetter für eine kleine Tour nutzen. Schnell zieht er seine warme Jacke an, die festen Schuhe stehen schon parat und schließlich schnappt er sich noch seine Schirmmütze. "Die schützt gut vor blendendem Sonnenlicht", sagt der Mann, der in Oberposta direkt an der Elbe wohnt. Er geht zu seiner Garage, in der kein Auto steht, sondern ein besonders Fahrrad. Es handelt sich um ein sogenanntes Sesselrad mit vier Rädern. Schnell löst Albert Jäger das große Schloss, setzt sich auf das Gefährt und radelt mit Rückenwind los in Richtung Wehlen. Das wäre nichts allzu Besonderes, wäre Albert Jäger nicht bereits 91 Jahre alt.

Einmal Rathen und zurück

Vor gut einem Jahr hat er das Rad erstanden und den Kauf nicht eine Minute bereut. "Ich bin glücklich, das zu tun, was ich möchte, und das Fahrrad ermöglicht mir das", stellt Jäger fest. Denn mit dem Rollator hat er eine Reichweite von maximal einem Kilometer. "Mit diesem Rad kann ich bis nach Rathen und wieder zurückfahren. Das sind insgesamt rund 16 Kilometer", berichtet der Senior. Für ihn bedeutet das ein Gefühl von Freiheit und Selbstbestimmung.

Bereits vor einigen Jahren wurde immer deutlicher, dass Albert Jäger Schwierigkeiten hatte, ein normales Zweirad zu nutzen. "Beim Auf- und Absteigen fühlte ich mich unsicher", erinnert sich Jäger. Zunächst liebäugelte er mit einem Dreirad für Erwachsene. In Dresden, in einem Fahrradfachgeschäft mit großer Auswahl, konnte er eine Probetour machen. Das Ergebnis überzeugte ihn allerdings nicht. "Ich kam mit dem Lenken nicht zurecht, es war schwer", erzählt Albert Jäger.

Dann entdeckte er in dem Laden das Sesselrad mit vier Rädern. "Es ist tiefer gelegen, sodass ich beim Anhalten mit den Füßen auf den Boden komme." Albert Jäger zögerte nicht, sondern schlug zu. Dafür musste er ordentlich in die Tasche greife, sein besonderes Rad kostet rund 6.000 Euro, hat allerdings auch einen Elektromotor. "Leichte Steigungen schaffe ich damit", meint Jäger.

Kasten Bier wird rangehängt

Jedoch radelt er lieber im ebenen Elbtal. Nicht nur für Ausflüge nutzt er sein Sesselrad. Auch seine Einkäufe erledigt er damit. Ein Korb befindet sich hinter dem Sitz. Wenn es mal etwas mehr sein soll, dann hängt Albert Jäger einfach einen ausrangierten Kinderanhänger an sein Rad. Somit kann er unter anderem neue Pflanzen und Blumen für seinen großen Garten transportieren. "Oder auch mal eine Kiste Bier", fügt Jäger schmunzelnd hinzu. Sein großes Ziel? "Ich würde gerne bis nach Bad Schandau und zurück fahren. Das sind 40 Kilometer insgesamt; dafür trainiere ich."

Rüstig und agil war Albert Jäger schon immer. Bis vor rund zwei Jahren stieg er jeden Morgen in die Fluten der Elbe, auch im Winter, bei Außentemperaturen im Minusbereich. Das ist nun vorbei. "Gesundheitlich kann ich das nicht mehr", sagt Jäger, umso mehr freut er sich, dass er auf Rädern mobil unterwegs ist.

Früher Priester, dann Lehrer

Albert Jäger wohnt gerne in seiner Idylle an der Elbe. Er ist hier mittlerweile verwurzelt. Geboren wird er bei Paderborn. Nach dem Abitur studiert er Philosophie und Theologie. Im Jahr 1965 gibt er seinen Beruf als katholischer Priester auf. „Den Dogmatismus der Kirche konnte ich nicht mehr aushalten.“ Also sattelt er auf Pädagogik um und arbeitet viele Jahre als Hauptschullehrer in Bielefeld. Seine Frau, deren Grabstein heute in seinem Garten an der Elbe steht, verstarb 1999. Um näher bei seiner Tochter zu sein, die als Pfarrerin in Reichenberg bei Moritzburg arbeitet, kauft er sich das Haus in Oberposta. „Die Lage an der Elbe hat mir sofort gefallen.“ Bereut hat er diese Entscheidung nie, auch nicht nach der Flut von 2013.