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Mit vier Dresdnern beim Eisbaden: Was treibt sie ins eisige Wasser?

An der Kiesgrube in Dresden-Leuben treffen sich an den Wintersonntagen regelmäßig Badefreunde. Sie schwören auf die Effekte des Eisbadens.

Von Dominique Bielmeier
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Wo sich im Sommer Badegäste an der Kiesgrube Leuben tummeln, trauen sich bei Minustemperaturen nur Hartgesottene ins eisige Wasser. Viele schwören aber auf die Effekte des Eisbadens.
Wo sich im Sommer Badegäste an der Kiesgrube Leuben tummeln, trauen sich bei Minustemperaturen nur Hartgesottene ins eisige Wasser. Viele schwören aber auf die Effekte des Eisbadens. © Jürgen Lösel

Dresden. Ein Nutria schwimmt forsch auf die vier Männer am Ufer zu, das dunkle Fell zerzaust vom Wasser, das Gesicht mit den großen gelben Schneidezähnen ein einziges Fragezeichen. Die werden doch nicht? Doch, die vier ziehen sich bei minus drei Grad Außentemperatur tatsächlich bis auf Badehose und Mützen aus. Dem Nager ist das nicht geheuer, er dreht um und schwimmt in Richtung der vielen Vögel, die in der Mitte der Kiesgrube in Dresden-Leuben treiben und schnattern.

Genauso entschieden steigen die Männer nun in das eiskalte Wasser, teils in Bade- und Handschuhen. Nach zwei, drei Metern senken sie sich ab, bis nur noch die Köpfe und Hände, die sie über das Wasser halten, herausschauen. Fast genau zwei Minuten harren sie so in Stille aus, bevor es wieder herausgeht und schnell nach Handtüchern und heißem Tee gegriffen wird. Die Haut ist rot gefleckt, die Glieder zittern, aber die Gesichter strahlen.

Wie fühlt man sich nach einem so eisigen Bad? "Am Leben", sagt der 20-jährige Luca Winkler lachend. Er ist heute das zweite Mal dabei. "Wie neu geboren", sagt Sven Eichner. Der 51-Jährige geht mit Paul Armingeon seit zwei Wintern regelmäßig zum Eisbaden, mindestens sonntagmorgens um 9, wie heute, oft auch noch mal unter der Woche. Pitt Müller, mit 53 diesmal der Älteste in der Runde, trampelt auf der Stelle, weil vor allem die Zehen schmerzen.

Paul Armingeon und Sven Eichner (v. l.) aus Dresden treffen sich im Winter regelmäßig zum Baden in der Kiesgrube Leuben. Das Wasser hat dann nur eine Temperatur von zwei bis drei Grad.
Paul Armingeon und Sven Eichner (v. l.) aus Dresden treffen sich im Winter regelmäßig zum Baden in der Kiesgrube Leuben. Das Wasser hat dann nur eine Temperatur von zwei bis drei Grad. © Jürgen Lösel

Obwohl es noch immer nicht wärmer ist, steht Armingeon noch ein paar Minuten in Jeans und T-Shirt am Ufer und genießt die Sonne auf der Haut. Es ist ein perfekter Tag zum Baden: kalt aber trocken, sonnig, wenig Wind. Im Sommer wäre hier die Hölle los, nun sind nur wenige Menschen an der Kiesgrube. Nebenan rodelt eine Familie dick eingepackt einen kleinen Hügel hinab. Noch immer sei es eine Überwindung, in das kalte Wasser zu steigen, sagt Armingeon. "Aber man weiß, es tut einem gut."

Zehn Minuten braucht der 39-Jährige von seinem Haus zur Kiesgrube zu Fuß und so sitzt er kurz nach dem Kälteschock auch schon im Sessel am warmen Holzofen in seinem Wohnzimmer. Rechts und links von ihm stehen Regale mit Büchern und Brettspielen an der Wand, auf dem kleinen Tisch vor ihm liegt das Buch "Eisschwimmen" der dänischen Wissenschaftlerin Susanna Søberg. Seit Kurzem hat Armingeon auch damit begonnen, immer mal ein paar Bahnen im kalten Wasser zu ziehen. Noch mal eine ganz andere Erfahrung sei das.

Eisbader: "Man lernt, was der Körper eigentlich kann"

Wie er zum Eisbaden gekommen ist, kann er gar nicht mehr so genau sagen, irgendwann war der Drang einfach da. Über eine Nachbarschaftsgruppe hat er sich Mitstreiter wie Sven Eichner gesucht und dann ging es einfach ins Wasser. Im Schnitt bleibt er dort meist zwei bis drei Minuten. Länger hätte keinen nennenswerten körperlichen Effekt – und könnte sogar schaden, sagen Mediziner. Personen mit Herz-Kreislauf- oder anderen Organ-Erkrankungen sowie Schwangere sollten lieber auf das kalte Bad verzichten. Und allgemein schadet es nicht, sich vorher medizinisch untersuchen zu lassen.

Ansonsten spricht aber nicht viel dagegen, sich immer wieder gezielt der Kälte auszusetzen – und vieles dafür. Eisbaden ist erwiesen gut für das Immunsystem und den Blutdruck, lässt das weiße Körperfett schmelzen und soll sogar schöne Haut machen.

Paul Armingeon macht es vor allem zufrieden. "Ich merke jetzt so eine Entspannung, so eine Gelassenheit", sagt er. Auf seiner Website schildert er seine Erfahrungen mit dem Eisbaden so: "Man lernt, was der Körper eigentlich kann und erfährt jedes Mal einen Kick, der einen noch Stunden später beschäftigt."

Anfängern rät er dazu, sich vor dem Baden ein wenig aufzuwärmen. Für ihn ist das der Fußweg an die Kiesgrube. Zur allgemeinen Vorbereitung finde man etliche Tipps online und müsse einfach für sich herausfinden, was funktioniert. "Kalt duschen war zum Beispiel nie so mein Ding." Badeschuhe und ein Malerfließ zum trockenen Umziehen machen das Baden bequemer.

Doch irgendwann steht man einfach an dem Punkt, an dem man ins zwei bis drei Grad kalte Wasser steigen muss. "Dann nicht lange überlegen, sondern einfach mal machen", sagt Armingeon. "Kopf aus und rein ins Wasser." Was in diesem Moment vielleicht tröstet: Im Wasser ist es dann oft noch am wärmsten.