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SOE: Gaskrise holt Gartenbaubetriebe ein

Wegen der hohen Energiekosten gibt es in den Gärtnereien Sorgen und Existenzängste. Was bedeutet das für die Kunden?

Von Anja Weber
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In der Gärtnerei Lohse in Pirna-Altjessen müssen jetzt die Frühjahrsblüher umsorgt werden. Für den Chef, Martin Förster, ein hoher Kostenfaktor.
In der Gärtnerei Lohse in Pirna-Altjessen müssen jetzt die Frühjahrsblüher umsorgt werden. Für den Chef, Martin Förster, ein hoher Kostenfaktor. © Karl-Ludwig Oberthür

Martin Förster steht inmitten der neu gepflanzten Primeln in einem seiner Gewächshäuser und gießt. Die Primeln sind noch im Miniformat und brauchen Pflege. In den Gewächshäusern daneben gedeihen prächtige Tomaten, Auberginen, Paprika, Gurken. Die Gärtnerei Lohse in Pirna-Altjessen ist einer der wenigen Gartenbaubetriebe, die noch mit einem breiten Sortiment am Markt sind. Auch Möhren, Mangold, Kohlrabi, Zwiebeln, Süßkartoffeln und die neuen Minikiwis stehen zum Verkauf. Wie lange das angesichts der steigenden Energiekosten noch so gehen kann, da ist Inhaber Martin Förster wie auch andere Berufskollegen im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge ratlos. Der Zentralverband Gartenbau jedenfalls schlägt Alarm.


Gerade jetzt in der kalten Jahreszeit ist die Wärme für die Pflanzen in den Gewächshäusern einer der größten Kostenfaktoren für den Betrieb. In dicken Trauben hängen die verschiedensten Tomatensorten noch an den Pflanzen. Kunden können sich hier zum Teil auch selbst bedienen. Und einige tun das gern, wie zum Beispiel Familie Hilger aus Pirna. Für sie ist die Gärtnerei ein fester Anlaufpunkt. Gemüse aus der Region und dann die Frühblüher.

Wie andere Gärtner auch drücken Martin Förster Sorgen wegen der Energiekrise und der unsicheren Zukunft. "Die Tomaten zum Beispiel müsste ich jetzt beheizen. Da sind die Kosten viel höher als das, was die Ernte und der Verkauf letztlich einbringt. Das ist einfach zu teuer und unwirtschaftlich, so schlimm das auch ist", sagt er. Etwa einen Hektar Fläche bewirtschaftet er mit seinem Team. Dazu gehören insgesamt zwölf Gewächshäuser.

Erntesaison bei Gärtnerei in Pirna endet früher

Auch wenn die Kunden sich noch mit den verschiedenen Gemüsesorten eindecken. Für Martin Förster steht fest: "Wir werden in diesem Jahr die Erntesaison eher beenden müssen, weil sich das Ganze nicht trägt", sagt er. Geheizt wird in seiner Gärtnerei mit Öl. Heizkosten und Strom haben sich verdoppelt. Etwa 20.000 Euro mehr wird er künftig pro Jahr mehr für Energie aufbringen müssen. Eine Summe, die am Ende erst einmal verdient werden muss. Wie die Preise für Gas steigen auch die für Heizöl immer weiter. Nichts Gutes ahnend habe er sich im Frühjahr die Hälfte des Jahresverbrauchs eingelagert. Eine gute Entscheidung. Im Mai hat er für den Liter Heizöl 1,08 Euro bezahlt, im letzten Jahr waren es noch 60 Cent und aktuell steht der Preis bei 1,30 Euro pro Liter. Als er vor 20 Jahren die Gärtnerei seines Opas übernommen habe, lag der Preis noch bei umgerechnet 29 Cent.

Die Gewächshäuser sind voll unter anderem mit leckeren Tomaten. Die könnten jetzt Wärme vertragen, damit sie keinen Schimmel ansetzen.
Die Gewächshäuser sind voll unter anderem mit leckeren Tomaten. Die könnten jetzt Wärme vertragen, damit sie keinen Schimmel ansetzen. © Karl-Ludwig Oberthür

Bei den Gärtnern wächst auch die Wut auf die Politik. "Das Problem scheint noch nicht angekommen zu sein. Es geht durch alle Branchen. Die kleinen Betriebe können doch nicht einfach mal für zwei Monate zumachen. Die Kosten laufen doch weiter", sagt Andy Nietzold von der Gärtnerei Nietzold in Freital. In der Vergangenheit habe man Gas immer als das Nonplusultra propagiert. Die Politik habe verschiedene Sachen verschlafen. "Wenn wir Gärtner nicht bissel optimistisch wären, müssten wir den Schlüssel rumdrehen", sagt er. Was man sich langfristig als Fundament aufgebaut hätte, breche jetzt alles zusammen. Es sei eine Katastrophe. Dazu kommt, dass er auch für seine Familie mit den fünf Kindern im Alter von drei bis 19 Jahren sorgen muss. Geheizt wird in der Gärtnerei zum einen mit Öl und zum anderen mit Gas. Dazu kommt dann noch der Strom.

Gartenbauverband fordert Energiesteuer auf null

Inzwischen schlägt der Zentralverband Gartenbau (ZVG) Alarm und fordert angesichts der Kostenexplosion am Energiemarkt kostendämpfende Maßnahmen. Dort ist man sicher, die Kostenbelastung der Betriebe übersteigt derzeit bei Weitem das, was am Markt mit den Gärtner-Produkten erwirtschaftet werden kann, heißt es. Deshalb hat der Zentralverband auch einen Brief an Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck geschrieben. Um die regionale Produktion zu erhalten und die Unternehmen vor Ort zu entlasten, bräuchten die Betriebe dringend eine Perspektive und Signale der Unterstützung.

Der Verband fordert zum Beispiel, die CO2-Bepreisung im Gartenbau, welche 2021 eingeführt wurde, für drei Jahre auszusetzen. Außerdem sei es aus Sicht des Verbandes dringend erforderlich, die Energiesteuer vorläufig auf null zu setzen. Des Weiteren würden die energieintensiven Gartenbau-Unternehmen einen zeitlich befristeten Kostenzuschuss benötigen.

Energie sparen oder Anbauflächen verkleinern

Die Gärtner treiben im Moment vor allem die unsicheren Zukunftsaussichten um. Wie sollen sie reagieren? Martin Förster hat in der Gärtnerei Lohse zuletzt etwa 20.000 Euro investiert und die Gewächshäuser energieeffizienter umbauen lassen. "Mehr geht da nicht", sagt er. Auch für ihn eine katastrophale Situation. Die Preise für die Kunden anheben, bringe nichts. Da die Leute ebenfalls weniger Geld in der Tasche haben. Er sieht sogar das Hauptgeschäft, die Frühlingsblumen, in Gefahr. Keiner wisse doch heute, ob die Leute dann überhaupt noch Geld für Blumen ausgeben.

In seinen Gewächshäusern müssen die jetzt gehegt und gepflegt und über den Winter gebracht werden. Die Pflanzen selbst würden zwar leichte Minusgrade vertragen, aber die Technik nicht. Die würde zufrieren. In den letzten Jahren waren die Winter mild. "Wenn wir Pech haben, kommt ein ganz harter Winter", befürchtet Martin Förster.

Sarah Hornig inmitten eines Blumenmeers in der Gärtnerei Lohse in Pirna-Altjessen.
Sarah Hornig inmitten eines Blumenmeers in der Gärtnerei Lohse in Pirna-Altjessen. © Karl-Ludwig Oberthür

Auch in der Gärtnerei Nietzold in Freital ist man derzeit am Überlegen, was man kurzfristig und längerfristig tun kann. "Wir müssen halt sehen, was schnell umsetzbar ist, also Anbaufläche verkleinern, Produktion anpassen, auf andere Kulturen ausweichen", sagt Andy Nietzold. Aber das Ganze ins Blaue hinein, weil der Kostenfaktor eben ein ganz unsicherer sei.

Der Zentralverband Gartenbau weist hier auf ein ganz entscheidendes Manko hin. Die EU-Krisenhilfe wird vom Bundeslandwirtschaftsministerium ausschließlich für Betriebe mit Nahrungsmittelproduktion verwendet. Gärtnereien bieten aber eben nun mal auch Blumen und Pflanzen mit an.