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Gericht: Pirnaer Stadtrat in Wirklichkeit kein Pirnaer

Thomas Mache hat 2019 nach eigenen Angaben die Voraussetzung erfüllt, in den Stadtrat von Pirna gewählt zu werden. Doch daran gibt es Zweifel - und nun ein erstes Urteil.

Von Thomas Möckel
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Stadtrat Thomas Mache: Im Verwaltungsrechtsstreit mit der Stadt unterlegen.
Stadtrat Thomas Mache: Im Verwaltungsrechtsstreit mit der Stadt unterlegen. © Daniel Förster

Vor etwa dreieinhalb Jahren kam in Pirna ein Verdacht auf, Ausgangspunkt für einen Fall, der in der Geschichte des Stadtrates bislang einmalig ist, selbst bundesweit gibt es nur wenige ähnlich gelagerte Fälle. Die Mutmaßung: Der Abgeordnete Thomas Mache, bei der Kommunalwahl 2019 für die Wählervereinigung „Pirna kann mehr“ (PKM) in den Stadtrat gewählt, sitze möglicherweise illegal im Kommunalparlament.

Der Vorwurf: Mache sei nicht wählbar gewesen, weil er zum Zeitpunkt der Wahl keinen Hauptwohnsitz in Pirna gehabt haben soll, was allerdings die Gemeindeordnung zwingend vorschreibt. Der Abgeordnete hatte zwar mit dem Haus Hauptstraße 7 in Copitz eine Meldeadresse angegeben, soll aber dort nie tatsächlich gewohnt haben. Mehrere Indizien – ein seit Jahren abgeklemmter Stromzähler, ein extrem niedriger Wasserverbrauch und ein regelmäßig überquellender Briefkasten – sprachen für diese Annahme.

Als die Stadt davon erfuhr, änderte sie im März 2020 das Melderegister dahingehend, dass Mache vom 5. Oktober 2017 – der Tag, an dem der Stromanschluss für die besagte Wohnung mit einem Sperrvermerk verplombt wurde – bis zum März 2020 keinen Hauptwohnsitz in der Gemeinde hatte. Dagegen ging Mache vor und beantrage seinerseits, dass die Stadt das Melderegister wieder zu seinen Gunsten ändert – dem das Rathaus allerdings nicht entsprach. Auch ein Widerspruchsverfahren blieb erfolglos, worauf Mache beim Verwaltungsgericht Dresden klagte.

Diesen Streit um die Berichtigung des Melderegisters hat Mache nun verloren. Die sechste Kammer des Verwaltungsgerichts Dresden hat seine Klage abgewiesen. Urteil und Entscheidungsgründe sind inzwischen an die Verfahrensbeteiligten verschickt worden, der Kammervorsitzende hat die Gründe noch einmal detailliert zusammengefasst.

Mache wittert eine politische Intrige

Laut des Gerichts war Mache aufgrund der Kommunalwahl vom 26. Mai 2019 Mitglied des Pirnaer Stadtrates. Er war bis zur strittigen Abmeldung der Wohnung Hauptstraße 7 in Copitz durch die Stadt Pirna am 17. März 2020 – die mit Wirkung vom 5. Oktober 2017 erfolgte – mit seiner Hauptwohnung im Pirnaer Gemeindegebiet gemeldet. Unter dieser Anschrift ist er seit Juli 2020 wieder mit alleiniger Wohnung im Melderegister verzeichnet, zwischendurch hatte er für kurze Zeit eine Adresse am Steinplatz angegeben. Aufgrund der Abmeldung durch die Stadt kommt das Gericht aber zu dem Schluss: In der Zeit vom 5. Oktober 2017 bis zum 21. Februar 2020 war Mache im Inland nicht mit einer Wohnung gemeldet – und war demzufolge auch nicht wählbar.

Das Rathaus habe Mache abgemeldet, als der Stadt im Januar 2020 bekannt geworden war, dass sich der Abgeordnete nicht mehr unter seiner damaligen Adresse aufhalten solle. Der Briefkasten zur Wohnung werde nur sehr unregelmäßig geleert. Bereits seit 5. Oktober 2017 sei der Stromzähler ausgebaut. Ermittlungen des Pirnaer Ordnungsamtes ergaben, dass sich Mache – auch nach Auskunft von Wohnungsnachbarn – nicht in seiner Wohnung aufhalte und dort nur sehr selten gesehen worden sei.

Gleichwohl machte Mache im April 2020 geltend, bis zu seiner Ummeldung im Februar 2020 die fragliche Wohnung als Hauptwohnsitz genutzt zu haben. Die Berichtigung des Melderegisters sei daher falsch und rechtswidrig und beruhe vermutlich auf einer politischen Intrige. Die Wohnung werde von ihm genutzt, auch wenn er sich dort eigentlich nur zum Übernachten aufhalte. Dem stehe nicht entgegen, dass er dort keinen Strom beziehe und einen nur geringen Wasserverbrauch habe.

Einfach zu wenig Wasser verbraucht

Auch im Prozess gab Mache an, seit März 2017 unter der Meldeanschrift Hauptstraße 7 in Pirna gewohnt zu haben. Dem trat Pirna entgegen, aus Sicht der Stadt habe Mache nicht in Pirna gewohnt, sondern bei seiner Lebensgefährtin und dem gemeinsamen Sohn in der Nachbargemeinde Dohma. Die Wohnung, unter der er bis zu der Abmeldung von Amts wegen gewohnt habe, habe der Abgeordnete nie tatsächlich bezogen, er habe sie auch nie zum Wohnen und Schlafen genutzt.

Das Verwaltungsgericht hat nun entschieden, dass das Melderegister nicht wie von Mache gewollt zu berichtigen sei. Vielmehr sei das Melderegister richtig, in dem Mache in der Zeit vom 5. Oktober 2017 bis 21. Februar 2020 im Inland nicht mit einer Wohnung gemeldet gewesen sei. Das Gericht zeigte sich überzeugt davon, dass Mache jedenfalls seit dem 5. Oktober 2017 nicht mehr unter der früheren Anschrift gewohnt habe. An diesem Tag sei der offensichtlich zu der damaligen Wohnung gehörende Stromzähler ausgebaut worden.

Auch aus den Ermittlungen des Ordnungsamtes ergebe sich, dass Mache dort nie gewohnt habe. Weiteres Indiz für eine fehlende Wohn-Nutzung sei ein überaus geringer Wasserverbrauch von weniger als einem Kubikmeter für einen Zeitraum von zweieinhalb Jahren. Auch wenn eine Wohnung nicht ständig oder auch nur regelmäßig genutzt werde, sei ein durchschnittlicher Wasserverbrauch von etwa einem Liter pro Tag allenfalls ausreichend, um einmal wöchentlich die Toilettenspülung zu betätigen – nicht aber um die Annahme zu stützen, eine Wohnung werde für die Angelegenheiten des täglichen Lebens benutzt.

Folgen für die Ausübung von Maches Stadtratsmandat hat das Urteil noch nicht. Es ist noch nicht rechtskräftig, zudem gibt es noch zwei Gründe, die ein mögliches Ausscheiden von Mache aus dem Stadtrat verzögern. Nach Auskunft des Verwaltungsgerichts hat das Gericht in diesem Fall keine Berufung zugelassen. Das Urteil könne daher nur mit der sogenannten Nichtzulassungsbeschwerde angegriffen werden, um möglicherweise doch noch ein Berufungsverfahren bei der nächsthöheren Instanz zu erwirken. Diese Rechtsmittelfrist läuft noch bis 20. November, vorher bewegt sich in dieser Angelegenheit nichts.

Zudem hat Mache auch gegen den formellen Beschluss des Pirnaer Stadtrates vom 29. September 2020, dass er wegen fehlender Wählbarkeit aus dem Kommunalparlament ausgeschieden ist, geklagt. Dieses Verfahren hat aufschiebende Wirkung – das heißt, er bleibt so lange Stadtrat, bis über diese Klage entschieden ist – was bisher noch nicht geschehen ist. Noch ist unklar, wann es in dieser Angelegenheit ein Urteil geben wird.