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Markersbacher Kalender-Geschichten und kein Ende

Marco Schröder gibt seit neun Jahren einen Kalender heraus, der viel mehr als das ist. Diesmal erzählt er über das Pfarrhaus, dessen Glanz längst verblasst ist.

Von Heike Sabel
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Marco Schröder hat es wieder getan: Zum neunten Mal hat er einen Kalender mit Markersbacher Geschichte gestaltet.
Marco Schröder hat es wieder getan: Zum neunten Mal hat er einen Kalender mit Markersbacher Geschichte gestaltet. © privat

Kalender geben Orientierung fürs Jahr. Tage, Wochen, Monate zu zeigen, sind ihre Aufgabe. Doch immer mehr werden Kalender nicht deshalb gekauft. Es sind die Fotos, die Sprüche, die Geschichten, die sie so begehrenswert machen. Nichts gibt es, wozu es keinen Kalender gibt. Sogar über einen so kleinen Ort wie Markersbach.

Der erste Schröder-Kalender erschien vor neun Jahren. Und es wäre wohl auch bei einem oder zwei geblieben, wenn die Markersbacher den Kalendermacher Marco Schröder nicht so unterstützen würden. Sie scheinen froh zu sein, endlich ihr Material, ihre Erinnerungen gut aufgehoben zu wissen. So ist jeder Kalender ein Ausflug in die Markersbacher Geschichte.

Als das Markersbacher Pfarrhaus gebaut wurde, war es ein repräsentativer Sitz des Pfarrers. Davon ist heute nicht mehr viel übrig.
Als das Markersbacher Pfarrhaus gebaut wurde, war es ein repräsentativer Sitz des Pfarrers. Davon ist heute nicht mehr viel übrig. © Egbert Kamprath

Diesmal hat der 41-Jährige und in Baden-Württemberg lebende Gymnasiallehrer 55 historische Dokumente aus drei Jahrhunderten ausgewählt. Sie geben einen Blick in das Leben der Markersbacher, Erinnerungen, die wohl sonst verlorengingen. Die einst durchweg mit Stroh gedeckten Bauernhäuser zum Beispiel. Oder wer weiß noch, welche Musikstücke auf der Markersbacher Orgel erklangen, als diese am Pfingstmontag 1966 nach der Restaurierung wieder angestimmt wurde? Wer erinnert sich noch an den Festakt anlässlich der Übernahme der Patenschaft durch die Volkssolidarität für den Markersbacher Kindergarten 1954? Und wem ist es noch präsent, dass der Tageseintritt für das 1974 eröffnete Bahraer Bad bei 15 Pfennigen lag? "Es sind eben nicht nur die Bilder und Dokumente an sich, die den Wert des Kalenders ausmachen, sondern - wie immer - vor allem die Geschichte und die Geschichten dahinter", sagt Schröder.

Erster Gottesdienst unter der Linde

Zum Markersbacher Pfarrhaus hat Schröder diesmal besonders viel in Erfahrung gebracht. Deshalb sind ihm das Deckblatt und der Januar gewidmet. Im 19. Jahrhundert galt das barocke Pfarrhaus als eine der schönsten Dorfpfarren weit und breit. Der großzügig angelegte Komplex befindet sich im Mitteldorf gegenüber der Kirche und war früher von einem großen, mit Obstbäumen bepflanzen Garten umgeben. Eine barocke, von hohen Sandsteinsäulen flankierte Toreinfahrt bildete den Zugang zum Wirtschaftshof. An der südlichen Grenze erhob sich bis 1945 die mächtige, weit über 400-jährige Pfarrlinde mit Sitzen ringsherum. Unter ihr soll Pfarrer George Hauptvogel 1539 den ersten evangelischen Gottesdienst in Markersbach abgehalten haben.

Beheizbare Räume - einst purer Luxus

Im Erdgeschoss des Haupthauses befand sich die Studierstube der Pfarrer mit einem eisernen Ofen. Hier wurden gelegentlich, wenn es im Winter extrem kalt war und sich die Kirche nicht erwärmen ließ, Taufen vorgenommen. Vier Räume besaßen einen Ofen, was 1724, dem Jahr der Errichtung, purer Luxus war. Der Name des Architekten ist nicht überliefert. Es gilt aber als wahrscheinlich, dass er der Markersbacher Baumeisterfamilie Kayser, auf die auch Lohmener Dorfkirche und zahlreiche Pirnaer Bürgerhäuser zurückgehen, entstammte. Bauherr war Pfarrer Johann Gottlieb Walpurger (1690-1765). Von ihm befinden sich zwei originale Kupferstich-Porträts in Schröders Besitz.

Charismatisch, selbstbewusst, gebildet, standesbewusst: So beschreibt Schröder den Markersbacher Pfarrer Walpurger. Dieser Kupferstich befindet sich im Original in Schröders Besitz.
Charismatisch, selbstbewusst, gebildet, standesbewusst: So beschreibt Schröder den Markersbacher Pfarrer Walpurger. Dieser Kupferstich befindet sich im Original in Schröders Besitz. © privat

"Charismatisch, selbstbewusst und gebildet muss er gewesen sein. Und wohl auch standesbewusst", sagt Schröder über den Pfarrer, der 1723 nach Markersbach kam. Das alte Pfarrhaus bot einen jämmerlichen Anblick. Walpurger ließ einen zweistöckigen steinernen repräsentativen Pfarrsitz bauen.

Für eine nur 300 Seelen zählende Gemeinde war das Pfarrhaus für über 800 Reichstaler überdimensioniert und viel zu teuer, sagt Schröder. Weil das Kirchenvermögen nicht reichte, mussten sich alle Einwohner an den Kosten beteiligen. Bei Kammerrat Karl Adolph von Carlowitz, Major Christian Wilhelm Niebeck und der Familie Conradi gab es mutmaßlich einiges zu holen. Allerdings erwiesen sich diese Herrschaften ebenso wie besitzlose Markersbacher als ausgesprochen zahlungsunwillig, erzählt Schröder. 1728, da war die Pfarre schon längst fertig, gab es noch 21 Säumige, und der Nentmannsdorfer Ziegelmeister Gottschling wartete auf die Begleichung seiner Rechnung über 30 Taler. Bis 1732 zogen sich die Querelen hin. Da war Walpurger schon seit drei Jahren nicht mehr in Markersbach, sondern wirkte in Reichenberg bei Dresden, ab 1735 in Waldheim.

Versteckte Aufforderung

So kann Schröder zu jedem Monat mehr erzählen, als im Kalender Platz hat. "Die Markersbacher werden mit den Dokumenten eigene Gedanken und Erinnerungen verbinden", sagt er. Inzwischen geht der Kalender in über hundert Exemplaren nicht nur nach Markersbach, sondern überall in die Welt, wohin es Einwohner verschlagen hat. "Vielleicht ist der Kalender auch eine versteckte Aufforderung, wieder einmal zurückzukommen und bei einem Spaziergang durch Markersbach dem seit vielen Jahren leider verwaisten Pfarrhaus einen anerkennenden Blick zu schenken."

Noch bis zum 31. Oktober kann der Markersbach-Kalender für 2022 unter [email protected] zum Selbstkostenpreis von 15 Euro plus Porto bestellt werden.