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Die berüchtigte Markersbacher Familie

Armenhäuser gab es früher vielerorts. Gymnasiallehrer Marco Schröder hat die Geschichte eines besonderen und seiner Bewohner erforscht.

Von Heike Sabel
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Marco Schröder vor dem Markersbacher Haus, an dessen Stelle sich einst das Armenhaus befand.
Marco Schröder vor dem Markersbacher Haus, an dessen Stelle sich einst das Armenhaus befand. © privat

Marco Schröder lebt schon seit vielen Jahren nicht mehr in Markersbach, kennt sich mit der Geschichte des Dorfes aber so aus wie wohl kein zweiter. Und wer denkt, was gibt es da bei nicht mal 400 Einwohnern schon viel zu erzählen, dem beweist Gymnasiallehrer Schröder immer wieder das Gegenteil - seit 2013 jährlich mit seinem Kalender "Damals in Markersbach", der umfassenden Ortschronik sowie etlichen Abhandlungen zur Dorfgeschichte und nun auch mit Büchern. Gemeinsam mit seinem Freund Matthias Schildbach hat er "Der Fall Rehn" über die Kindsmörderin Henriette Rehn geschrieben. Dazu gibt es nun nach dem ersten Begleitbuch „Die Königs“ das zweite mit dem Titel "Die übel berüchtigte Rinds-Familie".

Der Grund für die beiden Bücher zum Buch ist die Menge an Material. "Alle Informationen in den Hauptband zu packen, hätte dessen Umfang gesprengt und vom eigentlichen Thema – dem Kindsmord – abgelenkt", sagt Marco Schröder. So können zwar alle drei Werke auch unabhängig voneinander gelesen werden, wer aber "Der Fall Rehn" gelesen hat, findet Anknüpfungspunkte. So werden das Umfeld der Henriette Rehn und die Lebensverhältnisse im 19. Jahrhundert sowie Figuren und Familien, auf die im Buch nur am Rand eingegangen werden konnte, näher dargestellt.

Unliebsame Zeitgenossen in Markersbach

Die Geschichte der Familie Rind ist einerseits beispielhaft für die damalige Armut, aber doch auch sehr speziell. Fünf Generationen haben in Markersbach bei Bad Gottleuba im Armenhaus gelebt. Wohl jeder Ort wird mit derartigen Bewohnern, die sich nicht ins herrschende Gesellschafts- und Moralmuster einfügen wollten, zu tun gehabt haben, sagt Schröder. "Bemerkenswert ist aber gerade hier der Umstand, dass selbst die Markersbacher Pfarrer und Gerichtspersonen ein extrem angespanntes Verhältnis zu der Armenhaussippe pflegten." So wurden einige Geburten in der Familie im letzten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts offenbar bewusst nicht bezeugt. "Rinds, so muss man es leider sagen, waren einfach lästig und nach allem, was die Aktenlage offenbart, sehr unliebsame Zeitgenossen."

In Ermangelung von Informationen zu den ersten Lebensjahrzehnten des Stammvaters Gottfried Rind hat Schröder hier ein wenig mehr seiner Fantasie freien Lauf gelassen. Auch dabei half dem 42-jährigen Gymnasiallehrer sein Wissen und Gesamtverständnis für die Zeit. Die Verbindung der Einzelschicksale mit den historischen Ereignissen bringen solche Bücher auch Geschichtsmuffeln nahe.

So sah das Markersbacher Armenhaus um 1920 aus.
So sah das Markersbacher Armenhaus um 1920 aus. © Repro: privat

Das Material reicht noch für weitere Bücher, sagt Schröder. So hat er zum Beispiel einiges über die Rosenthaler Häuslerfamilie Claus, der der Vater des ältesten Kindes Henriette Rehns entstammt, gesammelt. "Obwohl es reizvoll wäre, weiter über das Leben niederer Schichten im 19. Jahrhundert zu schreiben, werde ich mich wohl erst einmal der Prominenz widmen, die sich im Laufe der Jahrhunderte mit Markersbach in Verbindung bringen lässt", sagt Marco Schröder.

Die übel berüchtigte Rinds-Familie. Schicksale im Markersbacher Armenhaus“ 96 Seiten, Preis: vier Euro, zu beziehen über [email protected]