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Neues Industriedenkmal: Warum vor Pirnas Klinik jetzt ein Flugzeug abhebt

Ein Edelstahlflieger erinnert an den VEB Strömungsmaschinen, einst zweitgrößter Betrieb in Pirna, und an ein besonderes Fabrikat – das ein jähes Ende fand.

Von Thomas Möckel
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Neues Industriedenkmal in Pirna: Initiator Peter Weißbach (l.) und EX-OB Klaus-Peter Hanke (2.v.l.) weihen den Flieger mit anderen ein.
Neues Industriedenkmal in Pirna: Initiator Peter Weißbach (l.) und EX-OB Klaus-Peter Hanke (2.v.l.) weihen den Flieger mit anderen ein. © Mike Jäger

Ungefähr an jener Stelle, wo sich heute der Haupteingang des Helios Klinikums Pirna befindet, zu erreichen über die Zufahrtsstraße von der Struppener Straße auf dem Sonnenstein aus, schlängelte sich früher der Strom der Werktätigen zu einer ganz anderen Institution. Es war der Hauptzugang zum VEB Strömungsmaschinen in Pirna, zu DDR-Zeiten mit rund 2.000 Beschäftigten der zweitgrößte Produktionsbetrieb der Stadt, angesiedelt auf dem Sonnenstein.

Viel ist vom einstigen Hort der Industriekultur nicht übriggeblieben. Die großen Hallen und Prüfstände sind längst verschwunden, auf einem Großteil der früheren Werksfläche steht seit 2007 das neue Pirnaer Krankenhaus. Lediglich das ehemalige Konstruktionsgebäude – der über 100 Meter lange Block, der parallel zum Elbhang steht – sowie das frühere Speisehaus an der Dr.-Benno-Scholze-Straße mit dem charakteristischen runden Treppenhaus haben überlebt. Beide Objekte wurden zwischenzeitlich zu Wohnhäusern umgebaut.

Doch nun, knapp 30 Jahre nach dem endgültigen Firmen-Aus, wird die Erinnerung an den VEB Strömungsmaschinen, dem so viele Pirnaer in Gedanken noch immer treu verbunden sind, auf spezielle Weise wach, mit einem Denkmal von besonderer Symbolkraft – genau am Ort der früheren Hauptpforte.

Pirna entwickelt die Flugzeug-Strahltriebwerke

Im Beisein vieler ehemaliger Strömungsmaschinen-Mitarbeiter wurde am 15. März auf der Wiese vor dem Klinik-Haupteingang ein außergewöhnliches Denkmal enthüllt, ein in Edelstahl gegossenes Modell des Flugzeuges „Baade 152“, das nun dauerhaft dort abhebt. Dazu erklärt eine Infotafel die Geschichte des Ströma-Werkes und die Anfänge der DDR-Luftfahrtindustrie. Ort und Datum für die Denkmal-Einweihung sind mit Bedacht gewählt, herausgekommen ist letztendlich ein Gemeinschaftswerk von Enthusiasten und Unterstützern. Doch wie hängt das alles zusammen, und was hat der frühere Oberbürgermeister Klaus-Peter Hanke damit zu schaffen?

Die DDR hatte 1952 beschlossen, im Raum Dresden eine Flugzeugfertigung aufzubauen, das kostenintensive Prestigevorhaben sollte einerseits die Überlegenheit der sozialistischen Wirtschaftsidee demonstrieren und andererseits hoch qualifizierten Flugzeugbauern eine Bleibeperspektive in der DDR ermöglichen. Ziel war unter anderem, das erste deutsche Passagierstrahlflugzeug zu bauen.

Als Produktionsstandort für Flugzeugtriebwerke in der DDR entstand das sogenannte Werk 802, der VEB Entwicklungsbau Pirna. Im Herbst 1956 lief in dem Betrieb das erste neue Strahltriebwerk, bezeichnet als „Pirna 014“, auf dem Prüfstand, zwei große Türme für die Prüfstände gab es seinerzeit auf dem Werksgelände. Triebwerke der Reihe "Pirna 014" sollten künftig ein spezielles Flugzeug antreiben – die „Baade 152“.

Ehemalige Ströma-Mitarbeiter bei der Enthüllung des Denkmals: Dem Betrieb noch immer treu verbunden.
Ehemalige Ströma-Mitarbeiter bei der Enthüllung des Denkmals: Dem Betrieb noch immer treu verbunden. © Mike Jäger

Beim zweiten Testflug stürzt das Flugzeug ab

Der Luftfahrtingenieur Brunolf Baade hatte die „152“ maßgeblich entwickelt, auch von Pirna aus, doch der Flieger ging nie in Serienproduktion. Zwar absolvierte der erste von mehreren Prototypen am 4. Dezember 1958 seinen Erstflug. Doch beim zweiten Testflug am 4. März 1959 stürzte das Flugzeug auf einem Feld bei Ottendorf-Ockrilla ab, nach dieser Katastrophe erklärte die DDR 1961 den Flugzeugbau endgültig für beendet.

Das Pirnaer Werk fokussierte sich in den Folgejahren darauf, Gasturbinen, Kraftübertrager für Lokomotiven und Strömungskupplungen herzustellen. Zunächst hieß der Betrieb VEB Gasturbinenbau und Energiemaschinenentwicklung Pirna, ab 1970 dann VEB Strömungsmaschinen. Nach der Wende privatisiert, ging das Unternehmen 1995 insolvent.

Doch bis heute halten die Strömungsmaschinen-Werker die Erinnerung wach, zu ihnen gehört auch Peter Weißbach, der einst in dem Betrieb lernte und auch kurz arbeitete – und der nun endlich die Zeit gekommen sah, dass ein Denkmal dauerhaft an den Betrieb erinnert, zumal Pirna gemeinsam mit anderen Akteuren schon am früheren Kunstseidenwerk und an den ehemaligen Glaswerkstätten in Copitz kleine Gedenkorte für die frühere Industriegeschichte einrichten ließ.

Besonderes Teil: Die Ehrentafel für Brunolf Baade stammt von der Außenhaut eines Flugzeuges vom Typ Airbus.
Besonderes Teil: Die Ehrentafel für Brunolf Baade stammt von der Außenhaut eines Flugzeuges vom Typ Airbus. © Mike Jäger

Vier Jahre von der Idee bis zum Denkmal

Vor reichlich vier Jahren wandte sich Weißbach mit seiner Idee an Hanke und machte gehörig Druck, Hanke nahm sich der Sache an, gleichwohl sollte das Vorhaben vier Jahre dauern ,weil der Rathauschef erst noch auf Sponsorensuche ging. Ein passender Platz für das Denkmal sollte her, ein bekannter und stark frequentierter Ort. Die Wahl fiel auf den früheren Ströma-Haupteingang, das Klinikum stellte den Platz vor dem Krankenhaus zur Verfügung. Das Modell und die Maße für den Flieger stammen von der „Elbe Flugzeugwerke GmbH“ in Dresden, die das Projekt ebenfalls unterstützen. Die Edelstahlwerke Schmees in Pirna Copitz gossen die „Baade 152“ in Edelstahl, die Sächsische Sandsteinwerke GmbH in Pirna lieferte den sandsteinernen Sockel.

Das Denkmal zeigt nun das Flugzeug, für das in Pirna einst die Triebwerke entwickelt wurden, im Steigflug, just aufgestellt an jenem Tag, als Brunolf Baade seinen 120. Geburtstag gefeiert hätte. Seine beiden Töchter waren bei der Einweihung dabei. „Das Denkmal ist der Wahnsinn“, sagt Weißbach. Und weil es sich um das Thema Luftfahrt dreht, steuerten die Elbe Flugzeugwerke noch ein besonderes Exponat bei.

Das Unternehmen baut vor allem Airbus-Passagiermaschinen in Frachtflugzeuge um. Er habe, sagt Geschäftsführer Kai Mielenz, zusätzlich etwas Luftfahrt mit nach Pirna gebracht. So steht nun neben der „Baade 152“ ein weiteres Stück Flugzeug – die Gedenktafel für Luftfahrtingenieur Brunolf Baade ist ein Teil der Außenhaut eines Airbus, der einst mehrere 10.000 Kilometer um die Welt geflogen ist.