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Initiator des Ströma-Denkmals: „Es ist eine Hommage an die Lebensleistung der Eltern“

Der Vater von Peter Weißbach wurde in die Sowjetunion zwangsverlegt und arbeitete später in Pirna. Nun hat der Sohn etwas initiiert, mit dem er den OB gehörig nervte.

Von Thomas Möckel
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Denkmal-Initiator Peter Weißbach vor dem Flugzeugmodell "Baade 152": "Ich hab den OB mit meiner Idee gehörig genervt."
Denkmal-Initiator Peter Weißbach vor dem Flugzeugmodell "Baade 152": "Ich hab den OB mit meiner Idee gehörig genervt." © Mike Jäger

Die frühe Kindheit von Peter Weißbach endete jäh, da war er vier Jahre alt. An einem Tag im Oktober 1946 standen plötzlich sowjetische Soldaten mit vorgehaltener Waffe an der Wohnung in Dessau, wo die Familie damals lebte. Sie nahmen seinem Vater den geliebten Ledermantel ab und forderten die Familie unmissverständlich auf, mitzukommen. Wohin es ging, wusste zu diesem Zeitpunkt keiner, Angst und Ungewissheit waren groß. Was damals niemand ahnte: Sie würden sehr lange weg sein.

Der Vater von Peter Weißbach, Fred Weißbach, war Flugzeugingenieur, er hatte bereits vor und während des Zweiten Weltkriegs in den Junkers-Werken in Dessau gearbeitet, er war ein gefragter Fachmann. Das sprach sich auch bei den Siegermächten herum. Zu den Reparationsleistungen nach Kriegsende gehörte auch, dass ab 1946 Fachkräfte aus dem Flugzeugbau samt Familien in die Sowjetunion verbracht wurden, um dort Flugzeugtypen vornehmlich für militärische Zwecke zu entwickeln und dafür ihr Fachwissen preisgeben. Acht Jahre lang, bis 1956, dauerte damals die Odyssee der Familie im Osten.

78 Jahre nach der Zwangsrekrutierung steht Peter Weißbach an einem Märztag 2024 vor dem Haupteingang des Pirnaer Klinikums auf dem Sonnenstein, Jeans, Lederjacke, braune Schuhe, im Mai wird der 82. Er hat etwas initiiert, was in vier Jahren zur Vollendung gereift ist, ein Flugzeugmodell als Denkmal für den früheren VEB Strömungsmaschinen, der in den 1950er-Jahren Strahltriebwerke für die DDR-Luftfahrt entwickelte. Der Edelstahlflieger im Miniaturformat, eine „Baade 152“, benannt nach ihrem Konstrukteur Brunolf Baade, erinnert nun an dem Ort, wo sich einst der Ströma-Hauptzugang befand, an den früheren Betrieb. Dass Weißbach so beharrlich darum kämpfte, liegt zum einen an dem Betrieb, aber auch an seiner Biografie und vor allem der seines Vaters.

Nach acht Jahren aus der Sowjetunion heimgekehrt

Familie Weißbach kam 1946 zunächst in die Gegend bei der Stadt Samara an der Wolga, acht Jahre sollte sie insgesamt in der Sowjetunion bleiben. Später ging es noch auf eine Insel, wo der von der Sowjetunion abgeworbene deutsche Raketenspezialist Helmut Gröttrup forschte und zusätzliche Fachleute angefordert hatte. Unter ihnen war auch Fred Weißbach. Später musste der Vater von Peter Weißbach noch nach Moskau, die Familie wurde getrennt, Mutter und Kinder wurden nach Hause geschickt, sie kamen zunächst nach Dessau, aber nur für einige Monate.

1956 kehrte auch Fred Weißbach zurück, die Familie zog auf den Pirnaer Sonnenstein, wo gerade neue Häuser entstanden waren. Der Vater hatte eine Stelle bekommen im Werk 802, dem VEB Entwicklungsbau Pirna, ein Vorläufer des späteren VEB Strömungsmaschinen, er wollte ja weiter in seinem Metier arbeiten. Aber noch in demselben Jahr nahm sich Fred Weißbach das Leben.

Sein Sohn folgte ihm später in den Betrieb, er lernte im Ströma-Werk Dreher, später absolvierte er ein Fernstudium in der Fachrichtung „Kraft- und Arbeitsmaschinen“, danach erwarb er noch sein Diplom an der TU Dresden. Er zog wieder auf den Sonnenstein, arbeitete aber bei dem Betrieb „Industrie- und Kraftwerksrohrleitungsbau Bitterfeld“ (IKR), der eine Außenstelle im Pirnaer Schlosspark betrieb, gleich neben dem VEB Strömungsmaschinen.

Ein Geschenk an den Ideengeber: Ex-OB Klaus Peter-Hanke (l.) überreicht Peter Weißbach eine Sandsteinbirne - die Frucht von Pirnas Wappenbaum.
Ein Geschenk an den Ideengeber: Ex-OB Klaus Peter-Hanke (l.) überreicht Peter Weißbach eine Sandsteinbirne - die Frucht von Pirnas Wappenbaum. © Mike Jäger

Man sieht die Arbeit der Eltern mit ganz anderen Augen

Inzwischen ist Weißbach längst in Rente, vor geraumer Zeit kam ihm aber eine Idee. Pirna erinnert bereits am ehemaligen Kunstseidenwerk und an den ehemaligen Glasproduktionsstätten in Copitz an die frühere, längst vergangene Industriekultur. Weißbach beschloss, dass es so etwas künftig auch für das Ströma-Werk geben sollte.

Aus seiner Sicht ist das neue Denkmal vor allem eine Hommage an die Leistung seiner Eltern, aber auch an die aller anderen Beschäftigten, die im damals zweitgrößten Industriebetrieb in Pirna arbeiteten. Wenn man älter wird, sagt Weißbach, sehe man die Arbeit seiner Eltern mit ganz anderes Augen, man achte und wertschätze die Leistung noch viel mehr, die es mit dem Blick des Altersweisen noch viel stärker zu würdigen gelte.

Vor reichlich vier Jahren kreuzte Weißbach mit seiner Idee beim damaligen Oberbürgermeister Klaus-Peter Hanke auf, er nervte den Rathauschef regelrecht mit Dauerbesuchen, der sich da aber selbst schon längst für den Vorschlag begeisterte. Hanke schlug seinerseits vor, das Denkmal als Flieger zu gestalten, die Stadt besorgte sich ein Modell davon in Dresden. Zudem warb der frühere OB um Sponsoren und Unterstützer, und fand sie letztendlich im Klinikum Pirna, in den Elbe Flugzeugwerken in Dresden, den Sandsteinwerken in Pirna und der Edelstahlgießerei Schmees, ebenfalls in Pirna.

Vier Jahre dauerte der Werdegang, bis alles unter Dach und Fach war, nun steht das Denkmal für das Ströma-Werk. „Es ist der Wahnsinn“, befand Weißbach, als der Edelstahlflieger enthüllt wurde. Dass diese spezielle Erinnerung nun vollendet ist, sei für ihn ein erhebendes Gefühl. Er will damit auch anderen Mut machen, Ideen beharrlich weiterzuverfolgen. „Denn wann man ein Ziel vor Augen hat und dranbleibt“, sagt Weißbach, „dann kann man es auch erreichen.“