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Pirnaer Kulturkampf: Sind Veranstaltungen auf den Elbwiesen zu laut?

Anwohner aus Copitz beschweren sich über den aus ihrer Sicht unzumutbaren Lärm. Dieses Jahr kommt die Musik nun wesentlich gedämpfter daher.

Von Thomas Möckel
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OB Klaus-Peter Hanke (l.) und Christfried Wutzler (2.v.l.) im Elbparadies: Die Beschallung war nicht mehr hinnehmbar.
OB Klaus-Peter Hanke (l.) und Christfried Wutzler (2.v.l.) im Elbparadies: Die Beschallung war nicht mehr hinnehmbar. © Thomas Möckel

Der Abend war noch jung, als sich der Ton merklich zuspitzte. Man leide unter akustischer Geiselhaft, war da zu hören, man sei dem Lärm ausgesetzt, ob man wolle oder nicht. Der Kultursommer auf den Elbwiesen, sagt ein Mann mit erregter Stimme, komme auf der anderen Seite als Kröte an, die man schlucken müsse. Das stundenlange Abspielen aktueller Hits sei eine akustische Umweltverschmutzung, von Kunstgenuss könne man bei dem Krach nicht sprechen. Zum Schluss zitiert er noch Friedrich Nietzsche, bei dem es in „Also sprach Zarathustra“ heißt: Lärm mordet Gedanken.

Was der Mann da mit drastischen Worten bedachte, war ein Ungemach, was vor allem die Anwohner der Postaer Straße in Pirna inzwischen als unzumutbar einstufen. Im Kern geht es um die zahlreichen Veranstaltungen im zurückliegenden Jahr auf den Altstädter Elbwiesen, die zwangsläufig auch die rechte Elbseite beschallen – was aber offenbar zu viel war für empfindsame Ohren.

So formierte sich Widerstand gegen die Lärmfront, der Unmut und mögliche Lösungsvorschläge sind niedergeschrieben in einem Brief vom November 2022 an den Oberbürgermeister Klaus-Peter Hanke und die Stadträte. Sechs Anwohner von der Postaer Straße haben den Brief unterschrieben, federführend zu Papier gebracht hat die Zeilen Christfried Wutzler. Darüber hinaus unterstützen aber noch viel mehr Menschen das Anliegen, das im Endeffekt auf einen Kompromiss hinauslaufen sollte zwischen angebotener Kultur auf der einen und dem Ruhebedürfnis der Menschen auf der anderen Seite. Doch zunächst galt es, dem Ärger Luft zu machen.

Discos sind eine besondere Belastung

Grundsätzlich begrüßen die rechtselbischen Anrainer, so heißt es in dem Brief, jegliches Engagement für das kulturelle Leben in Pirna. Allerdings habe die Lärmbelästigung durch verschiedenste Veranstaltungen auf den Elbwiesen die Toleranz- und Schmerzgrenze für viele Anwohner deutlich überschritten. „So konnte es einfach nicht weitergehen“, sagt Wutzler. Die Verfasser haben einmal aufgelistet, was aus ihrer Sicht zu viel des Guten ist. Da ist zum Beispiel der alljährliche Tanz in den Mai, Kanu- und Rudersportwettbewerbe auf der Elbe, die Kundgebung zum 1. Mai, das Stadtfest, der Radeberger Kinosommer, der Kultursommer von Tom Pauls und des Q24 und 2022 erstmal das Elbwiesenfest um den 3. Oktober herum.

Besonders die diversen Tanzveranstaltungen, so die Briefautoren, seien für die Anwohner eine große Belastung, da dabei die Bässe durchs Elbtal wummern. Selbst bei geschlossenen Fenstern sei die Lärmbelästigung sehr hoch, ein entspannter Aufenthalt im Garten sei undenkbar. „Diese Beschallung war nicht mehr hinnehmbar“, sagt Wutzler.

Grundsätzlich kompromissbereit, formulierten die Anwohner mögliche Lösungsvorschläge. So sollten beispielsweise die Veranstaltungen auf drei Wochenenden beziehungsweise auf insgesamt zwölf Abendveranstaltungen im Jahr begrenzt werden. Das Bühnenprogramm soll jeweils 22 Uhr enden, auch soll ein maximaler kontrollierbarer Lärmpegel festgelegt werden. Könnten diese Regeln nicht eingehalten werden, so die Verfasser, sollte ein anderer Veranstaltungsort außerhalb von Wohngebieten angeboten werden.

Ruf nach Kultur muss gehört werden

Dem Wunsch, sachlich und respektvoll über die Thematik zu sprechen, kam Hanke nach. Kürzlich hatte die Stadt zu einer Einwohnerversammlung ins Hotel „Elbparadies“ geladen. Der Rathauschef dankte den Anwohnern um Wutzler, dass sie die Initiative ergriffen hatten. Die Stadt nehme diese Angelegenheit sehr ernst und wolle den Bürgern schildern, wie es zur geballten Kultur kam und wie es in diesem Jahr mit den Veranstaltungen auf den Elbwiesen aussieht.

Zunächst warb Hanke um Verständnis für die Feiern und Feste. „Wir alle haben miteinander Corona durchstehen müssen“, sagt der Rathauschef. Als sich dann endlich vieles lockerte, habe es die große Forderung gegeben, wieder mehr Veranstaltungen im Freien zu machen. Dafür seien viele Unterschriften gesammelt worden. Daraus entspringt beispielsweise der Kultursommer. Weil weder das Tom-Pauls-Theater noch das Q24 in den Jahren 2021 und 2022 viele Gäste in die Räume lassen durften, taten sich beide zusammen und gestalteten in beiden Jahren jeweils ein einmonatiges Kulturprogramm an den Elbwiesen.

Bei der vielen Kultur, so räumt der Oberbürgermeister ein, seien die Bewohner der anderen Elbseite teils über die Maßen hinaus beansprucht worden – auch deswegen, weil einige technische Dinge nicht so liefen wie sie sollten. Das bestätigt auch Steffen Klinke vom Verband der Selbstständigen, der im vergangenen Jahr sowohl den Tanz in den Mai als auch das Oktoberfest an der Elbe organisierte. Vor allem bei der Fete im Herbst sei die Musikanlage falsch eingestellt gewesen, somit hätten die Bässe sehr in Richtung Posta gedröhnt. „Generell aber muss in Pirna auch der Ruf nach Kultur gehört werden“, sagt Klinke.

2023 gibt es weniger auf die Ohren

In diesem Jahr dürfte nun alles insgesamt leiser werden, für die wenigen geplanten Freiluft-Sausen am Elbufer gibt es laut Hanke strenge Vorgaben. Beim Tanz in den Mai, der am 28. April beginnt, endet die Beschallung am Freitagabend bereits 20 Uhr, am Sonnabend ist 22 Uhr Schluss, am Sonntag dann 24 Uhr. Zum Stadtfest im Juni wird es ebenfalls ruhiger, es gibt zwar am Elbufer wieder eine Sportmeile des Kreissportbundes, aber diesmal alles ohne Disko, Karussell und Co. Abendveranstaltungen an der Elbe sind zum diesjährigen Stadtfest nicht vorgesehen. Nach Aussage von Klinke bauen die Schausteller ihre Fahrgeschäfte diesmal am Thälmannplatz auf.

Ein Freiluft-Kulturmonat im Sommer ist ohnehin nicht mehr vorgesehen, da sowohl das Tom-Pauls-Theater als auch das Q24 ihre angestammten Spielstätten in der Altstadt wieder ohne Einschränkungen bespielen können. Für den Herbst ist bislang noch keine Fete angemeldet, sodass es generell außer dem Tanz in den Mai und zum Stadtfest in diesem Jahr keine weiteren Veranstaltungen an der Elbe gibt. „Damit“, sagt Hanke, „sind wir den Anwohnern an der Postaer Straße ein gutes Stück entgegengekommen.“