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SOE: Drei Gründe, warum die Zahl der Ausländer so hoch ist wie nie

Für den größten Anstieg sorgten kriegsvertriebene Ukrainer. Doch die meisten Ausländer kommen aus ganz anderen Ländern.

Von Gunnar Klehm
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Grundschüler aus der Ukraine sitzen in einem Klassenzimmer.
Grundschüler aus der Ukraine sitzen in einem Klassenzimmer. © dpa

Im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge leben so viele Ausländer wie noch nie. Das geht aus dem Jahresbericht des Beauftragten für Integration und Migration hervor. Zum Stichtag 30. Juni 2022 lebten im Landkreis 10.363 Personen ohne deutschen Pass. Das sind 4,24 Prozent der Gesamtbevölkerung. Zum Vorjahr ist das ein Anstieg von mehr als 3.000 Personen. Betrachtet wird jeweils der Zeitraum von Anfang Juli bis Ende Juni eines Jahres. Für die vergleichsweise hohe Zahl gibt es drei Gründe.

Erstmals liegt die Ausländerzahl bei über 10.000 Personen. Zudem gibt es den höchsten Anstieg überhaupt. Das hat unmittelbar mit dem Angriff Russlands auf die Ukraine zu tun. Mit Stand vom 1. Juli dieses Jahres waren laut Landratsamt 2.377 Ukrainer in der Zuständigkeit der Ausländerbehörde des Landkreises. In den vergangenen Monaten hat sich die Zahl noch leicht erhöht.

Kriegsvertriebene aus der Ukraine

Im Sommer waren davon 259 Personen in vom Landkreis angemieteten Wohnraum untergebracht worden. Alle anderen haben sich selbst um Wohnraum gekümmert oder sind privat untergebracht. "Meinen tiefen Respekt und den außerordentlichen Dank an die Unterstützerstrukturen", erklärt der bisherige Migrationsbeauftragte, Stephan Härtel. Er trat von seinem Amt inzwischen zurück. Noch in diesem Jahr sollte seine Nachfolge geklärt werden.

© SZ Grafik

Mit Beginn des Angriffskriegs auf die Ukraine haben sich im Landkreis unzählige ehrenamtlich getragene Partnerschaftsinitiativen neu gegründet oder konnten vormals bestehende Netzwerke reaktiviert werden. Die Aktionsbündnisse sind meist an die kommunalen, sozialen beziehungsweise kirchlichen Strukturen angebunden und vernetzt, erklärt Härtel.

Kriegsvertriebene aus der Ukraine werden nach einer Gesetzesänderung nicht nach Asylbewerberleistungsgesetz versorgt, sondern nach Sozialgesetzbuch. Von den arbeitsfähigen Ukrainern im Landkreis waren im Juli 2022 rund 900 arbeitslos gemeldet. "Die Ukrainer zeigen jedoch ein hohes Potenzial für Vermittlungen auf. So konnten bereits zehn Prozent der arbeitsfähigen Personen sozialversicherungspflichtig beschäftigt werden", erklärt Härtel.

Mehr Asylbewerber seit 2015

Der davor letzte große Anstieg bei der Zahl der Ausländer wurde im Landkreis 2015 verzeichnet. Insbesondere aus dem kriegszerstörten Syrien flohen Menschen nach Deutschland. Sie kamen zumeist ebenso über die sogenannte Balkan-Route wie Menschen aus den Krisenregionen Afghanistan und Irak. Bis 2017 ging die Zahl wieder erheblich zurück, bleibt seitdem aber relativ konstant (ohne Ukraine).

Mit Stand vom 1. September 2022 lebten 1.212 Asylbewerber im Landkreis, etwa die Hälfte davon hatten noch ein laufendes Verfahren. 2016 wurden noch über 2.000 Asylbewerber registriert. Von den Personen mit anerkanntem Asyl haben sich mit Stand Juli 2022 laut Arbeitsagentur 270 Personen arbeitslos gemeldet.

Ausländer in den Städten und Gemeinden im Landkreis SOE. Eine Grafik aus dem Jahresbericht 2022 des Beauftragtes für Integration und Migration und Asylbewerber.
Ausländer in den Städten und Gemeinden im Landkreis SOE. Eine Grafik aus dem Jahresbericht 2022 des Beauftragtes für Integration und Migration und Asylbewerber. © LRA, Jahresbericht 2022

Jährlich kommt es im Schnitt zu etwa 40 Abschiebungen aus dem Landkreis. Zudem wird eine „Rückkehrberatung“ angeboten. Das macht im Landkreis etwa der Caritasverband für Dresden e.V. und das Diakonischen Werk Pirna. Über diese Beratung konnten seit 2015 zwischen 100 und 30 Personen jedes Jahr zur freiwilligen Rückkehr in ihre Herkunftsländer bewegt werden.

Die Hauptherkunftsländer der Asylbewerber im Landkreis waren mit Stand von September 2022 Afghanistan (16 %), Syrien (13 %), Russland (19 %), Venezuela (9 %), Irak (8 %).

Arbeitnehmer aus EU-Staaten und Großbritannien

Immer mehr Bürger aus der Europäischen Union (EU) wählen den Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge als ihren Wohnort. Seit 2016 steigt die Zahl laut Jahresbericht kontinuierlich. Ende Juni dieses Jahres war das mit knapp 6.000 Personen die größte Gruppe unter den Ausländern im Landkreis.

Erklärtes Leitziel im Landratsamt ist die Integration von Migranten in den ersten Arbeitsmarkt. Das soll über das Programm "Arbeitsmarktmentoren" des Freistaates gefördert werden. Im hiesigen Landkreis wird das von der AWO Sonnenstein gGmbH durchgeführt.

Hauptstandort der Arbeitsmarktmentoren ist das AWO-Beratungszentrum in Pirna, wo eine direkte Anbindung an Migrationsberatung, Flüchtlingssozialarbeit und Sprachmittlerdienst gegeben ist. Zusätzlich finden laut Härtel wöchentliche Sprechstunden in Freital und zweiwöchig in Klingenberg sowie mobile Beratungen nach Bedarf statt.


Nutzen können das alle Migranten, nicht nur EU-Ausländer. Härtel wünscht sich zusätzlich die "Einrichtung eines dauerhaften Außenstandortes in Freital" und eine Aufstockung des Projektpersonals.

Wo die meisten Ausländer leben

Erwartungsgemäß ist in den größten Städten des Kreises auch die Zahl der Ausländer am höchsten. In Pirna wohnen laut Jahresbericht rund 2.600 Ausländer und damit ein Viertel aller im Landkreis. In Freital sind es etwa 2.300, in Heidenau etwa 1.100, in Sebnitz 600 und in Dippoldiswalde 500.

Mit Abstand die meisten Asylbewerber leben jedoch in der Gemeinde Klingenberg. Das ist auf die dort befindliche Gemeinschaftswohnanlage zurückzuführen. Bei den ländlichen Regionen liegt Altenberg mit knapp 450 Ausländern vorn, davon knapp einhundert Asylbewerber. Dort leben jedoch auch viele Tschechen, die in Deutschland arbeiten. Ähnlich ist das in Sebnitz.

Wie sich die Lage weiter entwickelt, ist jedoch unklar. Es ist nicht absehbar, dass es in der Ukraine ein Ende der Bombardierungen durch Russland gibt. Von den Erstaufnahmeeinrichtungen des Freistaates wurden dieses Jahr erheblich mehr Asylbewerber dem Landkreis zugewiesen. Im Vergleich zu 2020 hat sich die Zahl verdoppelt.

Im November rechnete das Landratsamt mit der Zuweisung weiterer 270 Personen. Der Landkreis hatte mit Stand 1. November 2.226 Plätze zur Unterbringung Geflüchteter vertraglich gebunden, davon 603 in Gemeinschaftsunterkünften. Insgesamt waren 1.653 Personen untergebracht worden. Um weiterhin handlungsfähig zu sein, wurden zuletzt das Lionshostel in Königstein und das Hotel Sonnenhof in Sebnitz von der Unterbringung ukrainischer Vertriebener auf Asylfamilien vertraglich umgewidmet, teilt das Landratsamt mit.