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"Radibor funktioniert auch ohne mich!"

Nach fast 30 Jahren als Bürgermeister räumt Vinzenz Baberschke seinen Schreibtisch. Angst vor dem Abschied hat er nicht — aber viele Pläne.

Von Franziska Springer
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Zeit zum Entspannen an der frischen Luft hat Vinzenz Baberschke ab dem 22. April häufiger. Dann übergibt er das Bürgermeister-Amt an Madeleine Rentsch.
Zeit zum Entspannen an der frischen Luft hat Vinzenz Baberschke ab dem 22. April häufiger. Dann übergibt er das Bürgermeister-Amt an Madeleine Rentsch. © SZ/Uwe Soeder

Radibor. Der Bürgermeister von Radibor, Vinzenz Baberschke (CDU), verabschiedet sich am 21. April in den Ruhestand. Bevor er die Tür des Gemeindeamtes hinter sich schließt, traf sächsische.de den 61-Jährigen zum Rück- und Ausblick.

Herr Baberschke, Sie waren fast 30 Jahre lang Bürgermeister. Freuen Sie sich nach so langer Zeit auf den Ruhestand oder haben Sie Angst davor?

Wenn man genau sein will, war ich 27 Jahre und 137 Tage lang im Amt. Das ist eine lange Zeit. Angst vor dem was kommt, habe ich trotzdem nicht. Ich bin ein zutiefst optimistischer Mensch und habe viele Pläne! Am 21. April ist mein letzter Arbeitstag. In der Nacht auf den 22. April fahre ich für drei Tage zum Angeln an die Ostsee. Dort will ich abschalten, zur Ruhe kommen. Im Mai fahre ich nach Spanien und wandere 860 Kilometer auf dem Jakobsweg.

Wie lange planen Sie dafür ein?

Was die Dauer der Reise angeht, habe ich keinen Plan. Ich nehme mir die Zeit den Weg mit Genuss zu gehen. Und ich hoffe, dass ich danach einen ausreichend großen Abstand von meinem Dasein als Bürgermeister habe. Denn den brauche ich jetzt erst einmal.

Also ist nicht zu erwarten, dass Sie sich weiterhin auf den Fluren des Gemeindeamtes herumdrücken?

Ganz sicher nicht! Das gehört sich auch nicht. Ich denke, die Gemeinde hat eine gute Bürgermeisterin gewählt. Madeleine Rentsch wird das richtig gut machen. Natürlich hängt mir Radibor am Herzen. Das wird auch so bleiben. 27 Jahre gehen nicht spurlos an einem vorbei. Wenn man mich um Rat bittet, bin ich natürlich da. Aber ich bin überzeugt, dass Frau Rentsch weiß, was sie will. Außerdem haben wir einen guten Gemeinderat. Das sind alles vernünftige Menschen. Alles wird auch ohne mich bestens funktionieren.

Gab es einen Moment, in dem Ihnen klar wurde, dass Sie nicht für eine weitere Amtszeit kandidieren wollen?

Das war ein längerer Prozess. Als ich mein 25-jähriges Dienstjubiläum hatte, habe ich mir überlegt, dass ich im Altkreis Bautzen der dienstälteste hauptamtliche Bürgermeister bin. Viele Kollegen, mit denen ich zusammengearbeitet habe, sind längst im Ruhestand. Ich musste überlegen, ob ich für eine weitere Legislaturperiode zur Verfügung stehe. Wenn man 62 ist – und das werde ich dieses Jahr – wäre ich nach weiteren sieben Jahren 69. In diesem Alter braucht man sich nicht mehr viel vornehmen. Ich bin gesundheitlich noch in guter Konstitution. Und ich will noch bisschen was erleben. Im Februar vor zwei Jahren habe ich offiziell verkündet, dass ich aufhöre. Mit diesem Schritt gab es an meiner Entscheidung nichts mehr zu rütteln.

Haben Sie jemals bereut, eine politische Karriere eingeschlagen zu haben?

Nein. Als ich Bürgermeister wurde, lag gerade die Wende hinter uns. Das war eine verrückte, eine absolute spannende Zeit! Ich war auch zu DDR-Zeiten ein unbequemer, kritischer Mensch. Als dieser Abschnitt vorbei war, hatten wir Systemkritiker nicht das Recht, uns aus der Verantwortung zu stehlen. Wir mussten. Wir waren dran! Das war meine Überzeugung. Ich habe mich bewusst zur Wahl gestellt. Der Weg ins Amt war kein Selbstläufer. Ich war umstritten, bin den Leuten ständig auf den Keks gegangen. Bei der ersten Wahl bin ich gescheitert, bei der zweiten wurde ich mit einer Stimme Mehrheit gewählt und bin am 1. November 1992 Bürgermeister geworden. Was folgte, war eine schöne Zeit. Solch eine Bürokratie wie heute gab es damals noch nicht. Es herrschte Anarchie – aber auf eine gute Art. Es war unkompliziert. Ich habe zu keinem Zeitpunkt bereut, in solch turbulenten Zeiten diesen Weg eingeschlagen zu haben.

Wenn Sie heute zurückblicken: Was war der größte Erfolg Ihrer Amtszeit?

Der Neubau der Turnhalle war eindeutig das wichtigste Projekt. Damit haben wir Radibor als Schulstandort gesichert. Ein weiterer wichtiger Meilenstein war der Erhalt der Mittelschule. Die stand 2005 kurz vor der Schließung. Wir haben gegen die Nichtzulassung der fünften Klasse gegen den Freistaat geklagt und waren die erste Gemeinde, die eine solche Klage gewonnen hat. Für die Ansiedlung junger Familien ist der Erhalt des Schulstandortes bis heute ein nicht zu unterschätzender Faktor.

Und anders herum gefragt: Welches war die herbste Enttäuschung?

Ich habe keine Enttäuschung erlebt. Ich habe auch nie eine Entscheidung bereut. Ich bin überzeugt, dass wir als Gemeinde einen guten Weg gegangen sind. Natürlich haben wir nicht alles umgesetzt, was wir uns vorgenommen haben. Aber das liegt in der Natur der Dinge. Man hat immer mehr Wünsche als man sich erfüllen kann. Im Großen und Ganzen haben wir eine gute Entwicklung genommen. Schule, Kindergarten, Brandschutz, Gewässerpflege – das sind die Dinge, die gemacht werden müssen. Ich denke, große Fehler haben wir dabei nicht gemacht.

Wenn Sie die Gemeinde beschreiben müssten, die sie Madeleine Rentsch im kommenden Monat hinterlassen – welche Worte würden Sie wählen?

Radibor ist eine ganz interessante Gemeinde! Die Zweisprachigkeit macht uns speziell. Und die vielen Ortsteile mit ihrer jeweils ganz eigenen Mentalität. Das zu verwalten ist  eine riesige Herausforderung. Die Gemeinde in ihrer Vielfältigkeit als Einheit zusammenzuhalten wird auch in Zukunft die größte Herausforderung sein. Aber das traue ich Frau Rentsch zu. Das macht die!

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