Kamenz: Problem-Ruine weicht Ladenanbau

Kamenz. Wie oft stand das Haus Nummer 21 an der Kamenzer Nordstraße in der Kritik? Mindestens viermal schaffte es die Ruine mit ihrer traurigen Geschichte zumindest ins Lesertelefon der Sächsischen Zeitung. Die Anwohner hatten Angst, das etwas passiert. Ganze Bäume wuchsen aus dem einsturzgefährdeten Objekt an der viel befahrenen Straße. Eine marode Fassade hielt zuletzt den Rest an Schutt zusammen. Die Stadtverwaltung hatte mit dem Zumauern der Fenster eine Sicherung veranlasst. Lange waren die Eigentumsverhältnisse ungeklärt. Doch dann kümmerte sich eine Immobilienfirma um den Verkauf.
Nico Scholze und Mario Mark, die im Nebengebäude seit 2017 ihren An- und Verkauf betreiben, interessierten sich für die Ruine. "Die Passanten und Anwohner kamen auch zu uns und fragten, ob wir uns nicht darum kümmern könnten", so Nico Scholze. Die jungen Männer machten im Mai 2018 Nägel mit Köpfen, indem sie das Haus erwarben.
Aus eigener Kraft rissen sie in den vergangenen Monaten den Schandfleck ab, entkernten den Hinterhof. Sie mauerten neue Wände hoch, stockten die Fassade auf und ließen das Dach eindecken. Das meiste aber packten sie selber an. "Ein Anwohner, der jahrelang den hässlichen Anblick des Hauses ertragen hatte, brachte uns vor lauter Freude einen Kasten Bier rüber", erzählt Mario Mark.

Der An- und Verkauf befand sich bis dato nur im Haus von Mario Marks Opa an der Ecke zur Grenzstraße. Nun wurde erweitert. Die Mark & Scholze GbR, die Umzüge und Haushaltsauflösungen anbietet, war platztechnisch an ihre Grenzen gekommen. "Wir bieten ja viele der Gebrauchtmöbel und vor allem Technik aus den Haushaltsauflösungen bei uns im Geschäft an. Unsere bisherigen Räume kamen da an ihre Belastungsgrenze", so Nico Scholze.
Zumal man seit Mai 2017 noch Partner-Filiale der Deutschen Post ist - neben dem Hauptpostamt in der Altstadt die einzige in Kamenz. Durch einen Zufall kamen die beiden dazu. "Wir haben die ehemalige Poststelle an der Fichtestraße nach der Schließung beräumt. Da wurden wir gefragt, ob wir das nicht übernehmen wollen", erzählen sie. Sie wollten, denn damit hole man sich mehr Laufkundschaft ins Geschäft.

Mario Mark und Nico Scholze haben den richtigen Riecher, wenn es um An- und Verkauf geht. Nico startete bereits mit 23 Jahren sein eigenes Geschäft an der Macherstraße. "Ich wollte schon damals nicht nur ein Wochenend-Papa sein, deshalb habe ich mir neben dem Betriebswirtschaftslehre-Studium in Freiberg ein zweites Standbein aufgebaut. Und war so mehr daheim in Kamenz", berichtet er.
Auch Kumpel Mario war vor der gemeinsamen GbR in der Branche unterwegs. "Wir haben uns immer gut verstanden. Deshalb haben wir uns zusammengetan", sagt der 34-Jährige. Zwei Mitarbeiter konnte man mittlerweile einstellen. Und wenn es an Großprojekte geht, werden zusätzliche Honorarkräfte gebraucht. Das Geschäft mit gebrauchten Dingen des Alltags boomt.
Immer wieder werden die beiden Männer zu Großaufträgen gerufen. Beispielsweise zum Umzug des Statistischen Landesamtes, zur Caritas oder zu Firmen der Region. "Wenn man uns braucht, fahren wir aber auch bis nach Frankreich, Köln oder Berlin", so Nico Scholze. Oftmals ist es gute Mundpropaganda, die zu neuen Aufträgen führt.

"Wir haben schon einiges gesehen bei unserer Arbeit", sagt der 31-jährige Kamenzer und fügt an: "Auch viel Elend." Zum Beispiel, wenn Wohnungsverwaltungen säumigen Mietern kündigen müssen oder alte Menschen einsam gestorben sind. "Mit der Zeit bekommt man Routine, doch hinter jedem Auftrag steckt eine ganz eigene Geschichte. Ein Menschenleben. Man darf da manchmal nicht drüber nachdenken", meint Scholze.
Was bei den Haushaltsauflösungen noch brauchbar ist, wird dem Kunden abgekauft und kommt in ihren An- und Verkauf. Vom Kleiderschrank über Tische, Sofas, Spiegel bis hin zu Bildern, Lampen oder zum Wickeltisch ist alles dabei. In der Technikabteilung stapeln sich derweil Fernseher, Radios, Player jeder Art und Handys. "Sachen aus zweiter Hand sind gefragt. Auch, weil die Leute nicht immer viel Geld in der Tasche haben."
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