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"Wenn uns Corona erwischt, erwischt es uns"

Nach dem Corona-Ausbruch in Löbau sind die Einrichtungen in Niesky und Görlitz noch wachsamer. Verrückt machen lassen sie sich aber nicht.

Von Frank-Uwe Michel
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In der Behindertenwerkstatt in Niesky wurde der Speiseraum durch den benachbarten Sportraum erweitert. Steffen Holz, der in der Abteilung Garten- und Landschaftsbau arbeitet, kommt damit gut klar.
In der Behindertenwerkstatt in Niesky wurde der Speiseraum durch den benachbarten Sportraum erweitert. Steffen Holz, der in der Abteilung Garten- und Landschaftsbau arbeitet, kommt damit gut klar. © André Schulze

Die Corona-Infektionen in den von der Diakonie betriebenen Wohnheimen in Kemnitz und Sohland haben nicht nur in der Löbauer Behindertenwerkstatt für große Verunsicherung - und Tests - gesorgt. Auch in den Werkstätten in Görlitz und Niesky wurde das Geschehen mit Besorgnis registriert. Denn mehrere der dortigen Beschäftigten sind in Wohngruppen der Einrichtung in Sohland untergebracht.

"Dass es dort eine positiv getestete Person gab, hat vor allem unter unseren Kollegen zu Unruhe und  Angst geführt", erinnert sich Jeannette Kirst an jene Tage Anfang August. Die Görlitzer Werkstätten, so der Vorstand für den kaufmännischen Bereich, betreiben in Reichenbach eine Außenstelle. "Einige unserer Klienten wohnen in Sohland in dem besagten Haus. Wir wussten lange Zeit nicht: Tragen sie vielleicht auch das Virus in sich? Wir haben sie in dieser Zeit von der Arbeit freigestellt." Die Verunsicherung habe die Arbeit in der gesamten Werkstatt ein Stück weit gelähmt. "Das ging bis in den privaten Bereich. Unsere Kollegen wollten ja ihre Verwandten und Freunde keinen Gefahren aussetzen." Erst die negativen Ergebnisse des zweiten Tests hätten einigermaßen für Erleichterung gesorgt.

Händewaschen wird zur regelmäßigen Übung

Schon vor dem Zwischenfall wurde in der Görlitzer Einrichtung mit ihren 332 behinderten Klienten und 65 Mitarbeitern penibel auf die Einhaltung des internen Pandemieplanes geachtet, der sich an den allgemein geltenden Hygiene- und Abstandsregeln orientiert. Jede von den Görlitzer Werkstätten betriebene Abteilung muss ihre räumlichen Gegebenheiten ganz individuell betrachten. "Bei größeren Flächen gibt es natürlich bessere Möglichkeiten, den vorgeschriebenen Abstand einzuhalten", erläutert Jeannette Kirst. Wo das nicht funktioniert, gilt das Anlegen von Mund- und Nasen-Schutz. "Es ist natürlich nicht immer leicht, das den behinderten Menschen zu erklären." So gestaltete sich zum Beispiel das regelmäßige Händewaschen zu einem immer wiederkehrenden Übungsprogramm.

Veränderungen im Tagesablauf sollen zusätzliche Sicherheit in den Werkstätten bringen. Die Pausenzeiten sind jetzt gestaffelt, die Zahl der Tische und Stühle wurde verringert. "Darüber hinaus pflegen wir intensiven Kontakt zu den Trägern der acht Wohnhäuser, in denen unsere Klienten leben. Pandemiepläne und Hygienekonzepte müssen jeweils abgestimmt und bei veränderten Regeln angepasst werden", nennt das Vorstandsmitglied einen weiteren Aspekt. "Wir tun, was wir tun können. Aber hundertprozentig verhindern lässt es sich nicht, dass das Virus auch uns möglicherweise noch größere Sorgen macht", beschreibt Jeannette Kirst die Situation. Letztlich sei es trotz aller Anstrengungen wohl nur eine Frage der Zeit, bis in einer der Behindertenwerkstätten der Region oder in den dazugehörigen Wohnheimen erneut eine Infektion auftritt. "Das ist nicht schön, aber so realistisch müssen wir sein."

Das sieht Volkhardt Schmidt ähnlich. Er leitet die Werkstätten der Diakonie St. Martin in Rothenburg und Niesky. "Wenn es uns erwischt, dann erwischt es uns", stellt er klar. Das soll nicht abwertend klingen oder das Problem klein reden. Denn auch hier konzentriert man sich auf die Abwehr des Coronavirus. Mit Pandemieplan und Hygienekonzept. Mit Einschränkungen, die von den Behinderten teilweise überhaupt nicht verstanden und manchmal auch direkt abgelehnt werden. "Es ist oft schwierig, ihnen die Notwendigkeit bestimmter Dinge zu erklären. Manche weigern sich ja schon, die Maske umzubinden."

Werkstätten im Landkreis sind gut vernetzt

Allerdings habe sich auch Vieles "mit der Zeit eingeschliffen". Schmidt denkt da zum Beispiel an den Fahrdienst, von dem behinderte Mitarbeiter nur noch mit Maske transportiert werden. Oder an die Einnahme des Mittagessens, für das ein zusätzlicher Raum zur Verfügung gestellt wurde und das in mehreren Durchgängen erfolgt. Kritische Momente gab es unter anderem in der Anfangsphase der Pandemie, als im Nieskyer Emmaus-Altenpflegeheim mehrere Infektionen festgestellt wurden. "Das Bettzeug aus dieser Einrichtung waschen wir. Aber es landet in unserer Wäscherei ja auf der 'schmutzigen Seite'. Und da wird sowieso Mundschutz getragen."

Natürlich hofft Volkhardt Schmidt, dass die Werkstätten der Diakonie in Niesky und Rothenburg mit ihren rund 250 behinderten Klienten und 35 Mitarbeitern weiterhin verschont bleiben von Corona-Infektionen. "Der Aktionsradius der Leute ist ja nicht groß. Sie führen immer wieder die gleichen Tätigkeiten durch. In den Abläufen gibt es nur minimale Veränderungen. Das schränkt die Verbreitungschancen des Virus ein." Auch Jeannette Kirst spricht von einer "Insel" und einem "sehr besonderen Klientel". Die Werkstätten im Kreis seien gut vernetzt und könnten sich schnell austauschen, wenn das notwendig sei.

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