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Was passiert eigentlich noch am Airport?

Der Flughafen Dresden ist zu und doch starten und landen immer wieder Flugzeuge. Wofür der Airport ein bisschen offen bleibt – ein Rundgang.

Von Tobias Wolf
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Holger Uhlitzsch und Thomas Bergel von der Bundespolizei inspizieren die menschenleere Besucherplattform des Airports.
Holger Uhlitzsch und Thomas Bergel von der Bundespolizei inspizieren die menschenleere Besucherplattform des Airports. © Tobias Wolf

Einsam kreist ein Milan über der Betonpiste, lässt sich immer wieder gen Boden sinken, bevor er flügelschlagend wieder in die Höhe steigt. Minutenlang geht das Schauspiel, bevor der Raubvogel mit kräftigen Flügelschlägen Richtung Autobahn 4 verschwindet. Auf dieser Betonpiste der Landebahn auf dem Dresdner Flughafen biegen die Jets normalerweise nach dem Ausrollen zum Terminalgebäude ab. Jetzt gehört das Areal die meiste Zeit den Vögeln.

Ein VW-Bus der Bundespolizei patrouilliert entlang des hochgesicherten Stacheldrahtzaunes ums Rollfeld. Hauptkommissar Holger Uhlitzsch und Polizeihauptmeister Thomas Bergel gucken dem Wagen von der Aussichtsplattform im Terminal zu. Ansonsten sind Vorfeld und Landebahn komplett verwaist.

Die Bundespolizei-Inspektion Dresden ist auch in Corona-Zeiten hier für die Luftsicherheit verantwortlich. „Auch wenn man das gerade nicht wirklich sehen kann, aber hier ist immer noch Betrieb“, sagt Uhlitzsch. Ein großer Teil des Bodenpersonals ist vom Betreiber, der Mitteldeutschen Flughafen AG, seit 1. April in Kurzarbeit geschickt worden, eine Kernbesatzung einschließlich der Flughafenfeuerwehr ist im Einsatz.

Wo sonst Taxis, Busse und Autos halten, herrscht praktisch kein Betrieb mehr.
Wo sonst Taxis, Busse und Autos halten, herrscht praktisch kein Betrieb mehr. © Tobias Wolf

Letzte Woche sind mehrmals Learjets eines Luxemburger Ambulanzunternehmens mit französischen Corona-Patienten aus dem Elsass an Bord gelandet, die in Kliniken in der Region behandelt werden - allein am Donnerstag drei Mal bis in die Abendstunden.

Ein Militärhubschrauber und ein Learjet brachten am Wochenende weitere Patienten nach Dresden. Die Jets blieben nur Minuten am Boden, bevor sie wieder Kurs nahmen auf die Luftwaffenbasis St. Diziers in der Champagne.

Der Airport in Leipzig bleibe primär für Frachtflüge und vereinzelte Transporte von Corona-Patienten offen, Dresden für alles andere außer Linienflüge, sagt Holger Uhlitzsch.

„Auch Flüge mit Organspenden für Transplantationen oder Spezialtransporte mit Blutplasma oder Knochenmark kommen weiter an oder gehen von hier ab.“ Dazu die roten Rettungshubschrauber der Deutschen Rettungsflugwacht.

Ein französischer Corona-Patient ist am Samstag an Bord eines Learjets nach Dresden gebracht worden.
Ein französischer Corona-Patient ist am Samstag an Bord eines Learjets nach Dresden gebracht worden. © Ronald Bonß

Auf der Plattform, auf der sonst Eltern mit dem staunenden Nachwuchs am Fernrohr auf Starts und Landungen warten, den Tower zeigen oder einen geparkten Airbus A 380 vor dem Hangar der Flugzeugwerke bewundern, könnte man eine Stecknadel fallen hören. Uhlitzsch und Bergel drehen eine Runde über die riesige leere Fläche mit der Rotunde in der Mitte und staunen selbst ein bisschen.

„Vor Kurzem hatten wir wegen der Bob-Weltmeisterschaft und der Skeleton-WM noch die ganze Welt hier am Flughafen zu Gast“, sagt Uhlitzsch. Die letzten Linienflüge gingen nach Antalya, London und vor gut einer Woche auch noch einmal von und nach Düsseldorf.

Ein Rückholflug der Bundesregierung für im Ausland gestrandete Touristen landete von Algerien kommend kurz in Dresden. Deutsche, Österreicher und Ungarn stiegen aus und wurden mit Bussen nach Hause gebracht, Polen blieben an Bord und flogen nach Warschau weiter. Auch aus Spanien und von der Kanareninsel Teneriffa landeten Heimkehrerflüge. Die Rückholaktionen gehen weiter.

Unbenutzte Flugsteige und ein geparkter Airbus A 380 prägen die Aussicht auf den Tower der Flugsicherung.
Unbenutzte Flugsteige und ein geparkter Airbus A 380 prägen die Aussicht auf den Tower der Flugsicherung. © Tobias Wolf

Wenn ein Flugzeug in Dresden auf dem ansonsten geschlossenen Flughafen lande, sei das rechtens und habe entgegen irrer Gerüchte im Internet nichts mit illegaler Einwanderung zu tun, sagt Bundespolizist Uhlitzsch.

„Entgegen landläufiger Meinung werden hier keine Migranten heimlich und des nächtens eingeflogen.“

Auch finden weiter Trainingsflüge der Lufthansaschule Bremen und einer Dresdner Flugschule statt. Piloten von Fluglinien und von der Bundeswehr trainieren wie in Nicht-Corona-Zeiten für Notfälle so genannte Touch-and-Go-Manöver, bei denen das Fahrwerk aufsetzt und anschließend durchgestartet wird.

Passagiere müssen Kontaktdaten hinterlassen

Wer aus einem Passagierflugzeug kommt, muss jetzt eine Aussteigekarte zu möglichen Symptomen und Reisedaten ausfüllen und seine Telefonnummer hinterlassen, erklärt Holger Uhlitzsch. „Das gilt auch für die, die mit Fernbussen unterwegs sind und etwa am Dresdner Hauptbahnhof ankommen.

Die Polizisten haben inzwischen für Pass- oder Gepäckkontrollen eine persönliche Schutzmaske und Hygienehandschuhe dabei – egal ob am Flughafen, in Bussen oder auf der Autobahn.

Auf dem Vorfeld des Dresdner Airports stehen zwei Flugzeuge mit versiegelten Triebwerken, damit kein Dreck in die filigrane Technik eindringt: ein A 380 der australischen Fluglinie Quantas, der in den Elbe-Flugzeugwerken umgebaut wird und ein Airbus A 320 von Sundair.

Die empfindlichen Triebwerke des Airbus A320 von Sundair sind zum Schutz vor Dreck und Witterung abgedeckt.
Die empfindlichen Triebwerke des Airbus A320 von Sundair sind zum Schutz vor Dreck und Witterung abgedeckt. © Tobias Wolf

„Von hier kann man mit Glück auch die Hubschrauber der Amerikaner landen sehen, wenn sie einen Zwischenstopp einlegen“, sagt Bundespolizist Uhlitzsch und deutet Richtung Tower. Regelmäßig und meist unbemerkt überflögen US-Hubschrauber der Typen Apache oder Black Hawk den Dresdner Westen auf dem Weg zur Tankstelle am Flughafen. Von hier aus geht es weiter nach Osteuropa, zu US-Stützpunkten in Polen oder dem Baltikum. Acht Mal landeten Black-Hawk-Staffeln in den letzten 14 Tagen. Nur, dass sie jetzt niemand mehr von der Besucherplattform aus beobachten darf.

Die Rotunde der Plattform endet zwei Etagen tiefer im Sicherheitsbereich vor dem Lokal Elbezeit. Tische und Stühle sind so aufgebaut, als würde jeden Moment der Restaurantbetrieb starten. Von hier aus können Reisende normalerweise den Betrieb auf dem Rollfeld verfolgen. Jetzt ist nur das Surren von Klimaanlagen zu hören.

Die Restaurants in der Rotunde des Sicherheitsbereichs sind verwaist.
Die Restaurants in der Rotunde des Sicherheitsbereichs sind verwaist. © Tobias Wolf

Die Einrichtung scheint nur auf den Schichtbeginn zu warten. Wie die Sitzreihen im Wartesaal neben dem Restaurant, die Bildschirme, die ohne Publikum Werbung für kostenloses Wlan machen, die Anzeigen über den Ausgängen zum Flugsteig, die Hinweise für das Boarding bei Lufthansa-Flügen geben oder in einer Endlosschleife rollende Flugzeuge zeigen. Die Türen der Shops für Souvenirs und Reisebedarf sind verrammelt.

Wo sollten hier auch Käufer herkommen? Schon die Rolltreppe zu den Check-in-Schaltern im ersten Stock ist versperrt. Die Schalter sind verwaist, die Monitore ausgeschaltet. Daneben werben Firmen in halb offenen Kästen für ihre Produkte, eins aus dem Dresdner Umland hat chemikaliensichere Schutzanzüge ausgestellt. Die 32 Zeilen der beiden Flugtafeln sind erloschen, nur die Uhrzeit wird noch angezeigt. Die Einzigen, die hier noch regelmäßig vorbeikommen, sind Flughafen-Mitarbeiter, Sicherheitsleute, Polizisten und das Reinigungspersonal.

Hier fliegt so schnell nichts ab. Die Anzeigetafeln sind erloschen.
Hier fliegt so schnell nichts ab. Die Anzeigetafeln sind erloschen. © Tobias Wolf

Eine Werbetafel neben der Rolltreppe wechselt im Fünfsekundentakt mit Schleifgeräuschen ihr Bild, darauf Luxusuhren aus Glashütte. Wo sonst Bordkarten auf dem Weg zur Sicherheitskontrolle geprüft werden, versperren Bänder mit der Aufschrift „Flughafen Dresden“ den Durchgang, die Türen dahinter sind verriegelt.

In Spitzenzeiten gehen hier 800 Passagiere pro Stunde durch, vor allem montags, wenn sich Geschäftsreisende und Touristen mischen. In den letzten zwei Wochen gab es gerade noch 164 Flugbewegungen, also Starts und Landungen – inklusive Ambulanzen, Rettungshubschraubern, italienischen Armee-Flugzeugen mit Corona-Patienten an Bord und Frachtfliegern für die Flugzeugwerke. Das ist etwa viermal so viel, wie sonst allein an einem regulären Montag Linienflüge ankommen und abfliegen.

Seit dem 23. März sind die meisten Flughäfen in Deutschland mehr oder weniger für den Linien- und Touristenverkehr geschlossen. Allein die Lufthansa hat um die 700 Flugzeuge geparkt. Starts und Landungen müssen 24 Stunden im Voraus beantragt werden. So einen Stillstand hat es im Leben der meisten Mitarbeiter und Beamten am Flughafen noch nie gegeben.

Die Passagier- und Handgepäckkontrolle sind nur auf Standby. Zwei dieser Sicherheitsstrecken können auf Knopfdruck sofort wieder in Betrieb gehen.
Die Passagier- und Handgepäckkontrolle sind nur auf Standby. Zwei dieser Sicherheitsstrecken können auf Knopfdruck sofort wieder in Betrieb gehen. © Tobias Wolf

Und doch bleibt alles bereit für den Ernstfall. Auch für noch stattfindende Flüge gelten Sicherheitsvorschriften, selbst wenn Gruppen mit wenigen Personen derzeit nur in einem kleinen Bereich am Rande des Terminals abgefertigt werden, dort, wo Piloten ihre Start- und Landegebühren bezahlen. Auch die normale Gepäck- und Personenkontrolle kann sofort anlaufen, wenn nötig, sagt Bundespolizist Uhlitzsch.

Zwei Strecken mit Röntgengeräten für Gepäck und Metalldetektoren für Personenchecks sind einsatzbereit. „Diese Geräte brauchen zum Teil lange Anlaufzeiten, deshalb werden nicht alle ausgeschaltet“, sagt Uhlitzsch. Müssen Sprengstoff-Wischtests am Gepäck gemacht werden oder Flüssigkeiten in einem Spezialgerät untersucht werden, so ist auch das immer noch möglich.

Über einen Aufzug geht es in die Katakomben des Gebäudes mit der hochmodernen Gepäckverteilanlage. Ein rotierendes Förderband verteilt in „normalen“ Zeiten mit lautem Getöse die Koffer der Reisenden auf gut zwei Dutzend Rutschen, von denen die Gepäckstücke auf Transportwagen verladen und dann zum Flugzeug gebracht werden. Jetzt gibt es einen direkten Weg in eine Rutsche auf dem Hallenboden.

In Spitzenzeiten händeln Mitarbeiter das Hauptgepäck von 800 Passagieren pro Stunde.
In Spitzenzeiten händeln Mitarbeiter das Hauptgepäck von 800 Passagieren pro Stunde. © Tobias Wolf

Mit dem Flughafen ist eine riesige Maschine zum Stillstand gekommen, die sobald nicht wieder anläuft. Selbst wenn die coronabedingten Ausgangs- und Verkehrsbeschränkungen irgendwann wieder gelockert werden, ist nicht sicher, wann Touristen und Geschäftsleute wieder normal reisen dürfen. Für die Mitarbeiter des Flughafens rechnen die Betreiber mit Kurzarbeit bis mindestens Ende August. Der bisherige Sommerflugplan mit 21 Zielen dürfte weitgehend hinfällig sein, und die sonst knapp 1,6 Millionen Fluggäste im Jahr werden 2020 ein unerreichbarer Traum bleiben.

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