Corona in Dresden: Scharfe Kritik an Unterricht zu Hause

Dresden. Je länger die Schulschließungen dauern, umso mehr wird der Heimunterricht zur Belastung für Familien. Das berichtete am Montag nicht nur Schulleiter und Ex-Kultusminsiter Frank Haubitz im Gespräch mit Sächsische.de. Auch Martin Raschke vom Dresdner Kreiselternrat Dresden appelliert an die Behörden: Macht die Schulen wieder auf!
"Wir hören dramatische Beschreibungen der Eltern, die zu Hause Homeoffice und Schularbeiten koordinieren müssen", so Raschke. Andererseits gebe es aber auch die Eltern, die Angst davor hätten, dass ihre Kinder sich in der Schule anstecken und das Virus dann mit nach Hause bringen könnten. Er kritisiert , dass er von den Plänen des Kultusministeriums zu der eventuellen Benotung der Heimarbeit und dem weiteren Vorgehen nichts wisse. "Die Elternvertreter müssen informiert werden."
Es sind vor allem die Bedingungen, unter denen zu Hause gelernt wird, die Dresdens SPD-Fraktionschefin Dana Frohwieser kritisiert: "In den letzten sechs Wochen erleben wir die dramatischen Folgen einer Schulverwaltung, die ihrem Namen alle Ehre macht." Während in anderen Ländern die technische Ausstattung von Schülern mit Tablets und Lernsoftware längst Alltag sei, würden in Dresden viele Familien nicht nur unter der ohnehin anstrengenden Situation des Homeschoolings leiden, sie werde auch noch erschwert durch fehlende Ausstattung, die einzig vom Wollen und Können der Eltern abhänge. "So bleiben zu viele Kinder noch weiter auf der Strecke. Es ist dringend nötig, hier gegenzusteuern und endlich anzupacken, statt weiter nur Pläne zu machen."
Kostenlose Laptops für alle Schüler gefordert
Deshalb haben Linke, SPD und die Stadträte von Piraten und Die Partei nun einen Antrag eingebracht. Es geht darum, Laptops für alle Schüler sowie Wlan in ganz Dresden zur Verfügung zu stellen und das Kopieren von Lernmaterial in Bibliotheken und Rathäusern kostenlos zu ermöglichen.
"Es geht um Bildungsgerechtigkeit und Chancengleichheit", betonte Linke-Stadträtin Anja Apel am Montag. Bisher sei es nur an Freien Schulen, der Uni-Schule, und bei letzterer nur mit Ausnahmegenehmigung gestattet, den Schülern Laptops mitzugeben. Das sei jetzt, da wegen Corona die Schulpflicht ausgesetzt ist, besonders wichtig.
Beispielsweise in Gorbitz. Dort sei bereits ein Teil der Schüler "abgehängt", berichtet Apel, die selbst Lehrerin an einer Freien Schule ist. "Lehrer erreichen die Eltern nicht. Sie haben kein Internet, keinen Computer und verpassen sehr viel." Die Bildungsschere gehe immer weiter auseinander. "Deshalb sollten zuerst Kinder von Eltern, die sich keinen Computer leisten können, diese von den Schulen geliehen bekommen wie Taschenrechner und andere Lehrmaterialien."
"Als würden wir 20 Prozent nicht in die Schule lassen"
Dazu soll sich die Stadt mit Freifunkern in Verbindung setzen und für Internet-Hotspots in Dresden sorgen, damit alle kostenlos ins Netz kommen. "Wir Piraten haben noch etwa 80 Router im Keller", sagte Stadtrat Martin Schulte-Wissermann. "Wir können es uns als Stadt nicht leisten, Kinder nicht zu versorgen. Das ist so, als würden wir 20 Prozent der Schüler nicht in die Schule lassen", warnte er. "Der gesamtgesellschaftliche Schaden später wäre viel größer."
Zumal die Digitalisierung längst in den Unterricht vorgedrungen ist. "Wir müssen als Stadt aktiv werden und können es nicht allein den Schulen überlassen", so Linke-Stadträtin Katharina Hanser. "Bildung hängt auch davon ab, die Möglichkeit zu haben, sich Informationen beschaffen zu können."
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Deshalb müssten speziell ärmere Familien jetzt und in der Zukunft gefördert werden. Daraus ergibt sich auch die dritte Forderung aus dem Antrag, über den der Stadtrat entscheiden muss: Bedürftige, also Personen mit Dresden-Pass, sollen in Bibliotheken und den Rathäusern in den Stadtbezirken kostenlos Lernmaterial kopieren können.
Was die Umsetzung der Forderungen aus dem Antrag kostet, konnten die Stadträte nicht beziffern. Am teuersten sind die Laptops. Die Initiatoren gehen davon aus, dass spätestens ab der fünften Klasse so ein Gerät benötigt wird und rund 20 Prozent der Schüler aus Familien kommen, die Unterstützung benötigten. Pro Gerät sei mit 500 bis 600 Euro zu rechnen. "Die Stadtverwaltung kann sicher größere Mengen zu günstigeren Preisen beziehen", so Apel. Auch Spenden von Firmen seien willkommen.
Schüler kritisieren bevorstehende Notflut
Der Dresdner Stadtschülerrat sieht noch ein ganz anderes Problem, das beim Unterricht zu Hause entstanden ist. Es fehlten jetzt schlichtweg Zensuren, um Zeugnisnoten bilden zu können. "Wir sehen mit Sorge die zunehmend wachsenden Anzahl an notwendigen Leistungserhebungen", sagt Stadt-Schülersprecher Jack Müller. "Selbst, wenn ein Teil der Schülerinnen und Schüler bereits ab 4. Mai wieder in die Schulen gehen kann, verbleiben ihnen gerade einmal elf Wochen bis zu den Sommerferien."
In dieser Zeit würden Klausuren, Klassenarbeiten, Tests und sonstige Leistungserhebungen fällig, welche eigentlich über 20 Wochen im zweiten Schulhalbjahr verteilt worden wären. "Das wird zu einem unverhältnismäßig hohen Leistungsdruck führen." Von Kultusminister Christian Piwarz (CDU) erwarte man, dass er die Zahl der eigentlich nötigen Zensuren reduziere und dafür eine Obergrenze festlege.
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