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Der Fan an seiner Seite

Ronny Rehn ist Dynamos neuer Vizepräsident und steht selbst im K-Block. Was ist das für ein Typ?

Von Sven Geisler
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Blumen für die Wahlsieger: Holger Scholze (r.) wird wie erwartet als Präsident von Dynamo bestätigt. Platz zwei geht an Ronny Rehn. Überraschend?
Blumen für die Wahlsieger: Holger Scholze (r.) wird wie erwartet als Präsident von Dynamo bestätigt. Platz zwei geht an Ronny Rehn. Überraschend? © Robert Michael

Seine Wahl ist vorher gut abgesichert, auch wenn das Ergebnis relativ knapp ausfällt. 40 Stimmen entscheiden für Platz zwei und den Einzug ins Präsidium der SG Dynamo Dresden. Ronny Rehn hat es geschafft, Uta-Verena Maiwald bleibt als Nachrücker sozusagen auf der Ersatzbank. Die Unterstützung für die Landtagsabgeordnete der Linken ist bemerkenswert, immerhin machten 197 von 500 Vereinsmitgliedern eines von zwei Kreuzen hinter ihrem Namen. Für Rehn votierten 237, er ist für zwei Jahre einer von zwei Vizepräsidenten an der Seite von Holger Scholze. Der Übergangspräsident war am Mittwoch mit großer Mehrheit im Amt bestätigt worden.

Das war nicht überraschend, das Votum für Rehn schon eher, es ist aber leicht zu erklären. Der 37 Jahre alte Einzelhandelskaufmann steht als Fan im K-Block. Beim Spiel in Magdeburg hat er unter den Anhängern die nötigen Unterschriften für seine Kandidatur gesammelt. Und es ist sicher kein Zufall, dass sich bei der außerordentlichen Wahlversammlung nur einer zu Wort meldet: Stefan „Lehmi“ Lehmann stellt keine Frage, er appelliert: „Wir brauchen keinen Selbstdarsteller.“ Jahrelang war er der Stimmungsmacher und ist weiter das Sprachrohr der aktiven Szene, der Ultras, die im Kongresszentrum auffällig stark vertreten ist. Sie sehen Rehn als ihren neuen Verbindungsmann zur Vereinsspitze.

Daraus macht er keinen Hehl. „Ja, das würde ich schon so sehen“, antwortet der Pirnaer auf Nachfrage der SZ – und er erklärt: „Ich bin zwar kein Mitglied bei den Ultras Dynamo, aber ich kenne einige von den Pappenheimern, das kann man so sagen.“ Es sei sein Anliegen, die Belange der Fans rüberzubringen, weil das „in der Vergangenheit nicht immer so“ gewesen sei.

In seinem Bewerbungsschreiben hatte Rehn seine Beziehung zum, wie er es nennt, „Mythos Dynamo“ beschrieben. Sein erstes Spiel live im Stadion erlebte er 1988, also als Steppke mit sieben Jahren. Es war natürlich ein Spiel gegen Wismut Aue, den Erzrivalen, „und ja, wir haben diese Partie auch gewonnen“. Mit 2:0, Torschützen Torsten Gütschow und Ulf Kirsten. Seit 1999 habe er nur zwei Pflichtheimspiele und etwa sechs Auswärtsspiele verpasst. „Darauf bin ich stolz!“

Er ist zweifellos einer, die man positiv verrückt nennt. Rehn lebt den Verein nicht nur, er setzt sich intensiv mit dem Vereinsleben auseinander. „Ich bin ein kritischer Mensch“, sagt er über sich selbst. Mancher würde ihn vermutlich einen Quälgeist nennen, einen notorischen Nörgler. Er räumt ein, dass einige sein ständiges Hinterfragen als „nervend“ betrachten. Doch genau das bezweckt er. „Wenn es gut läuft und es sieht so aus, als wäre alles heile Welt, muss man erst recht prüfen: Ist das wirklich so?“, sagt Rehn und begründet seine Skepsis mit den Erfahrungen aus der Vergangenheit, als Einzelne den Klub nach Gutsherrenart regierten und in die Katastrophe führten.

Immer öfter wird er jedoch aufgefordert, sich nicht nur einzumischen, sondern einzubringen. „Nach dem Rücktritt des Präsidiums konnte ich nicht lange überlegen. Also habe ich gesagt: Ja, ich mach‘s.“ Es sei für ihn die Zeit gekommen, im Ehrenamt etwas zu bewegen, was er bisher von außen versucht hat. So schreibt es sich Rehn auf die Fahne, mit dafür gesorgt zu haben, dass die Trennung zwischen den Zuschauerblöcken im Stadion verschwindet und „unsere treuen Auswärtsfahrer keine Zuschläge mehr auf Eintrittskarten zahlen müssen“, wie er erklärt.

Runder Tisch mit Fanszene geplant

Letzteres war eine der Maßnahmen nach den Ausschreitungen rund um das Spiel in Magdeburg im April 2016. Nach den Vorfällen auf St. Pauli vor vier Wochen hat der Verein angedroht, diesen Sicherheitszuschlag wieder einzuführen und darüber hinaus das Kartenkontingent für Auswärtsspiele zu reduzieren. Bei der Partie am Hamburger Millerntor hatten Vandalen unter den Dynamo-Fans die Toilettenanlage zerstört, außerdem wurden im Stadion Gegenstände geworfen und ein frauenfeindliches Spruchband gezeigt.

Die Vertreter der aktiven Fanszene haben daraufhin laut Verein angeboten, sich aktiv an einem Runden Tisch zu beteiligen, bei dem die Entwicklung diskutiert werden soll. Ein Interessenvertreter in der Vereinsführung kann dabei für beide Seiten von Vorteil sein, wenn er sich als Vermittler versteht. Das steht zumindest nach der Traditionspflege auf Platz zwei der Aufgaben, für die Rehn neue Impulse setzen will: Vermittlung bei Streitigkeiten innerhalb der Gremien und des Vereins.

Ein interner Konflikt war schließlich der Grund für die Neuwahl. Wie das Präsidium ist Ende September André Gasch als Aufsichtsratsvize zurückgetreten. Er hatte 2013 auf einer Liste der Kandidaten gestanden, die von den Ultras unterstützt wurden. Man könnte Rehn also als einen Ersatzmann verstehen, auf jeden Fall vertritt er Interessen der Fans, wie er mit seinen Zielen deutlich macht. Er will sich einsetzen für mehr Transparenz in der Kommunikation sowie Fanclubtreffen mit Spielern oder Verantwortlichen will er initiieren.

In einem Punkt unterscheidet er sich jedoch von einem eingefleischten Dynamo-Fan. Was die sportlichen Ansprüche angeht, mahnt er nämlich zu Realismus. So schön der Traum vom Europapokal sei, „dazu bedarf es noch einer ganzen Menge“.