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„Der nächste Mietspiegel wird erstmal dämpfen“

Zankapfel Mieten, Teil 2: Jens Beck ist öffentlich bestellter Sachverständiger für Pachten und Mieten im Raum Dresden.

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Der Radebeuler Jens Beck ist oft Vermittler zwischen Vermieter und Mieter, mit Sachverstand.
Der Radebeuler Jens Beck ist oft Vermittler zwischen Vermieter und Mieter, mit Sachverstand. © Norbert Millauer

Radebeul. Die Dresdner wollen einen Mietpreisdeckel einführen. In Berlin wird schon lange darüber gesprochen. Einer, der sich im Metier Mieten gut auskennt, ist Jens Beck. Er leitet die Arbeitsgruppe für die Mietspiegelerstellung in Radebeul. Im Landkreis Meißen ist er Mitglied im Gutachterausschuss für Immobilienwerte. Alle Kaufverträge und Pachtpreisspiegel werden in dem Ausschuss ausgewertet. Vor allem ist er im Raum Dresden der einzige öffentlich bestellte Sachverständige für Mieten und Pachten und die Bewertung bebauter und unbebauter Grundstücke.

Herr Beck, sind die Mieten zu hoch im Elbland, Radebeul, Weinböhla, Coswig?

Die Mieten sind hoch, aber meines Erachtens nicht zu hoch.

Das empfinden aber viele eher anders. Warum nicht zu hoch?

Weil die zugrundeliegenden Werte der Immobilien ja auch gestiegen sind. Die Miete ist nur eine Verzinsung des Kapitals, welches in den Immobilien steckt. So kommt es, dass teure Gegenstände höher bezahlt werden als früher. Die Immobilien müssen mit Krediten oder Eigenkapital finanziert werden, dabei entstehen Zinsen. Und so entstehen die jeweiligen Mieten.

Die Entwicklung geht ständig aufwärts. Nicht selten stärker aufwärts als die Einkommen. Muss da jetzt mal ein Deckel drauf?

Man muss klar differenzieren, über welche Mieten man spricht. Nur über die Mieten in Radebeul oder auch über die Mieten im Landkreis. Die Mieten steigen, weil die Leute in die Metropolen wollen. Dort steigen die Mieten. Auf dem Land nicht oder kaum. Dort gibt es Leerstand. Und weil die Leute in die Stadt wollen, fehlen Wohnungen. Mehr Menschen wollen diese wenigen Wohnungen – das zieht die Preise nach oben. Eben auch die Preise für Grundstücke und Baukosten.

Aber nur den Markt laufen lassen, ist doch gerade das Argument für Deckel drauf durch die Politik?

Das mit dem Deckel ist sehr populistisch. Aber wenn man genau darüber nachdenkt, ist es der falsche Weg. Die Frage ist doch: Wie kann der Markt entschärft werden? Den Leuten kann man nicht sagen, ihr dürft nicht mehr in die Stadt. Also muss man mehr Wohnungen haben. Die einzige Chance, die Preise zu dämpfen, ist, mehr Angebot zu haben. Die Investoren müssten Anreize bekommen, Wohnungen zu bauen. Die bekommen sie aber gerade nicht, wenn ihnen gesagt wird, ihr dürft aber nur soundso viel Miete verlangen.

Konkret heißt das – Radebeul oder Dresden überall zubauen?

Das wollen wir alle wiederum nicht. Hier muss die Stadtplanung regulieren.

Werden Mieten nicht auch künstlich hochgetrieben, eben weil es diesen Marktdruck, diese Nachfrage gibt?

Von einem künstlichen Hochtreiben kann nicht gesprochen werden, denn der gesamte Mietmarkt unterliegt stets dem Mechanismus von Angebot und Nachfrage. Wenn aufgrund des aktuell starken Nachfrageüberhanges ein bis zwei Euro pro Quadratmeter mehr an Miete drin sind, greifen viele zu. Dies passiert insbesondere dann, wenn Wohnungen neu oder neue Wohnungen zum ersten Mal vermietet werden. Bei Mieterhöhungen stellt die ortsübliche Vergleichsmiete die Obergrenze dar. Zudem darf dann die bestehende Miete nur alle drei Jahre um nicht mehr als 20 Prozent erhöht werden.

Die inzwischen zwölf und 13 Euro Kaltmiete je Quadratmeter ärgern Mieter.

Zwölf bis 13 Euro Kaltmiete sind natürlich selbst für Radebeul schon ziemlich hoch und werden sicherlich nicht so einfach zu erzielen sein. Findet sich dafür kein Mieter, wird der Wohnungsanbieter seinen Preis so lange reduzieren, bis er das Niveau der Nachfrage wieder erreicht hat. Bezahlt jemand diese Miete trotzdem, weil er unbedingt in genau dieser Wohnung und an diesem Fleck wohnen möchte, hat der Vermieter Glück gehabt und kann die Marktsituation zu seinen Gunsten ausnutzen. Da die Einkommen aktuell nicht ins Unermessliche steigen, wird dies die Nachfrage im Spitzensegment in Zukunft sicherlich dämpfen. Ich beobachte dies in Dresden schon seit einigen Monaten. Dort haben sich die Vermarktungszeiten von Wohnungen, die für Spitzenmieten von 14 bis 17 Euro je Quadratmeter angeboten werden, nahezu um das Dreifache verlängert. Einige institutionelle Anleger und Investoren haben dies bereits erkannt und verhalten sich deutlich zurückhaltender hinsichtlich künftiger Arrangements.

Sozialer Wohnungsbau sollte das aber doch zumindest dämpfen?

Es ist aus meiner Sicht auch nicht der heilsbringende Weg. Wenn die öffentliche Hand baut, wird es meist teurer als anfangs veranschlagt – eben weil Leute, die Gehaltsempfänger sind, nie so straff kalkulieren wie ein privater Bauherr. Weil es nicht ihr Geld ist, mit dem sie umgehen, im Gegensatz zum Privatmann. Dafür gibt es genügend Beispiele.

In der neuen Hafencity in Hamburg hat die Stadt bestimmt, dass private Bauherren in den neuen Gebäuden ein Drittel der Wohnungen für sechs bis sieben Euro vermieten müssen.

Das finde ich gut und sollte in heißen Wohnungsmärkten auch praktiziert werden. Voraussetzung: Es muss für die jeweiligen Bauträger noch so gesund sein, dass es sich rechnet. Es ist übrigens immer noch besser, Mietnot durch Wohngeldzuschüsse auszugleichen, als als Kommune selbst zu bauen. Denn das Geld zum Bauen muss die Stadt ja auch selbst aufbringen. In Dresden beginnt die Stadt zu bauen. Aber keiner sollte denken, dass daraus Mieten von sieben Euro entstehen. Sie werden eher bei acht bis zehn Euro liegen, damit es einigermaßen kostendeckend ist. Ganz abgesehen von den Folgekosten.

Wenn die Kaltmiete die Verzinsung der Kosten des Besitzers der Wohnung ist. Sollte dann nicht ein Vermieter in angespannten Zeiten eher etwas weniger Zinsen einplanen, die Miete nicht immer nach der Höchstgrenze anpassen und dafür langfristig treue Mieter bekommen?

Ja, das ist eine Praktik, die befürworte ich persönlich. Wenn man nicht jede Mieterhöhung, die sich einem bietet, mitmacht, danken das einem die Mieter. Der Mieter wird dann sicherlich nicht jeden kleinen Mangel anzeigen. Natürlich muss man langfristig auch mal die Miete anpassen, weil die Kosten ja auch steigen, aber eben nicht aller drei Jahre. Meines Erachtens sollte möglichst beiderseits mehr auf ein gütliches Miteinander geachtet werden. Allein das nimmt schon einiges an Schärfe aus der angespannten Mietsituation.

Der Mietspiegel, auf den sich Mieter und Vermieter beziehen können, wird bisher für vier Jahre rückwirkend aufgestellt. Der Mieterverein Meißen fordert, diesen Mietspiegel für sechs und mehr Jahre zu erstellen. Warum wird das bisher nicht gemacht?

Das Gesetz ist ja gerade im Entwurf, nach welchem der Mietspiegel auf sechs Jahre aufgestellt werden soll. Man unterscheidet zwischen Marktmiete für eine leere Wohnung, die neu vermietet wird. Das sind diese hohen Mieten. Die zweite Bezugsgröße ist die ortsübliche Vergleichsmiete – der repräsentative Querschnitt von Neu- und Bestandsmieten aus den letzten vier Jahren. Da dürfen nur Mieten rein, die ab heute rückwärts gesehen nicht älter als vier Jahre sind. Es müssen auch in der Anzahl gleich verteilt Mieten von vor vier Jahren und von gestern dabei sein – gleich verteilt über alle vier Jahre. Mit den älteren Mieten im Anteil – weil die Mieten ja in der Regel steigen – wird die Vergleichsmiete gedämpft. Bei sechs Jahren darf man davon ausgehen, dass der nächste Mietspiegel erst mal keine höheren Werte ausweisen wird. Das nimmt den Spielraum nach oben bei Mieterhöhungen.

Interview: Peter Redlich

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