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In Sachen AfD bleibt Kretschmer hart

Ideen in Sachsens CDU für den Umgang mit der AfD nach der Wahl setzen den Parteichef unter Druck. 

Von Gunnar Saft
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Auch wenn mancher in seiner Partei anders denkt: Michael Kretschmer schließt jedes  Zusammengehen mit der AfD  aus.
Auch wenn mancher in seiner Partei anders denkt: Michael Kretschmer schließt jedes Zusammengehen mit der AfD aus. © dpa

Sachsens Ministerpräsident und CDU-Landeschef Michael Kretschmer hat unmittelbar auf den SZ-Bericht reagiert, wonach innerhalb seiner Partei sowie in der CDU-Landtagsfraktion ein Plan kursiert, der auch ein mögliches Sondierungsangebot an die AfD nach der Landtagswahl am 1. September 2019 beinhaltet.

Kretschmer, der eine wie auch immer geartete Zusammenarbeit mit der AfD seit Langem kategorisch ausschließt, erklärte via Twitter: "Immer ruhig. Mein Wort gilt. Jede Plenardebatte belegt die Unmöglichkeit. Weder von der Programmatik noch von den Personen ist eine Zusammenarbeit mit AfD oder Linke denkbar. Wir stehen für Freiheit, Marktwirtschaft, Europa und den Zusammenhalt der Gesellschaft."

Auch Marco Wanderwitz, Chemnitzer Bundestagsabgeordneter und Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat, schließt eine solche Möglichkeit definitiv aus. "Mein Widerstand ist sicher. Entscheidungsgremium ist immer der Parteivorstand. Koalitions-, zusammenarbeits- und verhandlungsfähig sind nur unzweifelhaft demokratische Parteien, die einen Zugang zur politischen Mitte haben."

Opposition hat Zweifel

Im sächsischen Landtag meldet unterdessen die Opposition Zweifel an, ob sich Kretschmer nach der Wahl mit seiner ablehnenden Haltung in den eigenen Reihen auch durchsetzen kann. Wolfram Günther, Vorsitzender der Fraktion der Grünen, erklärte: "Nun ist die Katze aus dem Sack. Sachsens CDU schickt Ministerpräsident Michael Kretschmer als 'Sonnyboy' vor, der mit starken Worten eine Koalition mit der AfD ausschließt. Parallel wird am Gegenteil gearbeitet. Ob dies mit dem MP abgesprochen ist oder hinter seinem Rücken geschieht, ist egal – beides schadet unserem Land." Günther fordert Kretschmer zum zügigen Eingreifen auf. "Das Planspiel entlarvt das falsche Spiel der CDU-Führung. Der Ministerpräsident hat seinen Laden nicht im Griff. Er sollte endlich dafür sorgen, dass in Sachsens CDU die Vernunft die Oberhand gewinnt."

Der Vorsitzende der Linksfraktion, Rico Gebhardt, reagierte ähnlich. "Mich wundert nichts, denn natürlich will die CDU die AfD nutzen, um die Parteien unter Druck setzen zu können, die bereits auf der Koalitions-Einwechselbank für die Zeit nach der Wahl am 1. September Platz genommen haben: SPD, Grüne und FDP. Meine eigene Wahrnehmung ist, dass es eine größere Anzahl von CDU Abgeordneten gibt, die sich eine Zusammenarbeit mit der AfD durchaus vorstellen können. Wenn ich in so manche Kreisverbände der CDU Sachsen schaue, dann gibt es dort auch genügend Zusammenarbeitspotenzial."

Einfache Rechnungen

Nach außen hin gelten natürlich nach wie vor die steten Worte Kretschmers. Niemals, so wird der 43-Jährige nimmer müde zu erklären, würden sich die Christdemokraten unter seiner Führung nach der Landtagswahl am 1. September auf eine wie immer geartete Zusammenarbeit mit der AfD einlassen.

Eine klare Ansage, an der es bislang auch keine Zweifel gibt. Allein in Teilen der Partei und mittlerweile auch der CDU-Landtagsfraktion gibt es seit einigen Wochen insgeheim neue Überlegungen, wie strikt die Abgrenzung am Ende tatsächlich ausfallen muss. Anlass sind einfache Rechnungen, die sich aus der jüngsten Wahlprognose ergeben. Demnach können die seit 1990 ununterbrochen die Landesregierung beteiligten Christdemokraten nur mit 29 Prozent der Stimmen rechnen – der gegenwärtige Koalitionspartner SPD mit zehn Prozent. Zusammen wird das nicht reichen, um die bisherige schwarz-rote Landesregierung fortzuführen.

Als Alternative setzt man deshalb bei der CDU längst auf ein künftig größeres Regierungsbündnis mit dann mindestens drei Parteien. Viel Auswahl hat man dafür aber nicht, da Kretschmer auch die Linke, die zurzeit auf 18 Prozent kommt, für eine Koalition kategorisch ausschließt. Praktisch bleiben nur Grüne (9 Prozent) und die FDP (6 Prozent) – letztere auch nur, falls sie den Wiedereinzug ins Parlament schafft.

Unruhe in den eigenen Reihen

Die 25 Prozent der Stimmen, auf welche die AfD im September hoffen kann, machen den Christdemokraten aber nicht nur mehrheitstechnisch zu schaffen. Zu Recht wird befürchtet, dass man sich angesichts der absehbar zwingenden Koalitionsverhandlungen mit den Grünen und der FDP auch politisch erpressbar macht und dann viel zu viele Zugeständnisse drohen, die der eigentlichen CDU-Politik zu wider laufen. Und genau hier setzen die Befürworter eines Plan B an. 

So wird vorerst in kleineren Runden heftig darüber debattiert, wie man sich aus diesem Dilemma befreien kann. Das bestätigen mehrere CDU-Abgeordnete auf Nachfrage. Heraus kam nun der bislang nur intern diskutierte Vorschlag, auch der AfD nach der Wahl erst einmal die Aufnahme von Sondierungsgesprächen anzubieten. Davon verspricht man sich zwei Effekte: Einerseits signalisiere man den anderen Parteien, es geht notfalls auch ohne euch, und man kann so deren Forderungen kleiner halten. Zweitens soll es nach außen ein Signal an alle weiterhin unzufriedenen Nicht-CDU-Wähler sein: Seht her, wir haben es zumindest versucht. Eine tatsächliche Koalition mit der AfD, so wird immer wieder beteuert, sei aber nicht geplant.

Genau daran wollen die Kritiker dieser Variante allerdings nicht glauben. Sie hoffen vielmehr weiter auf eine Mehrheit, die sich strikt gegen ein solches mögliches Vorgehen stemmt. Der Grund: Man vermutet, dass dies für einige der eigenen Abgeordnetenkollegen der erste Schritt ist, um später vielleicht doch das AfD-Tabu zu brechen. Der Vorschlag sei ein Test, wie weit man jetzt gehen kann. „Die meinen das wirklich ernst“, so ein empörter Abgeordnete – aber auch nur hinter vorgehaltener Hand, denn der Streit über ein Sondierungsangebot spaltet nach SZ-Informationen mittlerweile sogar CDU-Führungskräfte.

Interne Vorgabe

Ihre größten Hoffnungen setzen die Befürworter dieser Idee dabei auf den einflussreichen Fraktionschef Christian Hartmann, der es nach seiner Wahl zunächst offen hielt, ob er wie Kretschmer ein AfD-Bündnis grundsätzlich ausschließt oder nicht. Am Ende beugte er sich der Vorgabe des Parteichefs und Ministerpräsidenten.

Doch den meint mancher CDU-Parteifreund jetzt auch an anderer Stelle unter Druck setzen zu müssen. Kretschmer müsse endlich beweisen, dass sein Kurs bei den Wählern ankommt, wird gefordert. Dazu gibt es sogar eine Zahl: mindestens 33 Prozent der Stimmen zur Landtagswahl. Diese interne Vorgabe kommt wie eine Drohung daher. Und das ist offenbar so gewollt.